Gesundheitsgefahr durch Gentechnik:Tanz um den Mais

Eine gentechnisch veränderte Maissorte, die auch in Deutschland als Lebens- und Futtermittel zugelassen ist, könnte schädlich für Menschen sein - Greenpeace hält die Zulassungskontrollen deshalb für unzureichend.

Tina Baier

"Ratten, die den Mais MON863 in Fütterungsversuchen zu fressen bekamen, reagierten darauf mit Veränderungen an Niere und Leber", sagt Gilles-Eric Séralini von der Universität in Caen, der seine Ergebnisse am Dienstag in Berlin zusammen mit Greenpeace vorstellte. Die Untersuchung, die der SZ bereits vorliegt, soll in den nächsten Tagen online in der Fachzeitschrift Archives of Environmental Contamination and Toxicology publiziert werden.

Lebens- und Futtermittel, die MON863 enthalten, dürfen sei dem 1. Januar 2006 in die Europäische Union importiert werden. In den USA und Kanada wird die Sorte nach Angaben des Herstellers Monsanto auf mehreren Millionen Hektar angebaut. Die Pflanzen produzieren aufgrund einer Veränderung im Erbgut ein Eiweiß, das gegen einen Schädling, den Wurzelbohrer, wirkt.

Die französische Forschergruppe Criigen, die von Séralini geleitet wird, hat Daten überprüft, die Monsanto der deutschen und der europäischen Zulassungsbehörde vorgelegt hat. "Sowohl das Robert Koch Institut als auch die EFSA sind aufgrund dieser Daten zu dem Schluss gekommen, dass MON 863 sicher ist und zugelassen werden kann", sagt Andreas Thierfelder, Pressesprecher von Monsanto.

Bei den Versuchen, die vor der Zulassung im Auftrag des Saatgutherstellers gemacht worden waren und deren Daten Criigen nun neu ausgewertet hat, wurden Ratten 90 Tage lang mit MON 863 gefüttert; Vergleichsgruppen bekamen gentechnisch nicht veränderten Mais. Dabei zeigte sich, dass weibliche Tiere, die das Gentechfutter gefressen hatten, schwerer wurden und mehr Zucker und Fett im Blut hatten, als Weibchen in Kontrollgruppen. Zudem war ihre Leber vergrößert und die Nierenfunktion beeinträchtigt.

Männliche Tiere waren dagegen leichter, hatten kleinere Nieren und die Zusammensetzung der Ionen in ihrem Urin war verändert. "Die Zulassungsbehörden sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Unterschiede zwar signifikant sind, dass sie aber innerhalb des Bereichs liegen, der bei Ratten normal ist", sagt Thierfelder. Deshalb seien die Unterschiede biologisch bedeutungslos.

Keine einheitlichen Prüfkriterien

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, steht deshalb zur Bewertung, die das damals für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen zuständige Robert Koch Institut im Jahr 2003 veröffentlicht hat. "Eine Wirkung des GV-Mais auf die Ratten konnte nicht aus der Fütterungsstudie abgeleitet werden", sagt Pressesprecher Jochen Heimberg. Die nun vorgestellte Neuauswertung der Versuche enthalte "keine neuen Informationen, die die bestehende Sicherheitsbewertung von MON 863 in Frage stellen würde".

Séralini sieht das anders: Für ihn enthalten die Daten klare Hinweise, dass MON863 giftig wirkt. Die Veränderungen an Leber und Niere zeigten, dass die Entgiftungsorgane auf die Gentechsorte reagieren, schreibt Criigen in einer Pressemitteilung. Bedenklich seien auch die unterschiedlichen Reaktionen männlicher und weiblicher Tiere. Genau dasselbe Phänomen ließe sich bei chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln beobachten. Die Criigen-Forscher fordern, MON863 vom Markt zu nehmen: "Dieser Mais kann zurzeit nicht als sicher für den Verzehr betrachtet werden."

Für Christoph Then von Greenpeace zeigt der Fall, dass die Sicherheitskontrollen für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen und Lebensmittel nicht funktionieren. Er bemängelt, dass es keine einheitlichen Kriterien gibt, nach denen Gentechpflanzen vor ihrer Markteinführung überprüft werden. Die Zulassungsbehörden seien nicht in der Lage, eigene statistische Untersuchungen zu machen und könnten daher lediglich prüfen, was ihnen von den Unternehmen vorgelegt werde.

Nachtrag vom 29.11.20013: Das Fachjournal zieht die Publikation zurück.

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