Süddeutsche Zeitung

Evolution:Die Fellfarbe von Giraffen verrät ihre Paarungsaussichten

  • Giraffenbullen mit dunklem Fell sind tendenziell weniger gesellig als heller gefärbte Geschlechtsgenossen, ergab eine Studie australischer Biologen.
  • Wahrscheinlich sind sie zugleich stärker und benötigen den Schutz der Gruppe weniger.
  • Indem sie diese Stärke durch die Fellfarbe signalisieren, sind zugleich die Chancen bei der Partnersuche besser.

Von Katrin Blawat

Vom Aussehen eines Individuums auf dessen Charakter, Vorlieben und Verhalten zu schließen, kann leicht zu falschen Schlüssen führen. Im Fall männlicher Giraffen jedoch scheint das in gewissem Maße legitim zu sein: Wie ein Team um Madelaine Castles von der University of Queensland im australischen Brisbane im Fachmagazin Animal Behaviour berichtet, sind dunklere Giraffenbullen tendenziell eigenbrötlerischer als ihre helleren Geschlechtsgenossen. Zudem geht ein dunkel gefärbter Giraffenbulle die Suche nach einer Partnerin im Durchschnitt offensiver an als ein heller.

Die Forscher ermittelten den Zusammenhang zwischen Fellfarbe und der Zeit, die ein Tier allein oder in Gesellschaft verbrachte, bei 66 Giraffenbullen im Etosha-Nationalpark in Namibia über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Grundsätzlich sind männliche Giraffen dunkler als weibliche. Auch das Alter der Tiere ging in die Analysen ein, da Giraffen mit zunehmender Lebenszeit dunkler werden. Das Fellmuster dagegen bleibt lebenslang gleich, unterscheidet sich aber individuell von Tier zu Tier.

Das altersbedingte Nachdunkeln geschah jedoch nicht bei allen Bullen in gleichem Ausmaß; je älter die Männchen wurden, umso deutlicher unterschieden sie sich in ihrer Fellfarbe. Manche wurden beinahe schwarz, andere blieben hellbraun. Und Letztere hielten sich häufiger inmitten ihrer Artgenossen auf als die dunklen Einzelgänger. Diese verließen oft eine Gruppe, um allein auf Partnersuche zu gehen. Giraffen leben in lockeren Verbänden, zu denen oft neue Tiere stoßen, während andere abwandern.

Auf den ersten Blick mag der Zusammenhang zwischen Fellfarbe und Geselligkeit bizarr wirken. Doch die Autoren sehen eine plausible Erklärung: Vermutlich signalisiert ein besonders dunkles Fell die physische wie psychische Stärke eines dominanten Bullen. Ein derart fittes Männchen kann es sich leisten, allein loszuziehen, um eine Partnerin zu suchen. Seine dunkle Färbung könnte dabei zum einen anderen Bullen als Abschreckung und Warnung dienen, sich nicht mit ihm anzulegen. Zum anderen könnte ein nahezu schwarzes Männchen attraktiv auf eine Giraffenkuh wirken nach dem Motto: Ich bin stark und gesund - also ein guter Vater für deine Nachkommen.

Sollte sich diese Erklärung bestätigen, gehören Giraffen zu den wenigen Säugetieren, bei denen die Fellfarbe Aufschluss gibt über ihre sexuelle Fitness. Ein anderes Beispiel sind Löwen, bei denen eine besonders dunkle Mähne als Qualitätsmerkmal eines Männchens gilt. Dabei hängen Tönung und sexuelle Fitness nicht willkürlich zusammen, wie vor allem Untersuchungen an Vögeln gezeigt haben. Vielmehr kostet es ein Lebewesen beträchtliche Energie, ein intensiv gefärbtes Fell oder Gefieder zu produzieren. Wer sich diese biologischen "Kosten" leisten kann, der ist gemäß den Regeln der evolutionären Selektion meist auch fit genug, um starke, lebensfähige Nachkommen zu zeugen.

Für blassere und weniger widerstandsfähige Bullen dagegen könnte die Partnersuche auf eigene Faust zu riskant sein. Sie bleiben daher vermutlich lieber innerhalb ihrer schützenden Gruppe - und nehmen dafür schlechtere Paarungschancen in Kauf. Zum Zuge kommen sie nur bei Weibchen, für die sich ranghöhere Bullen nicht interessieren.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2019/hach/cat
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