Geologie:Warum Amerika nicht versinkt

Der nordamerikanische Kontinent wäre längst ein Teil des Meeresbodens - wäre da nicht das heiße Gestein in seinem Untergrund.

Axel Bojanowski

Dass der nordamerikanische Kontinent nicht längst im Meer versunken ist, liegt am heißen Gestein in seinem Untergrund. Die Hitze lässt den Kontinent aufquellen wie einen Hefeteig - und hebt ihn über den Meeresspiegel.

Zu diesem Ergebnis kommen Geophysiker, die den Untergrund der USA mit Schallwellen vermessen haben (Journal of Geophysical Research, Bd. 112, S. B06414, 2007). Die Studie zeigt, dass unterirdische Wärme die Gestalt der Erdoberfläche stärker prägt als angenommen.

Bislang erklärten Forscher Berg- und Tallandschaften mit dem Eisberg-Effekt: Je dicker ein Eisberg ist, desto weiter ragt er aus dem Wasser; und ein Gebiet ist umso höher, je dicker seine Kontinentscholle ist. Die Vermessung der Alpen hat dieses Prinzip bestätigt. Die Wurzeln des Gebirges tauchen doppelt so tief in den Untergrund ein wie die anderer Landschaften.

Auch unterirdische Hitze kann die Gestalt eines Gebirges formen. Magmaströme unter Südamerika etwa tragen zur Hebung der Anden bei - sie prägen ihre Gestalt: Ein gewaltiges Plateau bildet den Gipfel der Anden. Die Ebene formte sich, weil Hitze das Gestein gleichmäßig ausdehnt. Das Innere der Alpen hingegen ist kalt. Entsprechend zerklüftet sind sie, geformt einzig durch den Zusammenstoß von Kontinentalplatten.

Auch außerhalb von Gebirgen hat die Hitze des Erdinneren großen Einfluss, haben Derrick Hasterok und David Chapman von der Universität Utah nun herausgefunden.

Daten von Schallwellen

Die Forscher berufen sich auf die Daten von Schallwellen, die Informationen über den Untergrund liefern: Die Wellen - erzeugt bei Explosionen und Erdbeben - ändern ihre Geschwindigkeit je nach der Zusammensetzung des Gesteins, das sie passieren.

Kaltes Gestein durchlaufen die Wellen schneller als heißes. Ihr Ergebnis zeigt, dass die Erdkruste - die oberste Schicht der Erde - unter Nordamerika heißer ist als angenommen. Vor allem der Zerfall radioaktiver Substanzen erwärmt die Erdkruste.

Besonders überraschend ist jedoch, dass die Wärmeschwankungen im Untergrund dem Auf-und-Ab an der Oberfläche entsprechen: Je heißer die Kruste, desto höher liegt die Landschaft. Die Kontinentscholle unter dem 1500 Meter hohen Colorado-Plateau etwa ist an ihrer Basis in rund 30 Kilometer Tiefe etwa 650 Grad heiß. Unter den Großen Ebenen herrschen nur auf 500 Grad.

Hasterok und Chapman haben berechnet, wie groß der Einfluss der Hitze auf die Höhe der Landschaften ist. Würde die Erdkruste auf die kälteste Temperatur abkühlen, die unter Kontinenten gemessen wurde, lägen die meisten Regionen der USA unter Wasser: Atlanta etwa befände sich 430 Meter unter dem Meeresspiegel, Chicago knapp 700 Meter, Las Vegas gar 1300 Meter. Die Städte versinken tatsächlich, denn die Erde kühlt sich langsam ab.

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