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Geschichte - Worms:Historiker zeigt Wurzeln von städtischem Bewusstsein auf

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Mainz (dpa/lrs) - Die Zugehörigkeit zu einer städtischen Gemeinschaft ist nach Überzeugung des Wormser Historikers Gerold Bönnen seit dem Mittelalter von bleibender Bedeutung und ein wichtiger Faktor für die Integration von Zugewanderten. "Städte in Europa waren immer mehr als eine Ansammlung von Häusern", sagte der Leiter des Stadtarchivs Worms in einem Online-Vortrag zur Landesausstellung "Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht". Speyer und Mainz seien als Gemeinwesen viel älter als jeder deutsche Gesamtstaat.

Gerade am Rhein sei die Geschichte der Stadt mit ihrem erstarkenden Selbstbewusstsein im hohen Mittelalter auch dazu geeignet, "heutigen Städten und ihren Bürgern eine Identität zu geben", sagte Bönnen. "Städte beruhen immer auf Zuwanderung und Städte leben von Mobilität und von der Integration von Zugewanderten - das war in Speyer 1111 nicht anders als es heute ist." Die Identität stiftende Bedeutung von Verständigung und Zusammenleben in einer Stadt sei auch in der Gegenwart von hoher kommunalpolitischer Relevanz.

Es sei wichtig, sich der historischen Wurzeln von kommunaler Identität bewusst zu bleiben, sagte Bönnen, der auch Honorarprofessor an der Universität Heidelberg ist. Städte hätten immer dann funktioniert, wenn sie Mechanismen entwickelt hätten, um das Gemeinschaftsleben zu organisieren und neu Zugewanderte zu integrieren. "Das ist vom Mittelalter her durchaus eine Botschaft."

In der damaligen Urbanisierung sieht Bönnen einen "Megatrend", eine Säule der europäischen Kultur und eine bis heute nachwirkende zivilisatorische Leistung. Dies lasse sich an den Entwicklungen in Speyer, Worms und Mainz besonders gut verfolgen, zumal diese auch als Vorbilder für kleinere Städte wie Oppenheim gedient hätten.

Weitreichende rechtliche wie wirtschaftliche Bedeutung hatten Privilegien der Herrscher wie Heinrich IV. für die "Juden und übrigen Wormser" aus dem Jahr 1074 oder wie Heinrich V. für Speyer aus dem Jahr 1111, festgehalten in einer Inschrift des Speyerer Doms. Zusammen mit Mainz und Köln bildeten die auf die Antike zurückgehenden Städte der Rheinachse eine "Wirtschafts-, Kommunikations-, Kultur- und Innovationsdrehscheibe schlechthin".

© dpa-infocom, dpa:210408-99-121795/3

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