Gentechnik:Neue Pflanzen

Schon bald könnte es virenresistente Gurken geben, dauerfrische Äpfel und Gewächse, die dem Klimawandel trotzen. Doch viele Menschen misstrauen jeder technischen Manipulation am Erbgut.

Von Kathrin Zinkant

Manchmal kann ein Teller Pasta eine Form des friedlichen Protests sein. Wie bei Stefan Jansson. Der schwedische Pflanzenforscher von der Universität in Umeå hatte eine neue Kohlsorte in seinem Garten angebaut. Als die Ernte eingefahren war, putzte er die Blätter, briet sie und mischte das Grün unter eine Portion Tagliatelle. Kein Gourmet-Menü. Doch das Gericht, das er im August vergangenen Jahres mit einem Radioreporter verspeiste, machte weltweit Schlagzeilen.

Es war das erste Mal, dass jemand in Europa demonstrativ eine Pflanze verzehrte, die mit einem neuen gentechnischen Verfahren erzeugt worden war, dem sogenannten Gene Editing - also mit einer von acht neueren Methoden, die seit Jahren auf eine Entscheidung der EU-Kommission warten. Es sind recht verschiedene Ansätze, bei denen jedoch unklar ist, ob es sich bei den Erzeugnissen um gentechnisch veränderte Organismen (GVO) handelt. Obwohl diese Technologien nur wenig an die klassische grüne Gentechnik erinnern: Wie jede Züchtung greifen sie ins Erbgut ein, aber mit modernen Mitteln. Und deshalb wird auf das Heftigste gegen sie gekämpft.

Es ist ein Kampf, der allzu vertraut ist. Die alte Gentechnik hat den Begriff GVO in den 1990er-Jahren nachhaltig geprägt - und negativ besetzt, weil ihre Werkzeuge fast nur zur Erzeugung transgener Pflanzen genutzt wurden. Transgen heißt, dass Gene aus artfremden Gewächsen, Bakterien oder sogar Tieren in neue Pflanzensorten geschleust werden. Das erschien als eklatanter Bruch mit der klassischen Züchtung, die sich weitestgehend mit dem begnügen muss, was von Natur aus da ist.

Die neuen Pflanzenzüchtungsmethoden lösen diese scheinbar klare Trennung zwischen der guten Züchtung und der bösen Gentechnik nun jedoch auf. Denn meist geht es bei den modernen Verfahren zwar darum, sehr technisch und gezielt ins Erbgut einzugreifen. In der Regel soll damit aber das Gleiche bewerkstelligt werden wie durch den mühsamen, weil ungerichteten und langwierigen Prozess der klassischen Züchtung. Dank der umfassenden Erforschung verschiedener Pflanzensorten, vor allem der ursprünglichen Wildpflanzen, sind für die jeweiligen Arten inzwischen viele Gene bekannt, die sie widerstandsfähig gegenüber ungünstigen Witterungsbedingungen und Krankheiten machen können. Diese meist arteigenen Merkmale will man mit den neuen Methoden rasch in aktuelle Sorten einführen. Dadurch könnten dramatische Ernteausfälle verhindert, Erträge gesteigert und auch der Nährstoffgehalt verbessert werden.

Jede Art von technischer Manipulation wird heute als eklatanter Übergriff auf die Natur empfunden

Die Methode, die im Fokus von Forschern, Züchtern und mittlerweile auch Politikern steht, ist das sogenannte Gene Editing mit Crispr-Cas9 (siehe Grafik). In einigen Ländern werden Produkte dieses Verfahrens bereits verkauft, viele weitere werden derzeit entwickelt. So haben israelische Genetiker mithilfe von Crispr eine Gurke entwickelt, die gegen Viren und damit gegen Missernten gewappnet ist. Ein anderes Beispiel sind Pflanzen, die gegen die Kartoffelfäule immun sind: Der Pilz Phytophtora infestans hatte noch im 19. Jahrhundert zu einer großen Hungersnot geführt, sie löschte in Irland fast ein Sechstel der Bevölkerung aus. Heute wütet eine neue Variante des Erregers weltweit auf Tomaten- und Kartoffelfeldern. Zwar lässt sich der Befall eingrenzen, wenn man die Pflanzen vor direktem Kontakt mit Wasser schützt. Im Freiland sind die Chancen für einen Erfolg jedoch schlecht.

Ob Crispr eine Chance bekommt, ist in der EU ohnehin fraglich. "Das ist eine Frage der Akzeptanz", sagt Joachim Schiemann vom Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Quedlinburg. "Hobbygärtner wie ich würden eine phytophtoraresistente Tomate vermutlich sofort kaufen." Doch die Angst vor der alten Gentechnik hat der allgemeinen Akzeptanz für Produkte aus den Saatgutlabors zu sehr geschadet. Jede Art von technischer Manipulation im Erbgut wird heute als eklatanter Übergriff auf die Natur empfunden.

Vor allem Umweltverbände und grüne Parteien in Europa versuchen deshalb, die neuen Züchtungsmethoden zu verhindern. Die Folge könnte eine Regulierung der Produkte als GVO sein, die nach Auffassung von Joachim Schiemann eher befördert, was verhindert werden soll: dass große Firmen sich die Techniken aneignen. "Es gab auch bei der alten Gentechnik viele Pläne für sehr nützliche Pflanzensorten", erinnert sich der Forscher. Die strenge Regulierung jedoch habe dazu geführt, dass nur die großen Firmen sich eine Entwicklung von Sorten überhaupt leisten konnten. Und diese Sorten mussten profitabel sein.

Die künftige Bayer-Tochter Monsanto hat im vergangenen Herbst eine Lizenz für die Crispr-Technologie erworben. Das könnte eine Warnung davor sein, den gleichen Fehler noch einmal zu machen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: