Süddeutsche Zeitung

Geoengineering:Riskanter Sonnenschirm für die Erde

  • Mit kleinsten Partikeln in der Stratosphäre ließe sich ein Teil der Sonneneinstrahlung reflektieren und die Erde so abkühlen.
  • Völlig unklar sind jedoch die politischen Risiken des solaren Geoengineerings.
  • Auch die UN-Umweltkonferenz in Nairobi soll in dieser Woche über das Thema beraten.

Von Marlene Weiß

Geoengineering, also Klimamanipulation mit technischen Hilfsmitteln, ist ein riskantes Unterfangen. Ganz besonders, wenn man kleine Partikel in die Stratosphäre bringt, um einen Teil der Sonneneinstrahlung zu reflektieren. Dieses sogenannte solare Geoengineering würde zwar die Erde kühlen, aber dafür drohen schwere Nebenwirkungen, etwa eine Veränderung der Monsunregenfälle. Forscher um Peter Irvine von der Harvard University haben nun simuliert, was geschehen würde, wenn man sich etwas zurückhielte: Man könnte gerade so viele Teilchen in die Luft schießen, dass nur etwa die Hälfte der künftigen Erwärmung ausbliebe (Nature Climate Change). Demnach hätte das kaum negative Effekte, nur auf 0,4 Prozent der Landfläche würden sich Dürren oder extreme Regenfälle verschlimmern.

Allerdings ist das nur ein Modell. "Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem so etwas sinnvoll wäre", sagt Andreas Oschlies vom Geomar in Kiel, Koordinator eines Schwerpunktprogramms zum Thema. Zumal eine schlagartige, katastrophale Erwärmung der Erde drohen würde, sollte man jemals wieder mit dem Geoengineering aufhören - da die Partikel in der Atmosphäre kurzlebig wären, würde ihr Effekt schnell verpuffen. "Diese Temperaturschuld ist nicht zu verantworten", sagt Oschlies.

Trotzdem bleibt der Ansatz in der Diskussion. In dieser Woche befasst sich die UN-Umweltkonferenz in Nairobi mit einem Antrag der Schweiz, eine umfassende Studie zu Chancen und Risiken verschiedener Geoengineering-Methoden in Auftrag zu geben, darunter auch solares Geoengineering. Das Anliegen wird von zehn weiteren Staaten unterstützt, darunter so unterschiedliche Länder wie Liechtenstein, Südkorea und Senegal.

Ein erstes Experiment soll noch in diesem Jahr beginnen

Allerdings bezweifeln Experten, dass eine weitere Übersichtsarbeit noch wirklich Neues zutage fördern kann. "Es gibt bereits eine ganze Reihe Studien mit herkömmlichen Klimamodellen über solares Geoengineering, da sehe ich keinen dringenden weiteren Bedarf", sagt Oschlies. Auch andere Ansätze sind bereits gut untersucht, etwa die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre, per großflächiger Aufforstung, Ozeandüngung oder mit physikalisch-chemischen Methoden. So hat etwa die britische Royal Society im Jahr 2009 eine große Übersichtsarbeit zu Geoengineering erstellt, aktualisiert im Jahr 2012; an einer neueren Studie aus dem vergangenen Jahr war Oschlies selbst beteiligt.

Noch am Anfang stehen hingegen konkrete Experimente, vor allem, was das solare Geoengineering angeht. Ein Team an der Harvard University plant noch in diesem Jahr einen ersten Test mit einem Ballon, der dann kleine Mengen Kalziumkarbonat-Partikel in die Stratosphäre bringen soll. Beteiligt daran ist auch David Keith, Ko-Autor der aktuellen Studie.

Vermutlich geht es beim Antrag auf der UN-Umweltkonferenz aber weniger um neue Erkenntnisse als darum, ernsthafte internationale Verhandlungen über Geoengineering zu forcieren; in dem Entwurf für eine Resolution ist auch vorgesehen, Möglichkeiten für die politische Implementierung untersuchen zu lassen. Nachdem der herkömmliche Klimaschutz noch immer nicht recht vom Fleck kommt, halten einige es für dringend geboten, sich auf andere Methoden zumindest vorzubereiten, ehe es noch ein Staat auf eigene Faust angeht.

Völlig unklar sind jedoch die politischen Risiken des solaren Geoengineerings. "Hat man einmal damit angefangen, kann jeder Hurricane zu politischen Spannungen führen, weil nicht klar ist, ob die Klimamanipulation der Grund dafür war", sagt Oschlies. Tatsächlich wäre der Verdacht nicht ganz unbegründet: Wer die Sonneneinstrahlung abschirmt, greift tief ins Klimasystem der Erde ein. Der Schirm würde in den Tropen stark wirken, in der Polarnacht gar nicht, dadurch würden sich Verdunstungsmuster und Temperaturgefälle verändern. Die Wirkung von CO₂ wäre damit nicht aufgehoben, sondern durch eine weitere Veränderung teilweise überdeckt.

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SZ vom 12.03.2019 / weis
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