Süddeutsche Zeitung

Gewinnung von Stammzellen:Ohne die Zerstörung potentiellen Lebens

Die Gewinnung embryonaler Stammzellen ist heftig umstritten, da dabei potentiell lebensfähige Embryonen geopfert werden. Forscher-Teams aus den USA haben zwei Methoden entwickelt, mit denen sich dieses Problem umgehen lässt.

Zwei US-Teams haben im Tierversuch embryonale Stammzellen gewonnen, ohne geklonte lebensfähige Embryonen zu zerstören.

Die Wissenschaftler hoffen, mit ihren Methoden, die bislang an Mäusen getestet wurden, Kritiker des so genannten therapeutischen Klonens zu beruhigen.

Denn: Bei die erste Technik, die Forscher vom Massachussetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge entwickelt haben, führt zu einem von vorn herein nicht lebensfähigen Embryo. Und bei der Methode der Wissenschaftler der Biotechfirma Advanced Cell Technology aus Massachussetts wird der Embryo nicht zerstört.

Die Gewinnung embryonaler Stammzellen ist aus ethischen Gründen heftig umstritten, da dabei bislang potentiell lebensfähige Embryonen zerstört werden müssen. Viele Forscher sehen in der embryonalen Stammzellenforschung jedoch einen viel versprechenden Weg im Kampf gegen bisher unheilbare Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Krebs.

Die US-Regierung unter Präsident George W. Bush hatte im Jahr 2001 zwar Bundesgelder für die Förderung der Stammzellenforschung zur Verfügung gestellt. Allerdings dürfen die Gelder nur für die Forschung an bereits bestehenden Stammzell-Linien, nicht für die Entwicklung neuer Linien vergeben werden.

In Deutschland, Italien, den USA und etlichen anderen Ländern ist das therapeutische Klonen aus ethischen Bedenken entweder nur begrenzt oder gar nicht erlaubt.

Ein Embryo, der nicht abgetrieben wird

Die Technik, die von Rudolf Jaenisch und Alexander Meissner vom Massachussetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge entwickelt wurde, führt nun zu einem Embryo, der nicht in der Lage ist, sich in der Uterus-Wand einzunisten.

Damit kann er sich nicht zu einem Fötus entwickeln und demnach auch nicht abgetrieben werden. Trotzdem können Stammzellen aus ihm gewonnen werden, die Nervenzellen, Haarfollikeln, Muskel- oder auch Darmzellen bilden. Das berichten die Forscher in der Onlineausgabe von Nature (doi:10.1038/nature04305).

Damit fielen diese Embryonen nicht unter die allgemein akzeptierte Definition von Leben, hieß es in einer Stellungnahme der Forscher.

Dies könne einen Ausweg aus dem ständigen Streit um die Stammzellenforschung und -nutzung weisen. Für Abtreibungsgegner dürfte damit das wichtigste Argument wegfallen.

So vermutet etwa William Hurlbut, Miglied im Bioethikrat des US-Präsidenten, dass die Verwendung solcher Embryonen Kritiker beruhigen könnte, die nicht akzeptieren, dass potentielles Leben zerstört wird, berichtet die New York Times.

Problematisch ist die Technik jedoch noch immer für jene, die die Produktion auch solcher nicht entwicklungsfähiger Embryos grundsätzlich ablehnen.

Weiterentwicklung nach der Zell-Entnahme

Bei einer zweiten Technik wird einem Embryo im Acht-Zell-Stadium eine Zelle entnommen. Der Embryo kann sich trotzdem in der Uterus-Wand einnisten und zu einem normalen Tier entwickeln.

Aus der entnommenen Zelle jedoch lassen sich embryonale Stammzellen gewinnen, berichten Wissenschaftler um Bob Lanza von der Biotechfirma Advanced Cell Technology aus Massachussetts in Nature.

Das ACT-Institut gewann aus einer einzigen Maus fünf embryonale Stammzellenlinien, ohne dem Tier seine Entwicklungsfähigkeit zu nehmen. Aus den Stammzellen konnten den Angaben zufolge alle Formen von Körperzellen generiert werden wie etwa Nerven-, Knochen- oder Herzgewebezellen.

Die Methode der Zell-Entnahme wird bereits jetzt in Fruchtbarkeitskliniken angewandt, um im Reagenzglas gezeugte Embryonen vor der Verpflanzung in die Gebärmutter auf genetische Defekte zu untersuchen. Kinder, die sich aus solchen siebenzelligen Embryos entwickelt haben, scheinen sich normal zu entwickeln.

Lanza glaubt nun, mit dem Verfahren einmal ein therapeutisch brauchbares Stammzellen-Depot für Neugeborene anlegen zu können. Voraussetzung ist, dass das Verfahren nicht nur im Tierversuch, sondern auch mit menschlichen Embryonalzellen erfolgreich ist.

"Ich kann mir keinen Grund denken, warum die Technik theoretisch nicht auch bei Menschen funktionieren sollte", sagte etwa Brigid L. M. Hogan von der Duke University der New York Times.

Bis sich die Methoden bei Menschen anwenden lassen, dürften nach Einschätzung von Wissenschaftlern jedoch noch Jahre vergehen.

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