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Geschichte - Kiel:Günther: Risse nicht nur zwischen Ost und West

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Kiel (dpa/lno) - Die zentralen Feiern zum 29. Jahrestag der Deutschen Einheit haben in Kiel unter dem Motto "Mut verbindet" mit einem Bürgerfest begonnen. Zu der zweitägigen Veranstaltung in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt werden 500 000 Besucher erwartet. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte zur Eröffnung am Mittwoch, er freue sich auf ein "buntes und fröhliches Fest in maritimer Atmosphäre - direkt am Meer". Es gehe nicht nur um historisches Gedenken, sondern auch darum, einen Blick in die Zukunft zu wagen. "Wir zeigen die gesamte Bandbreite, die unser Land zu bieten hat."

Kiel empfing seine Gäste nach mehreren Regentagen von seiner besten Seite mit Sonne und einer leichten Brise. Erst später zogen Regenwolken auf. "Wir wollen eine mutige Stadt Kiel im Aufbruch zeigen", sagte Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD).

Im Regierungsviertel stellen sich alle 16 Bundesländer vor. Binnenländer wie Baden-Württemberg, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bekamen das Privileg, sich auf der Ländermeile direkt am Förde-Ufer zu präsentieren. Die Besucher ließen sich seit dem Mittag regionaltypische Leckereien schmecken - von Fischbrötchen über Pfälzer Saumagen bis hin zu Thüringer Klößen. Nach und nach füllte sich die Festmeile mit vielen tausend Menschen, die Atmosphäre begann einer kleinen Kieler Woche zu ähneln.

Günther wird am Donnerstag den Staffelstab des Bundesratspräsidenten symbolisch an seinen Brandenburger Amtskollegen Dietmar Woidke (SPD) übergeben. Zuvor gibt es den Einheitsfestakt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

Vor der Einheitsfeier hatte Merkel in einem Podcast gesagt, in den drei Jahrzehnten seit dem Mauerfall sei viel erreicht worden. Allerdings bleibe noch "einiges zu tun". So hätten die neuen Länder bei der Wirtschaftskraft deutlich aufgeholt. "Andererseits bleibt noch eine Wegstrecke zurückzulegen. Und so ist es in vielen Bereichen." Eine Studie der Wochenzeitung "Die Zeit" offenbart sehr kritische Aussagen von Ostdeutschen zum heutigen Zustand der Demokratie in Deutschland.

Der Kieler Regierungschef Günther hofft auf ein positives Signal durch das Bürgerfest direkt an der Waterkant. Es dürfe keine Brüche zwischen Ost und West geben, sagte er am Rande der Eröffnung. "Manche Diskussion, die man im Moment führt, hat es so in den letzten Jahren so nicht gegeben." Es sei eine Herausforderung, dafür zu sorgen, dass sich Menschen nicht abgehängt fühlten. Die Politik müsse das Thema einheitliche Lebensverhältnisse in den Griff bekommen: "Da geht kein Riss durch Deutschland in Ost und West, sondern diese Herausforderung haben wir in ganz Deutschland."

Mit viel Personal und Broschüren kamen Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung an die Förde. Ebenfalls präsent ist der Zipfelbund: Diesen bilden die Gemeinden an den geografischen Extremen Deutschlands: List auf Sylt im Norden, Görlitz (Sachsen) im Osten, Oberstdorf (Bayern) im Süden und Selfkant (NRW) im Westen.

Polizei und private Sicherheitsdienste sind in Kiel mit Großaufgeboten zur Stelle und sind nahezu überall präsent. Vor allem die starken Sicherheitsvorkehrungen vor den Ständen der Verfassungsorgane am Ostseekai fallen auf. Besucher fühlten sich dort an Kontrollen am Flughafen erinnert. Entlang der Festmeile wurden viele Straßen gesperrt. Die Besucher wurden gebeten, mit Bus und Bahn anzureisen. Am Donnerstag, dem Tag der Deutschen Einheit, ist der öffentliche Nahverkehr nach und in Kiel kostenlos.

In einer Fußgängerzone informieren Zeltstände über Denunziation und Verfolgung in der DDR. Die Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen hat Formulare ausgelegt, mit denen jeder Auskunft beantragen kann, ob die Stasi ihn bespitzelt hat. Ein 75-Jähriger, der eigentlich schon immer Bescheid wissen wollte, füllte einen Antrag aus. Der gebürtige Chemnitzer hatte von Kiel aus Klassenreisen in die DDR gemacht, stets von einem Reiseführer und einem Stasi-Mitarbeiter begleitet. Auch die Stiftung Berliner Mauer und die Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sind auf der "Meile Politik und Zeitgeschichte" präsent.

An den Wendeherbst 1989 erinnert am Landtag eine Skulptur des tschechischen Künstlers David Černý: "Quo vadis" zeigt einen Trabi auf vier Beinen. Nebenan sind in einem Zelt "Grenzgeschichten" zu sehen, mit Grenzanlagen und Grenzöffnung. Schleswig-Holstein zeigt in seinem Zelt die breite Vielfalt des Landes mit Natur, Energiewende, deutsch-dänischer Geschichte und dem umstrittenen Projekt eines Ostsee-Tunnels von Fehmarn nach Dänemark.

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