Man kann der Menschheit vieles vorwerfen - aber sicherlich nicht, dass sie zu bescheiden ist. Besonders in der westlichen Welt bezeichnen sich die Menschen gerne als Krone der Schöpfung. Sie sind stolz darauf, sich die Erde untertan gemacht zu haben. Sie haben Wertesysteme und Weltanschauungen rund um ihre vermeintliche Sonderstellung im Universum entwickelt.
Noch in diesem Jahr rechnen Astronomen damit, in den Tiefen des Alls eine zweite Erde zu entdecken.
(Foto: dpa)Ganz langsam jedoch gerät der Thron ins Wanken. Die Menschen müssen sich darauf einstellen, ihre Krone künftig mit anderen Geschöpfen zu teilen - mit Wesen, die nicht von dieser Welt sind: "Nachdem mittlerweile mehr als 500 Planeten in fremden Sonnensystemen entdeckt worden sind, gehört die Existenz anderer Welten und vielleicht sogar anderer Erden längst nicht mehr in den Bereich der Science Fiction", sagt Jennifer Wiseman, Astrophysikerin bei der US-Weltraumbehörde Nasa.
Wiseman ist aber nicht nur Wissenschaftlerin, sie ist auch bekennende Christin. Sie sucht nicht nur nach Exoplaneten, sie geht im Auftrag des amerikanischen Forscherverbandes AAAS auch der Frage nach, wie die Menschheit auf außerirdisches Leben reagieren wird. Und Wiseman ist überzeugt: "Sobald wir beginnen, andere Welten zu untersuchen, wird die Frage nach der Bedeutung und der Einzigartigkeit des irdischen Lebens wie nie zuvor Religion und Gesellschaft erschüttern."
Übertriebene Ängste
Lange dürfte das nicht mehr dauern. Allein das US-Weltraumteleskop Kepler überprüft derzeit 1235 mögliche Exoplaneten, darunter auch 54 erdähnliche Kandidaten. Noch in diesem Jahr rechnen Astronomen damit, in den Tiefen des Alls eine zweite Erde zu entdecken. Sollten in ihrem Licht Hinweise auf Sauerstoff zu finden sein, wäre das ein deutlicher Fingerzeig für außerirdisches Leben.
Ob es sich dabei um intelligente Zivilisationen handeln wird, lässt sich mit Weltraumteleskopen allerdings nicht feststellen. Die Astronomen verfolgen daher noch einen zweiten Weg: Das Seti-Projekt (Search for Extraterrestrial Intelligence) sucht nach Licht- und Radiosignalen aus fernen Planetensystemen und damit nach Spuren hochentwickelter Gesellschaften. "In den nächsten zwei Dutzend Jahren werden wir E.T. ganz sicher gefunden haben", sagt Seti-Astronom Seth Shostak. "Falls nicht, zahle ich jedem einen Kaffee."
Ganz egal, was auf Setis Kaffeekasse zukommen wird - sowohl Wissenschaft als auch Religion wollen vorbereitet sein. Bei der Nasa beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe damit, welche Befindlichkeiten bei einem Alien-Fund berücksichtigt werden müssen. Nach Angaben der Washington Post wird sogar schon an einer Strategie für eine möglichst sensible Verlautbarung gearbeitet.
Der Vatikan hat seinerseits im November 2009 führende Astrobiologen nach Rom eingeladen, um sich auf den aktuellen Stand der Exoplanetenforschung bringen zu lassen. Nachdem sich die Kirche bei Galileo und Kopernikus komplett getäuscht hatte, will sie sich nicht noch einmal eine wissenschaftliche Blöße geben - zumal die Befürchtungen groß sind, dass die Entdeckung außerirdischer Intelligenz eine globale Glaubenskrise hervorrufen wird.
Ted Peters, Professor am Pacific Lutheran Theological Seminary im kalifornischen Berkeley, hält solche Ängste für übertrieben. "Es sind vor allem nicht-religiöse Menschen, die von einem Kollaps der Weltreligionen ausgehen", sagt Peters. 1325 Anhänger verschiedener Glaubensrichtungen hatte der Theologe vor drei Jahren nach ihrer Reaktion auf eine mögliche Entdeckung außerirdischer Intelligenz gefragt. Die Sorgen waren gering, am größten fielen sie noch bei den Juden aus: Elf Prozent befürchteten eine private Glaubenskrise, gefolgt von acht Prozent der Katholiken. Buddhisten ließen sich hingegen nicht aus der Ruhe bringen; kein einziger sah Auswirkungen auf seinen Glauben.
Etwas anders fielen die Antworten auf die Frage aus, ob die Weltreligionen als Ganzes in eine Krise gestürzt würden. Quer durch alle Glaubensgruppen lag die Zustimmung zwischen 30 und 40 Prozent. Unter den nicht-religiösen Teilnehmern der Umfrage rechneten sogar 69 Prozent mit einem Notstand. "Offensichtlich hegen diese Menschen das Vorurteil, dass Religionen besonders zerbrechliche Gebilde sind", glaubt Peters.