Gentechnik-Streit:Saat des Zweifels

Keith Sebourn checks on canola plants at a greenhouse run by Cibus, which is using genomic editing to develop herbicide-resistant canola.

Man kann den Rapspflanzen im Gewächshaus der Firma Cibus in Kalifornien nicht nachweisen, ob sie genetisch verändert wurden.

(Foto: Sandy Huffaker)
  • Ein Raps des amerikanischen Herstellers Cibus hat zu einem Streit zwischen Behörden, Wissenschaftlern und Gentechnik-Kritikern geführt.
  • Das Verfahren, um die Sorte herzustellen, ähnelt einer natürlichen Mutation. Daher argumentiert Cibus, der Raps falle in den Bereich "konventionelle Züchtung".
  • Kritiker warnen jedoch vor einer "Gentechnik durch die Hintertür". Zwei neue Gutachten bewerten den Raps ebenfalls als Gentechnik.

Von Hanno Charisius

Seit 2013 sind die deutschen Äcker offiziell gentechnikfrei. Im Januar 2015 entschied auch das Europäische Parlament, dass der Alleingang Deutschlands gegen die Grüne Gentechnik in Ordnung war, und dass die EU-Staaten zukünftig jeweils für sich alleine entscheiden dürfen, ob sie den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen erlauben wollen, oder nicht. Am Dienstag konnte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) verkünden, dass die Saatgutunternehmen derzeit auf Anbaugenehmigungen für gentechnisch veränderte Pflanzen in Deutschland verzichten. Damit könnte das Thema in Deutschland eigentlich endgültig vom Tisch sein. Eigentlich.

Wäre da nicht der Raps des amerikanischen Saatgutherstellers Cibus. Der Züchter verwendete eine Methode, die es noch nicht gab, als das deutsche Gentechnikgesetz geschrieben wurde oder die Europäische Richtlinie 2001/18/EG zur Freisetzung von genetisch veränderten Organismen. Das Verfahren funktioniert, ohne Spuren zu hinterlassen, und ist von einer natürlichen Mutation nicht zu unterscheiden. Jetzt wird darum gestritten, ob das trotzdem schon Gentechnik ist, oder ob es auf den Acker darf, weil es in die Kategorie "konventionelle Züchtung" fällt. Die Antwort auf diese Frage fällt unterschiedlich aus, je nach dem, ob man sich ihr wissenschaftlich, politisch, juristisch oder ideologisch motiviert nähert.

"Keine Gentechnik", sagt der Hersteller natürlich, der sein Produkt gerne im gentechnikfeindlichen Europa vermarkten würde. Man habe lediglich einen natürlichen Reparaturmechanismus der Pflanzen genutzt. "Keine Gentechnik", sagt auch die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit ZKBS, eine für das Verbraucherschutzministerium (BVL) arbeitende Expertengruppe. Denn bei dem Verfahren würde es zu keiner Neukombination genetischen Materials kommen. "Keine Gentechnik", sagt Hans-Jörg Jacobsen, emeritierter Pflanzengenetiker von der Universität Hannover. "Schließlich wurden keine artfremden Gene eingepflanzt. Man hätte mit klassischen Züchtungsmethoden zum selben Ergebnis kommen können, es wäre nur unglaublich viel aufwendiger gewesen".

"Grundsatzentscheidung, was in Zukunft als Gentechnik gilt"

"Keine Gentechnik", so entschied auch das BVL im vergangenen Februar, als man dort den Antrag von Cibus für einen Testanbau in Deutschland auf dem Tisch liegen hatte. Vorbehaltlich einer eventuell anderslautenden Beurteilung seitens der EU-Kommission entschied das Amt, die Cibus-Methode sei mit einem chemischen Mutagen vergleichbar. Solche Stoffe fügen - wie radioaktive Strahlen - zufällige Mutationen ins Erbgut ein, die zu interessanten neuen Eigenschaften führen können. Die Pflanzendesigner von Cibus bauten die Mutationen hingegen zielgerichtet an genau zwei vorbestimmten Punkten ein. Dazu verwendeten sie Oligonukleotide, kurze Erbgutstückchen, die die gewünschte genetische Information tragen und von der Pflanze am richtigen Ort mit dem eigenen Erbgut verschmolzen werden. Durch Mutagenese hergestellte Sorten gelten nicht als gentechnisch verändert, so schrieb das BVL in seiner Antwort an Cibus.

Dieser Interpretation konnten zahlreiche Umweltverbände, Saatgutunternehmen und Lebensmittelhersteller nicht folgen. Sie legten Widerspruch gegen den BVL-Bescheid ein und klagen inzwischen vor dem Verwaltungsgericht in Braunschweig. Cibus muss warten.

Für Christof Potthof vom Verein Gen-ethisches Netzwerk ist das, was Cibus macht, klar Gentechnik. "Die Freisetzungsrichtlinie unterscheidet glasklar zwischen Techniken, die ,seit langem als sicher gelten' und solchen, für die das nicht zutrifft." Für die neuen Methoden treffe das nicht zu, also fielen sie unter das Gentechnikrecht. Es sei offensichtlich, dass das BVL ohne Beteiligung der Öffentlichkeit Fakten schaffen wollte, sagt Potthof. "Es geht hier nicht um eine x-beliebige Pflanze. Es geht um eine Grundsatzentscheidung, was in Zukunft als Gentechnik gilt, und was nicht." Schließlich gibt es neben der Oligonukleotid-Methode noch eine Reihe anderer Verfahren, die ebenfalls spurlos das Erbgut von Pflanzen umkonstruieren können, und bei denen genauso offen ist, ob sie unter das Gentechnikgesetz fallen.

"Die Behörden sollten sich gegen eine Zulassung durch die Hintertür stellen"

Zwei juristische Gutachten geben Potthof und seinen Mitstreitern jetzt recht. Der Umweltjurist Ludwig Krämer argumentiert, dass die Oligonukleotid-Methode und auch die anderen neuen Verfahren sehr wohl unter die Europäische Richtlinie fallen, da diese prozessorientiert und nicht ergebnisorientiert sei.

Tade Spranger von der Universität Bonn, der zur Regulierung der Biomedizin und Gentechnologie forscht, erstellte im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz ein weiteres Gutachten. Darin schreibt er, dass "gerade weil es sich um zielgerichtete Punktmutationen handelt", sie unter die EU-Richtlinie fallen würden. Bei anderen Mutagenese-Methoden würde man durch Erfahrung davon ausgehen, dass diese sicher seien. Dies sei bei den neuen Verfahren jedoch nicht gegeben. "Ich kann nachvollziehen, dass es wissenschaftlich gute Argumente gibt, warum die Methoden nicht gefährlicher sind als die alten. Doch es ist nicht in Einklang mit den bestehende Gesetzen, diese Verfahren zuzulassen. Da haben BVL und ZKBS nicht gut genug hingeschaut." Man könne die neuen Methoden aber zum Anlass nehmen, die bestehenden Gesetze zu überarbeiten. "Unternehmen scheuen die juristische Auseinandersetzung. Doch die Behörden sollten sich gegen eine Zulassung durch die Hintertür stellen."

Nach Auffassung einiger Wissenschaftsorganisationen ist es müßig, über eine Definition für Gentechnik zu streiten. "Schon Gentechnik, aber trotzdem kein Problem", erklärten etwa sinngemäß die Verbände Leopoldina, Acatech und die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften in einer gemeinsamen Stellungnahme im Frühjahr. Sollten die mit neuen Methoden hergestellten Sorten unter das Gentechnikgesetz fallen, zeige dies, dass der an das Züchtungsverfahren anknüpfende Regelungsansatz verfehlt sei. Die Eigenschaften einer neuen Sorte sollten im Mittelpunkt der Diskussion stehen und nicht die Methode, mit der sie erzeugt wurde. Umwelt- und Gesundheitsrisiken müssten wie bei jeder anderen neuen Pflanze getestet werden.

Die EU-Kommission hat angekündigt, sich noch in diesem Jahr zum juristischen Status der neuen Verfahren zu äußern und endlich Klarheit zu schaffen. Mit Anbaugenehmigungen für Cibus-Raps und ähnlich hergestellten Sorten solle man sich lieber gedulden, schrieb die Kommission im Sommer an alle Mitgliedsstaaten. Vorsorglich.

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