Gesundheitskampagnen:Warnung oder Ratschlag?

Wieso manche Medienkampagnen gegen das Rauchen, Saufen oder für die richtige Ernährung gesundes Verhalten fördern - und andere eher kontraproduktiv sind.

Werner Bartens

Läuft im Kino vor dem Hauptfilm ein Spot, in dem vor schädlichen Folgen des Rauchens, vor zu viel Alkohol oder Sex ohne Kondome gewarnt wird, ist meist Heiterkeit garantiert.

Nichtraucherkampagne

Untersuchungen aus verschiedenen Ländern zeigen, dass die Zahl der erwachsenen Raucher zurückgeht, wenn entsprechende Kampagnen gestartet werden.

(Foto: dpa)

Bieder kommt die Mehrzahl der Aufklärungsfilmchen daher. Rauchen, saufen und promiskes Verhalten wirken in vielen Kinofilmen hingegen lässig und regen etliche Jugendliche zur Nachahmung an. Trotzdem ist die Verhaltensforscherin Melanie Wakefield aus Melbourne davon überzeugt, dass Medienkampagnen ein gesünderes Verhalten bewirken können, wie sie im Fachmagazin Lancet (online) berichtet.

Ein Team Verhaltensforscher um Wakefield hat systematisch die Fachliteratur nach Studien durchkämmt, um Hinweise zu finden, in welchen Bereichen Medienkampagnen sinnvoll sein können.

Untersuchungen aus verschiedenen Ländern zeigen etwa, dass die Zahl der erwachsenen Raucher zurückgeht, wenn entsprechende Kampagnen gestartet werden. Jugendliche werden erfolgreich davon abgehalten, das Rauchen überhaupt zu beginnen, wenn die Aufklärung in den Medien mit Programmen in Schulen kombiniert wird und Ansprechpartner vor Ort zeigen, was Nikotin mit Herz, Lunge und Gefäßen anstellt.

Werden die negativen Folgen für die Gesundheit drastisch ausgemalt, hält das besonders viele Menschen vom Rauchen ab. Der Nutzen dieser Kampagnen zeigt sich auch darin, dass die Zahl der Raucher wieder zunimmt, wenn die Aktionen beendet sind. Für die Forscher ist dies nicht überraschend, da Tabakwerbung und die positive Darstellung des Rauchens in Film und Fernsehen weiterhin anziehend wirken.

Ende der 1990er-Jahre von einigen Tabakkonzernen geschaltete Kampagnen und Werbefilme gegen das Rauchen im Teenager-Alter zeigten hingegen kaum Wirkung. Einerseits wurde dort das Rauchen als typische Aktivität von Erwachsenen dargestellt und - als gleichsam "verbotene Frucht" - damit womöglich erst recht attraktiv für die Jugendlichen. Außerdem wurden keine Argumente gegen das Rauchen aufgeführt und die Gesundheitsgefahren nicht erwähnt. Es hieß in den Spots lediglich, dass man als Teenager eben noch zu jung dafür sei.

Kampagnen gegen Alkoholmissbrauch sind hingegen kaum erfolgreich - ebenso wenig wie jene gegen illegale Drogen. In Gesellschaft zu trinken gilt den Wissenschaftlern zu Folge offenbar fast überall als soziale Norm, entsprechendes Verhalten wird in der Werbung wie auch in Filmen und Videos immer wieder gezeigt. Zudem erhöht das Suchtpotenzial des Alkohols wie beim Rauchen die Wahrscheinlichkeit, nicht so bald davon loszukommen. Einzig die Aktionen, die davor warnten, nach Alkoholgenuss das Auto zu benutzen, führten zu weniger Unfällen mit alkoholisierten Fahrern.

Gesündere Ernährung und Sport werden seit den 1970er-Jahren propagiert. Die Kampagnen erreichten zwar viele Menschen. Das Herzkreislaufrisiko ging bei ihnen jedoch nicht stärker zurück als in der Durchschnittsbevölkerung, die sich nicht an Trainingspläne und Diäten hielt.

Womöglich machen permanente Ratschläge, sich gesünder zu ernähren, die Menschen nicht gesünder, sondern kränker, sagt der Epidemiologe Paul Marantz vom Albert Einstein College in New York. "Viele Empfehlungen zur Gesundheitsvorsorge und gesunden Ernährung sind nicht wissenschaftlich fundiert", bemängelt er. "So lange man keine Beweise hat, dass etwas schädlich oder nützlich ist, besteht der beste Ernährungsratschlag darin, keine Ernährungsratschläge zu befolgen."

Die Low-Fat-Doktrin habe Menschen beispielsweise glauben lassen, dass sie sich gesund ernähren, wenn sie nur auf fettarme Produkte achten. In der Folge ist der Kohlenhydratanteil in der Nahrung gestiegen; typische Krankheiten waren die Folge. So leiden seit den 1970er-Jahren mehr Menschen an Diabetes und Bluthochdruck, was mittelfristig zu mehr Herzinfarkten und Schlaganfällen führt.

Auf einmalige Aktionen wie Impfungen oder Tests zur Krebsfrüherkennung lassen sich die Menschen nach Medienkampagnen eher ein, sagt Wakefield. Die Ernährung umzustellen oder auf gefährliche Gewohnheiten zu verzichten, gelingt jedoch nur selten.

Dass Aufklärung etwas bringt, vermutet die Vereinigung amerikanischer Kinderärzte nicht mehr. Vor zwei Wochen verbreiteten sie ihre Strategie: Die desillusionierten Pädiater wollen Eltern dazu bringen, dass ihre Kinder Nikotin, Alkohol oder andere Drogen nicht mehr in Film, Fernsehen oder Musikvideos sehen. Der Sog der Werbung und der medialen Vorbilder ist offenbar so stark, dass keine noch so gut gemeinte Aufklärung dagegen ankommt.

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