Glyphosat:Umstrittenes Gift darf weiter versprüht werden

Behörden bescheinigen Glyphosat, der Gesundheit nicht zu schaden, Bauern dürfen das Pestizid weiter versprühen. Umweltverbände laufen Sturm gegen das Votum.

Von Christopher Schrader

Das umstrittene Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat darf in der EU vermutlich weitere zehn Jahre lang genutzt werden. Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und anderer Behörden haben dem Mittel am Montag in Berlin bescheinigt, keine große Gesundheitsgefahr darzustellen. Deutschland hat es im europäischen Verfahren zur Verlängerung der Zulassung übernommen, die Daten zu Glyphosat zu prüfen.

Umweltverbände hadern mit dem Votum der deutschen Behörden. "Es gibt eine große Anzahl von Studien, die auf Gesundheitsgefahren bei Menschen weisen", sagt zum Beispiel Heike Moldenhauer vom BUND. "Es ist für uns nicht nachzuvollziehen, warum das BfR diese als widerlegt ansieht." Forscher wie Monika Krüger von der Universität Leipzig sehen zudem nach vielen Beobachtungen mögliche Zusammenhänge zwischen Glyphosatgaben und Erkrankungen bei Tieren. Längst ist der Stoff auch in Urinproben von Städtern, im Wasser und in Lebensmitteln wie Mehl oder Erdnüssen nachzuweisen. Die Mengen sind laut BfR nicht gefährlich; sie lägen weit unter den Grenzwerten.

Besonders umstritten: Gift sprühen, um das Reifen des Getreides zu beschleunigen

Glyphosat ist weltweit das meist-verkaufte Herbizid. Es wird seit den 1970er-Jahren vom Agrarkonzern Monsanto unter dem Namen "Roundup" vermarktet. Da die Patente abgelaufen sind, bieten Firmen in Deutschland glyphosathaltige Mittel unter 83 Handelsnamen an, sagte in Berlin Hans-Gerd Nolting vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Der Einsatz nimmt zu.

Das Gift greift Enzyme an, die es nur in Pflanzen und manchen Bakterien gibt, aber nicht bei Tieren oder Menschen. Das Mittel wird darum von Landwirten eingesetzt, um nach der Ernte und vor der Aussaat sämtliche Pflanzen im Acker zu vernichten. Mit dem Grünzeug verlieren Insekten und Vögel ihre Nahrungsgrundlage, so dass die biologische Vielfalt unter Glyphosat leidet, wie das BVL feststellt.

Zudem sprühen viele Bauern das Gift kurz vor der Ernte, um das Reifen des Getreides zu beschleunigen. Nicht nur das Umweltbundesamt kritisiert diese Praxis; der Bundesrat hat im vergangenen November gefordert, sie zu verbieten.

Gift schädigt trächtige Kaninchen

Um die gesundheitliche Wirkung des Mittels auf den Menschen prüfen zu lassen, haben Hersteller beim BfR 150 neue Studien eingereicht, vor allem an Ratten und Kaninchen. Laut dem Bundesinstitut zeigte sich Glyphosat bei einmaliger Gabe als ungiftig für die Tiere, wenn sie es mit dem Futter aufnahmen. Es reizt allerdings die Augen. "Das wussten wir schon, Glyphosat bildet schließlich eine Säure", sagte bei dem Symposium Lars Niemann vom BfR. "Trotzdem hat die Industrie allein zu dieser Frage 14 neue Studien eingereicht."

Bei einer chronischen Exposition erwiesen sich trächtige Kaninchen als die empfindlichsten Tiere, das Gift griff offenbar auf Dauer innere Schleimhäute an. Die höchste Dosis, die die Tiere ohne Schaden überstanden, haben die Prüfer durch Hundert geteilt und als neuen Grenzwert für die tägliche Aufnahme für den Menschen vorgeschlagen: Es sind 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Bisher lag er bei 0,3 Milligramm pro Kilogramm.

Missbildungen in der Nähe von Feldern möglich

Kritiker wenden ein, dass das BfR manche Studien und Beobachtungen zu Glyphosat nicht genügend berücksichtigt habe. So gibt es in Südamerika Hinweise auf Fehlbildungen bei Kindern in der Nähe von Feldern mit genmanipulierten Nutzpflanzen. Sie sind gegen das Pflanzengift resistent, können also zur Unkrautbekämpfung besprüht werden. Wissenschaftler aus Argentinien haben zudem Schäden an Hühner- und Froschembryos gemeldet.

Dennoch bescheinigt das Bundesamt dem Pflanzengift, die Leibesfrucht nicht anzugreifen. Versuche mit Kaninchen, die wie Menschen ihren Nachwuchs über eine Plazenta versorgen, hätten keine Gefahren erkennen lassen. Nach sehr hohen Mengen nahmen die Jungen im Mutterleib zwar Schaden, doch lag das wohl daran, dass die Mütter bereits Vergiftungserscheinungen zeigten.

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