Geschichte - Dresden:Gedenken in Dresden: Nein zu Krieg: Protest gegen Rechts

13. Februar
Mit einer Menschenkette wird auf dem Neumarkt der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gedacht. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Dresden (dpa/sn) - Stille Erinnerung, lauter Protest und eine klare Botschaft: Dresden hat am Sonntag der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg vor 77 Jahren sowie aller Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Vertreter des Freistaates, der Stadt und der Zivilgesellschaft legten traditionell Kränze nieder an Ruhestätten der Toten der Luftangriffe vom 13. Februar 1945 und den Tagen danach. Weiße Rosen wurden an Gedenkorten niedergelegt und viele Kerzen wurden aufgestellt. Hunderte Demonstranten protestierten gegen einen Aufzug von Neonazis, mit der traditionellen Menschenkette am Abend sendete Dresden die Mahnung in die Welt: "Nie wieder Krieg".

Sie solle von denen gehört werden, "die in diesen Tagen die Macht haben über Soldaten und Waffen", sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) mit Verweis auf die Ukraine-Krise. "Frieden ist nicht selbstverständlich, sondern allzu oft zerbrechlich." Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ist angesichts des Truppenaufmarschs in Russland an den Grenzen zum Baltikum und der Ukraine "in höchstem Maße" besorgt. "Wir wollen, dass alles unternommen wird, dass es nicht zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Wir wissen hier in Dresden, wie furchtbar Folgen eines solchen Krieges sind." Krieg fordere immer nur Opfer.

Kretschmer hatte sich nach einem Gedenkgottesdienst in der Kreuzkirche auf dem Altmarkt in die Menschenkette eingereiht. Die Stadt gab die Teilnehmerzahl mit über 3000 an. Wegen der Pandemie konnten sie sich nicht an den Händen fassen, sondern waren durch gelbe Bänder vereint, als Symbol für die Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung. "Für mich ist dieser Ring um die Innenstadt weit mehr als nur der Schutz vor nationalistischen Fanatikern", sagte Hilbert. Er sei wiederkehrender Beweis, "dass wir als Gemeinschaft für eine offene, demokratische und vielseitige Lebensweise stehen".

Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) erinnerte an die Zerstörung Dresdens. "Mit diesen Toten, mit dem verheerenden Bombardement, mit dem Leid der Davongekommenen wurde immer wieder Politik gemacht", sagte sie in ihrer Rede zur Eröffnung der Bundesversammlung in Berlin. Das sei schon im Zweiten Weltkrieg der Fall gewesen "und erst recht danach".

In Dresden zogen zu dieser Zeit Hunderte Neonazis auf einer vorgegebenen Strecke vom Bahnhof zur Altstadt und zurück. "Der Tag verläuft bisher friedlich und störungsfrei", sagte ein Polizeisprecher am Abend. Der Aufzug unter den Klängen von Wagner-Musik wurde von Einsatzkräften ebenso abgesichert wie Gegenprotest in Sicht- und Hörweite hinter Absperrungen, die ein direktes Aufeinandertreffen verhinderten. Dem von "Nazis raus"-Rufen am Straßenrand begleiteten Marsch stellten sich Hunderte Demonstranten lautstark entgegen. Über dem Areal von Zwinger, Semperoper und Residenzschloss kreiste ein Hubschrauber, außerdem standen ein Wasserwerfer und ein Räumpanzer bereit.

Im Nachgang der Versammlung berichtete die Polizei von einer symbolischen Blockade der Auftaktkundgebung und einzelnen Versuchen aus dem Gegenprotest, Absperrungen zu durchbrechen. "Dabei kam es auch zum Einsatz von Pfefferspray." Gegen einen 21- und einen 27-Jährigen wurden Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet, gegen einen 24-Jährigen wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte. Im Verlauf des Sonntags waren laut Polizei 1821 Beamte im Einsatz.

Am abgesperrten Gedenkort für die Opfer der Bombenangriffe auf dem Altmarkt legten Menschen tagsüber Kränze und Blumen ab, an der Frauenkirche flackerten Kerzen und auch kleine weiße Rosen aus Seide erinnerten an Opfer von Terror und Gewalt. Mit der Menschenkette, in die sich auch Minister, Bürgermeister, Abgeordnete, Wissenschaftler, aber auch Studenten und Familien einreihten, wehrte sich die Stadtgesellschaft zum 12. Mal gegen die Vereinnahmung des Gedenktages durch Rechtsextreme.

Sächsische Staatskapelle und Dresdner Philharmonie geben am Abend Gedenkkonzerte, ohne Beifall und mit Schweigeminute am Ende. Nach einem ökumenischen Friedensgottesdienst in der Kreuzkirche sollten dann die Glocken aller Innenstadtkirchen läuten - wie jedes Jahr zum Zeitpunkt des ersten Angriffs.

Knapp drei Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges hatten am 13. Februar 1945 und in den Tagen darauf alliierte Bomber Teile Dresdens in Trümmer gelegt. Die Zahl der Opfer konnte nie genau ermittelt werden. Nach Erkenntnissen einer Expertenkommission kamen bis zu 25 000 Menschen ums Leben und es wurde eine Fläche von zwölf Quadratkilometern vollständig zerstört.

© dpa-infocom, dpa:220213-99-110958/5

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