Süddeutsche Zeitung

Gesundheitsversorgung in Südafrika:Mit dem 7,5-Tonner zum Patienten

Deutsche Wissenschaftler arbeiten gemeinsam mit südafrikanischen Kollegen daran, die medizinische Versorgung in den ländlichen Gebieten Südafrikas zu verbessern. Davon sollen nicht nur die Einheimischen profitieren, sondern auch deutsche Patienten.

Amukelani ist 17 Jahre alt. Sie lebt mit ihrer Mutter in einem kleinen Dorf in der Westkap-Region Südafrikas. "Die Wunde heilt gut, ich werde nächste Woche noch einmal den Verband wechseln, dann sollte wieder alles in Ordnung sein," erklärt die Krankenschwester. Amukelani ist erleichtert, denn so wird ihre Mutter bald wieder arbeiten können.

Weil Busse nur selten fahren, sind sie auf die Unterstützung sogenannter study nurses angewiesen, die mit Kleinbussen für die Menschen in der Region eine medizinische Grundversorgung sicherstellen, indem sie lokale Behandlungen vornehmen oder zur Nachkontrolle vor Ort sind.

Wie Amekulani und ihrer Mutter geht es vielen Menschen in den ländlichen Regionen Südafrikas. Obwohl schon die Regierung von Nelson Mandela eine kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger eingeführt hat, leiden insbesondere Menschen auf dem Land häufig unter einer schlechten Anbindung an die bestehende medizinische Infrastruktur.

"Der Einsatz der study nurses ist im Land weit verbreitet. Und genau auf diese bewährten Strukturen wollen wir mit unserem Projekt ansetzen. Wir orientieren uns daran, was vor allem der ländlichen Bevölkerung aus dem Alltag vertraut ist", erklären Harald Seitz und Sarah Schumacher vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT).

Sie und ihr südafrikanischer Kollege Cornie Scheffer von der Universität Stellenbosch sind ein eingespieltes Team. Deutsche und Südafrikaner widmen sich gemeinsam mit ihrem Projekt "MobiMed" IT-basierten Technologien für die Gesundheitsversorgung. Das Prinzip ist einfach: Wenn der Patient nicht zum Arzt kommen kann, muss der Arzt eben den Patienten aufsuchen.

Gemeinsamer Kampf gegen Tuberkulose und HIV

Eine Besonderheit des Projekts ist das mobile Diagnostiklabor (mobile lab), das in Südafrika im Einsatz ist, um die medizinische Versorgung, insbesondere bei Tuberkulose- und HIV-Erkrankungen, zu unterstützen. Es verbindet eine persönliche Patientenbetreuung mit der Verlässlichkeit eines hochspezialisierten Labors.

Das mobile lab ist einem Truck untergebracht. Es wird momentan von dem Krankenhaus in Caledon betrieben und von dort aus intensiv genutzt - nicht nur für medizinische Diagnostik, sondern auch als Trainingsplattform für medizinisches Personal.

Um Patienten in sehr entlegenen Regionen zu erreichen, wo es zum Teil keine befestigten Straßen gibt, ist jedoch auch der 7,5-Tonner zu groß. "Wir arbeiten daran, die Geräte zur Diagnostik kleiner und zugleich bedienfreundlich zu machen. Dazu ist es wichtig, eng mit Krankenschwestern und Pflegern zusammenzuarbeiten. Denn was für die Experten im Labor verständlich ist, ist nicht automatisch für die Praxis gut einsetzbar", erklärt Cornie Scheffer.

Die Wissenschaftler arbeiten außerdem daran, elektronische Krankenakten einzuführen, aber auch grundlegende Möglichkeiten zur Verbesserungen des öffentlichen Gesundheitssystems sowie neue Informations- und Kommunikationstechnologien zu entwickeln.

Der enge Austausch ist für die Partner aus Deutschland und Südafrika von zentraler Bedeutung. Denn: "Wir bringen unser ganz spezielles Wissen ein, von dem die andere Seite profitiert. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Ländern: In Südafrika arbeiten wir häufig unter Extrembedingungen. Hohe Temperaturen werfen zum Beispiel Fragen nach der Kühlung von Medikamenten auf", sagt Seitz. "Das müssen wir von Anfang an bedenken."

Andererseits gebe es auch Gemeinsamkeiten. "Dort wie hierzulande gibt es Regionen, in denen es wenige Ärzte gibt. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung ist es auch in Deutschland wichtig, Strukturen zu etablieren, um Menschen in ihrer gewohnten Umgebung persönlich zu erreichen."

Positive und negative Folgen der Globalisierung

In anderen Bereichen nehmen bestehende Unterschiede gegenwärtig ab. So steigt mit der zunehmenden Mobilität der Menschen auch die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose. Zwar zählt Südafrika zu den Ländern, in denen circa 80 Prozent aller jährlichen neuen Tuberkulosefälle registriert werden. Aber auch in Deutschland nimmt das Risiko, sich anzustecken, zu. Umgekehrt ist Diabetes hierzulande eine der Volkskrankheiten, doch auch in Südafrika lässt eine veränderte Ernährungsweise die Diabetesraten rasant ansteigen.

"Das sind negative Folgen der Globalisierung", sagt Seitz. Krankheiten machen nicht vor Ländergrenzen Halt - und deswegen dürfe es die Gesundheitsforschung ebenso wenig tun. Aber die Fachleute erkennen auch positive Wechselwirklungen der Globalisierung. "So können zum Beispiel Testsysteme, die in dem einen Land bereits erprobt sind, in dem anderen zum Einsatz kommen."

Ihr Projekt "MobiMed" wurde im Rahmen der Initiative "Deutsch-Südafrikanisches Jahr der Wissenschaft 2012/2013" gefördert. Mit dieser Unterstützung haben die Wissenschaftler in Südafrika und Deutschland Workshops angeboten, um Nachwuchsforscher zur inspirieren.

Denn wie Seitz und Scheffer betonen: Das Potenzial IT-basierter Technologien in der Gesundheitsversorgung ist groß, und die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Südafrika kann helfen, es zu nutzen und weiter auszubauen. Es geht um eine Kooperation, die die globale Herausforderung der medizinischen Versorgung erkennt - und ihr mit ebenso globaler Vernetzung begegnet.

Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Texten, die die Zusammenarbeit von Forschern im Rahmen des Deutsch-Südafrikanischen Jahres der Wissenschaft 2012/2013 beschreiben. Die jeweiligen Projekte werden unterstüzt vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem südafrikanischen Department of Science and Technology. Für das hier beschriebene Projekt wurden "Nachwuchswissenschaftler-Innovations-Workshops" finanziert.

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