Geschichte - Kiel:Forscher arbeiten NS-Belastung weiter auf

Kiel (dpa/lno) - Historiker wollen den Einfluss von Altnazis auf die Landespolitik in Schleswig-Holstein tiefgehender als bislang untersuchen. "Es geht im wesentlichen um den Umgang innerhalb des Milieus, das wir Landespolitik nennen", sagte Projektleiter Uwe Danker von der Europa-Universität Flensburg am Donnerstag in Kiel bei der Vorstellung einer Folgestudie zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der Landespolitik. Danker und seine zehn Mitstreiter wollen 491 Personen in den Fokus nehmen, die in Polizei, Landesverwaltung, Justiz und Kommunalpolitik in der Nachkriegszeit bedeutende Funktionen hatten.

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Kiel (dpa/lno) - Historiker wollen den Einfluss von Altnazis auf die Landespolitik in Schleswig-Holstein tiefgehender als bislang untersuchen. "Es geht im wesentlichen um den Umgang innerhalb des Milieus, das wir Landespolitik nennen", sagte Projektleiter Uwe Danker von der Europa-Universität Flensburg am Donnerstag in Kiel bei der Vorstellung einer Folgestudie zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der Landespolitik. Danker und seine zehn Mitstreiter wollen 491 Personen in den Fokus nehmen, die in Polizei, Landesverwaltung, Justiz und Kommunalpolitik in der Nachkriegszeit bedeutende Funktionen hatten.

Seine These laute, dass "die NS-Biografie relativ wenig Erklärungskraft hat für Entscheidungsprozesse und für Handlungsmuster innerhalb von Politik. Wir glauben, dass eher nichts dabei rauskommt, was die Steuerung von politischem Handeln angeht", sagte Danker. Für ihn als Wissenschaftler gelte aber der Quellenvorbehalt: "Ich lasse mich vom Gegenteil überzeugen."

Das Projekt will für die Stichjahre 1948 und 1955 im damaligen Landkreis Süderdithmarschen und in der Stadt Flensburg die Kommunalparlamente und die politische Spitze untersuchen. Das sei auch Aktenwühlerei, sagte Danker. Als Fortsetzung der Analyse des Polizeiuntersuchungsausschusses der ersten Studie würden jene 120 Polizisten erneut betrachtet, die bereits damals wegen etwaiger Verstrickungen in NS-Gewaltverbrechen im Fokus standen.

Außerdem rücken die Staatsanwaltschaften, Richter und Gutachter des Landessozialgerichts, die Spitze des Justizministeriums (1949-62), die Richter des Wiedergutmachungskammer des Landgerichts Kiel (1957-67), das Landesentschädigungsamt und Siedlungsexperten in den Blickpunkt. Sie wollten aufklären, aber nicht richten, kündigte Danker an.

Neben Mitgliedschaften, Funktionen sowie realen Rollen im NS-Staat wollen die Forscher sprach- und kulturwissenschaftliche sowie historische Analysen von Landtagsdebatten vornehmen. Sie wollen so herausfinden, wie stark die NS-Vergangenheit der Protagonisten die politische Kultur des Landes und den Umgang der landespolitischen Eliten untereinander prägte. Dazu gehört auch eine Auswertung der Kabinettsprotokolle.

Ihre Ergebnisse wollen die Wissenschaftler im Oktober 2020 vorstellen. Der Landtag fördert das Projekt mit 200 000 Euro.

Ein Team um Danker hatte vor Jahren bereits im Auftrag des Landtags die NS-Belastungen von Landespolitikern unter die Lupe genommen. Demnach hatten 36 Prozent aller Landtagsabgeordneten von 1946 bis 1982, die vom Alter dafür infrage kamen, der NSDAP angehört. Bei den Regierungsmitgliedern waren es nach 1950 sogar zwei Drittel, bei den Staatssekretären mehr als 80 Prozent.

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