Grippewellen-Übung:Die simulierte Pandemie

Was passiert, wenn mehr als 25 Millionen Menschen vom Grippe-Virus angesteckt werden? Derzeit üben Länder- und Bundesbehörden für den Fall einer weltumspannenden Influenza-Epidemie.

Annette Ramelsberger und Peter Blechschmidt

Was passiert, wenn ein Drittel der deutschen Bevölkerung krank ist? Wenn mehr als 25 Millionen Menschen vom Grippe-Virus angesteckt werden? Welcher Lastwagenfahrer bringt dann noch den Nachschub in die Supermärkte? Welcher Bankangestellte befüllt noch die Geldautomaten? Bricht die Versorgung dann zusammen?

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2006 half die Bundeswehr während des Ausbruchs der Vogelgrippe auf Rügen.

(Foto: Foto: dpa)

Fragen, die nicht sehr weit hergeholt sind - und die die Verantwortlichen von Bund, Ländern und Unternehmen in einer Großübung beantworten wollen. Bei der Lükex 2007, der länderübergreifenden Katastrophenschutzübung, wollen an diesem Mittwoch und Donnerstag mehr als 3000 Verantwortliche herausfinden, ob sie für den Ernstfall gerüstet sind.

Das Szenario: eine weltumspannende Influenza-Epidemie, vor der die Fachleute seit Jahren warnen. "Wir gehen davon aus, dass diese Pandemie früher oder später kommt", sagt der Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, Christoph Unger.

Und die Übung geht noch nicht einmal von den schlimmsten Vorhersagen aus. Die rechnen nicht mit 30 Prozent Erkrankten in der Bevölkerung, sondern sogar mit 50 Prozent. Doch selbst bei einem weniger schlimmen Ausbruch einer Grippe-Epidemie wären allein in Deutschland 100.000 Tote zu erwarten. Allein schon die Angst der Menschen wäre eine Herausforderung. Was, wenn die Apotheken gestürmt werden?

"Wie regeln wir dann die Verteilung des Grippemittels Tamiflu, wer soll es verteilen, wenn ein Drittel der Apotheker selbst krank im Bett liegt?" Es sind solche Fragen, die Bevölkerungsschützer Unger mit den Teilnehmern klären will. Denn schnell kann die sich ausbreitende Krankheit zu einem allgemeinen Chaos führen.

Wer macht die Arbeit?

"Natürlich müssen wir die Schulen dann schließen", sagt Unger. "Aber das bedeutet auch, dass viele Eltern zu Hause bleiben müssen, um auf ihre Kinder aufzupassen. Die fehlen dann wieder in der Arbeit." Und dort sind die Reihen im Falle einer Pandemie bereits gelichtet: nach den Berechnungen des Robert-Koch-Instituts fallen dann etwa acht Millionen Arbeitskräfte aus. Die liegen mit Fieber schwerkrank im Bett. Doch wer macht ihre Arbeit?

Deshalb üben bei Lükex 2007 auch private Firmen wie Tengelmann und die Milchwirtschaft, wie sie ihre Versorgungsketten aufrechterhalten können. Die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport macht mit, um zu sehen, wie der Flugbetrieb trotz kranker Fluglotsen und Piloten gesichert werden kann. Und die Apothekerkammer will üben, wie sie dem Ansturm auf die Apotheken nach Grippemittel gewachsen sein könnte.

Die simulierte Pandemie

Teilnehmer der Übung ist auch die Bundeswehr. Sie überprüft dabei, ob ihre neue Struktur der zivil-militärischen Zusammenarbeit funktioniert. Auf Länder-, Bezirks- und Kreisebene hat die Bundeswehr Verbindungsbeauftragte eingesetzt. Sie sollen ihre zivilen Partner schnell über eine mögliche Unterstützung der Streitkräfte informieren und Hilfeersuchen im Apparat der Bundeswehr in die richtigen Kanäle leiten.

Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist durch das Grundgesetz erlaubt bei Naturkatastrophen und bei besonders schweren Unglücksfällen, wenn ein Bundesland allein mit einer Krisensituation nicht fertig wird. Berühmte Beispiele waren das Elbe-Hochwasser im August 2002, als 45 000 Soldaten im Einsatz waren, und die Vogelgrippe-Epidemie auf Rügen im Winter 2006, als die Bundeswehr bei der Beseitigung der toten Vögel und bei der Desinfektion der Zufahrtswege half.

Die dritte große Stabsübung

Bei Lükex 07 könnte die Bundeswehr ins Spiel kommen, wenn beispielsweise Opfer der Grippe-Pandemie in Krankenhäuser transportiert oder Kranke auf Isolierstationen versorgt werden müssen. "Wir sind diejenigen, die immer nur darauf warten, dass man sie ruft", sagt ein Offizier. Die Bundeswehr sei gut vorbereitet. "Wir lernen immer, sei es aus dem G-8-Gipfel in Heiligendamm oder aus dem Papstbesuch."

Lükex 07 ist bereits die dritte große Stabsübung. Im Jahr 2004 versuchten die Teilnehmer, mit einem simulierten länderübergreifenden Stromausfall zurechtzukommen. Ergebnis: Ausgerechnet ein Krisenstab tagte in einem Gebäude, wo es keine Notstromaggregate gab.

Aus so etwas lernt man. Im Herbst 2005 bereiteten sich die Verantwortlichen bei Lükex auf die Fußballweltmeisterschaft vor - mit einem Overkill an Katastrophen, von der Sarin-Vergiftung im Stadion bis zum Absturz eines Flugzeugs auf eine Chemiefabrik. Es ist dann doch nichts passiert. Aber man hatte geübt.

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