Süddeutsche Zeitung

Grönland-Eis: Abtauen in Höchstgeschwindigkeit

Die Eisoberfläche Gröndlands schmilzt so stark wie es niemals zuvor beobachtet wurde. Das belegen Satellitenbilder, die Nasa-Wissenschaftler und Klimaforscher ausgewertet haben.

Thomas Wagner-Nagy

Grönlands Eisschicht ist im Juli auf einer größeren Fläche geschmolzen als jemals zuvor in der 30-jährigen Geschichte der Satelliten-Beobachtung. Das berichten Nasa-Wissenschaftler, die in Zusammenarbeit mit Klimaforschern Luftaufnahmen der Insel auswerteten.

Waren am 8. Juli noch 40 Prozent der Eisoberfläche von einer Schmelze betroffen, kamen die Forscher nur vier Tage später auf einen Wert von 97 Prozent. Demnach machte sich das Tauwetter nahezu auf der gesamten Eisdecke Grönlands bemerkbar.

Während eines normalen Sommers taut etwa die Hälfte der grönländischen Eisfläche, deren Dicke zwischen wenigen Millimetern in Küstenregionen und über 3000 Metern im Landesinneren variiert. Der Großteil des Schmelzwassers friert meist schnell wieder an.

"Grund für die starke Schmelze sind die ungewöhnlich hohen Temperaturen, die warme Luftmassen Anfang Juli mit sich brachten", sagt Ruth Mottrem vom Dänischen Meteorologischen Institut. "Selbst in 3200 Metern Höhe maßen wir einen Rekordwert von 2,2 Grad Celsius, im Schnitt sind es hier deutlich unter minus zehn Grad."

Auch in der Hauptstadt Nuuk stieg das Thermometer auf über 20 Grad anstatt der für einen Juli üblichen sieben. In der Folge kam es zu ungewöhnlich heftigen Überschwemmungen. Im Ort Kangerlussuaq, der einen der wichtigsten Flughäfen der Insel beherbergt, wurde eine Brücke durch die Wassermassen stark beschädigt.

"Je mehr die Eisdecke anschmilzt, desto weniger Licht reflektiert sie, wodurch sich der Vorgang weiter beschleunigt", schildert Mottrem die langfristige Problematik.

Ob die dramatische Schmelze Einfluss auf den Meeresspiegel haben wird, lässt sich noch nicht sagen. Mittlerweile haben sich die Temperaturen in Grönland wieder normalisiert.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2012/mcs
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