Das Volumen der meisten Gebirgsgletscher ist einer neuen Studie zufolge deutlich geringer als bislang angenommen wurde. Die Daten seien wichtig, um die Entwicklung der durch den Klimawandel schrumpfenden Gletscher besser beurteilen zu können, schreiben Forscher um Daniel Farinotti von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich im Fachjournal Nature Geoscience. In Bergregionen haben die Gletscher Auswirkungen auf die Süßwasserversorgung, denn wenn weniger Schmelzwasser aus den Bergen abfließt, führen auch die Flüsse weniger Wasser.
Die Forscher schätzten das Eisvolumen der weltweit insgesamt 215 000 Gletscher auf 158 000 Kubikkilometer. Das seien sieben Prozent weniger als in einer vergleichbaren früheren Studie berechnet. Sie berücksichtigten dafür Satellitenbilder, Umrisse von Gletschern, digitale Höhenmodelle sowie Informationen über glaziales Fließverhalten. Die Gletscher der Arktis und Antarktis machen dabei drei Viertel des weltweiten Gesamtvolumens aus und sind somit für den künftigen Anstieg des Meeresspiegels am bedeutsamsten.
Allein im asiatischen Raum hängen Hunderte Millionen Menschen vom Schmelzwasser ab
In den Gletschern des Himalayas und weiterer Gebirge Hochasiens ist nur ein Bruchteil dieser Eismenge gespeichert, sie sind aber für den dortigen Wasserhaushalt wichtig. Nach den neuen Schätzungen fassen die hochasiatischen Gletscher zusammen 7000 Kubikkilometer Eis, ungefähr ein Viertel weniger als bislang geschätzt. Damit sei zu befürchten, dass die Gletscherfläche dort bereits in den 2060er - und nicht wie bisher angenommen in den 2070er-Jahren - um die Hälfte geschrumpft sein werde. Das habe Konsequenzen für die Wasserversorgung in Hochasien.
Die dortigen Gletscher versorgen große Flüsse wie Indus, Tarim und die Zuflüsse des Aralsees mit Wasser. Davon hängen wiederum Hunderte Millionen Menschen ab. Um das Jahr 2090 könnten die gletscherbedingten Abflussmengen dieser Flüsse in den Sommermonaten um 15 bis 24 Prozent geringer ausfallen als heute, schreiben die Forscher in der Studie. "Diese Differenz ist beunruhigend. Um den vollen Umfang genauer einschätzen zu können, sollten die regionalen Gletschervolumen besser vermessen werden", sagt Farinotti in einer Pressemitteilung der ETH.
Angelika Humbert vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung glaubt, dass zukünftige Studien durch Einbeziehung von noch mehr Daten, wie etwa der zeitlichen Änderung der Eishöhe sowie der Fließgeschwindigkeit und -richtung der Gletscher, noch genauere Ergebnisse liefern können. Außerdem könnten Prognosen durch eine genauere physikalische Modellierung verbessert werden. In die aktuelle Studie sind bereits die Ergebnisse von bis zu fünf verschiedenen Computermodellen eingeflossen. Sie sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, da sie eine Überblick über die globale Situation gebe.