Süddeutsche Zeitung

Ernährung:Gentechnik für das Klima

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Genom-editierter Mais oder Weizen könnte helfen, Treibhausgase, Dünger und Pestizide zu sparen. Leider ist die Debatte bislang von Ideologie statt Evidenz geprägt.

Kommentar von Christoph von Eichhorn

Um die klimaschädlichen Treibhausgase aus der Landwirtschaft schnell zu senken, gibt es eine einfache Lösung: Alle Menschen hören auf, Fleisch zu essen und steigen auf eine pflanzliche Ernährung um. Sehr viel Fläche, auf der bislang Tierfutter wächst, würde frei, die man dann aufforsten könnte. Da dies auf absehbare Zeit kaum passieren wird und die meisten Menschen nicht zum Vegetarier werden wollen, muss man über zweit- und drittbeste Optionen nachdenken.

Darunter fallen zum Beispiel genveränderte Pflanzen (GVO). Würden in der EU gentechnisch veränderte Zuckerrüben, Raps, Mais, Baumwolle und Sojabohnen wachsen, könnten die CO₂-Emissionen um 33 Millionen Tonnen sinken, wie eine Studie gerade ausgerechnet hat. Das entspricht dem 16-fachen Effekt, den ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen hätte, über das so viel gestritten wurde. Zwar muss man die Argumente der Autoren nicht in allen Details teilen. So unterstellen sie, dass Ertragssteigerungen in Europa automatisch zu weniger Anbau in Regenwaldgebieten führen, was zweifelhaft ist. Unter dem Strich ist die Aussage aber richtig, dass der Einsatz von Gentechnik helfen kann, Emissionen, Düngemittel und Pestizide zu sparen.

Pilzresistenter Weizen, trockentoleranter Mais, gesündere Sojabohnen

Dabei wurden in der aktuellen Studie nur Feldfrüchte berücksichtigt, die anderswo längst wachsen. Noch größere Vorteile für die Umwelt könnten fortschrittliche Genom-editierte Sorten bieten. Techniken wie die Genschere Crispr-Cas9 greifen so präzise wie nie in das Pflanzenerbgut ein. Mit ihnen haben Agrarforscher etwa Sojabohnen mit gesünderen Fettsäuren erzeugt, pilzresistenten Weizen, bakterienresistenten Reis oder Mais, der Trockenheit widersteht. Diese Eigenschaften sind entscheidend, um Felder für die Folgen der Erderwärmung wie etwa lange Dürren zu wappnen.

Ärgerlicherweise unternimmt die EU-Kommission keine ausreichenden Schritte, damit Genom-editierte Pflanzen erprobt und angebaut werden können. Stattdessen wird die Genom-Editierung gleichgesetzt mit anderen gentechnischen Verfahren, bei denen artfremde Gene ins Erbgut eingebracht werden, was ihren Einsatz praktisch verhindert. Auch im Koalitionsvertrag der Ampel findet sich dazu kein Wort, offenbar aus Rücksicht vor manchen Verbrauchern, die sich vor allem fürchten, was nach Gentechnik klingt. Unzählige Studien haben gezeigt, dass diese Angst unbegründet ist. Jedoch wird sie auch von manchen Politikern geschürt - oftmals von denselben, die am lautesten vor der Klimakrise warnen. Nur braucht man zu deren Bewältigung eben die passenden Werkzeuge.

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