Geschichte - Hamburg:Kampagne für Synagoge erfolgreich: 107 000 Unterstützer

Deutschland
Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche, Shlomo Bistritzky (r), Landesrabbiner der Freien und Hansestadt Hamburg, und Daniel Sheffer, Gründer und Sprecher der Initiative "Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge“, stehen für ein Foto zusammen. Foto: Daniel Reinhardt/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lno) - Ein sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus im Herzen Hamburgs - das soll die Bornplatzsynagoge nach ihrem Wiederaufbau sein. Für dieses Anliegen hat die Initiative für den Wiederaufbau nach eigenen Angaben mehr als 107 000 Unterstützer gefunden. Die meisten hätten per Mausklick "Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge" gesagt, sagte der Gründer der Initiative, Daniel Sheffer, am Mittwoch.

Seit dem Start der Kampagne am vergangenen 9. November seien aber auch zahlreiche E-Mails, Briefe und Anrufe eingegangen. Das Anliegen wurde am internationalen Holocaust-Gedenktag symbolisch an die Stadt und die Jüdische Gemeinde Hamburg übergeben.

Nun geht es darum, wie die ehemals größte Synagoge Norddeutschlands an ihrem alten Platz im Grindelviertel wiedererrichtet werden kann. Staatsrat Jan Pörksen (SPD) erklärte, in diesen Tagen laufe die Vergabe einer Machbarkeitsstudie. Die Frage sei: "Wie können wir jüdisches Leben in Hamburg wieder so erlebbar machen wie es war?" Der Wiederaufbau der 1938 beschädigten und 1939 zwangsweise abgerissenen Synagoge sei ein weithin sichtbares Zeichen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte Ende November 65 Millionen Euro für das Projekt freigegeben.

Nach den Worten von Sheffer sind jetzt viele praktische Fragen zu erörtern: Wie viele Juden werden die Synagoge besuchen? Kommen sie mit dem Auto oder dem Fahrrad? Wie wird die Sicherheit gewährleistet? Auf dem ehemaligen Bornplatz steht ein im Krieg errichteter Hochbunker, der den Platz teilt. Dieser massive Bau wird von der Universität genutzt und steht unter Denkmalschutz. An der Nordostseite erinnern Gedenktafeln an die Synagoge. Die Lage ihrer Kuppel ist seit 1988 durch ein Bodenmosaik markiert.

"Wir fußen auf der Vorarbeit vieler anderer, die sich gegen Antisemitismus und für ein gleichberechtigtes jüdisches Leben in Deutschland und in Hamburg einsetzen", sagte Sheffer. Auch die Widmung und Erinnerung am ehemaligen Bornplatz sei eine Grundlage für die Wiederaufbau-Initiative. Aber ein erfolgreiches Mahnen und Erinnern müsse viele Menschen erreichen.

"Und am Bornplatz sind es - für mich zumindest - bis heute nicht genügend, die erreicht worden sind", erklärte der Initiator. Der Wiederaufbau biete eine enorme Chance, durch Begegnungen die Mahnung zu multiplizieren. "Das, was die Nazis unsichtbar machten, machen wir wieder sichtbar", erklärte Sheffer.

Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) sagte an der Gedenkstätte Hannoverscher Bahnhof in der Hafencity: "In unserer Freien und Hansestadt Hamburg pflegen wir eine nachhaltige Erinnerungskultur." Die 2017 eröffnete Gedenkstätte erinnere an die Deportation von mehr als 8000 Menschen in die Vernichtungslager. Sie sei für Hamburg ein Ort der Trauer und der Schande, aber auch ein würdiger Ort der Erinnerung.

Auf 20 Tafeln sind die Namen der deportierten Juden, Sinti und Roma aus Norddeutschland verzeichnet. Die Bürgerschaft habe sich einstimmig dafür ausgesprochen, das Amt eines Antisemitismus-Beauftragten zu schaffen. Auch der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge sei einstimmig befürwortet worden.

Keines der Opfer dürfe je vergessen werden, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) und betonte: "Die Verbrechen der Schoa werden auch niemals vergessen werden." Sie seien die am besten dokumentierten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Menschen seien in dem vor 76 Jahren befreiten Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet worden. "Wenn wir eine Schweigeminute für jedes Opfer der Verbrechen des Holocaust abhalten würden, wäre es für die nächsten elf Jahre still", sagte Fegebank.

"Geschichte und Gräueltaten lassen sich nicht in Statistiken und Zahlen veranschaulichen, auch Reden sind dafür nur bedingt geeignet", meinte der Zweite Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hamburg, Eli Fel. Er erinnerte an seine Großmutter Cila Melamed, die am 27. Januar 1905 in Riga geboren wurde. Ende 1945 habe sie in ihrer Heimatstadt nach ihren Angehörigen gesucht und darüber ein Gedicht auf Jiddisch geschrieben, das Fel vortrug. Darin bekannte sie ihre Freude über die Befreiung der Stadt von den Deutschen, aber auch ihren Schmerz über die Ermordung fast aller jüdischen Einwohner: "Ich hab geweint bei Tag und bei Nacht."

© dpa-infocom, dpa:210127-99-188920/3

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