Süddeutsche Zeitung

Gentechnik in der Landwirtschaft:Resistent gegen Gentech-Pflanzen

Ob gentechnisch veränderte Pflanzen oder konventionelle Gewächse: Wo immer Insektizide zum Einsatz kommen, werden Schädlinge irgendwann resistent gegen die Gifte. Machen Bt-Mais und Bt-Baumwolle die Schädlinge besonders schnell widerstandsfähig?

Von Katrin Blawat

Am schnellsten war der Heerwurm in Puerto Rico. Schon nach drei Jahren konnten die Gifte, die gentechnisch veränderte Mais-Pflanzen eigentlich zum Schutz vor dem Schädling bildeten, mehr als der Hälfte der dortigen Heerwürmer nichts mehr anhaben.

In einer nie zuvor dokumentierten Geschwindigkeit hatte die Mehrzahl der Schädlinge Resistenzen entwickelt. Daraufhin nahmen die Hersteller den Gentech-Mais 2007 in Puerto Rico vom Markt. Der Heerwurm aber ist berühmt geworden. Seine meisterhafte Anpassungsfähigkeit wird oft als eindrückliches Beispiel zitiert, um vor den Auswirkungen von Bt-Mais und anderen Gentech-Pflanzen zu warnen.

Doch Befürworter der gentechnisch veränderten Gewächse können mit Gegenbeispielen kontern. So wächst in den USA seit 15 Jahren Bt-Mais, der ein Gift gegen den Maiszünsler produziert. Trotz der recht langen Zeitspanne scheinen diese Schädlinge noch unvermindert empfindlich auf das Toxin zu reagieren.

Ähnlich verhält es sich mit der Baumwoll-Kapseleule in Australien. Auch nach 15 Jahren ist nur ein verschwindend geringer Teil der Schädlinge resistent; die Gentech-Baumwolle kann sich nach wie vor gut gegen die Raupen wehren.

Ja, was denn nun? Lassen Bt-Mais und Bt-Baumwolle die Schädlinge ungewöhnlich schnell resistent werden oder nicht? Eine einfache, allgemeingültige Antwort gibt es nicht. Vielmehr hängt das Risiko von zahlreichen Faktoren ab, wie eine umfangreiche Veröffentlichung der University of Arizona nun dokumentiert (Nature Biotechnology, Bd. 31, S. 1, 2013).

Dafür analysierten Forscher um Bruce Tabashnik Daten aus 77 Studien zu verschiedenen Varianten von Bt-Mais und Bt-Baumwolle. Die Erhebungen schließen acht Länder ein, sechs verschiedene Bt-Gifte sowie 13 wirtschaftlich bedeutsame Schädlings-Arten.

Unter ihnen nehmen die Resistenzen insgesamt zu, wie die Studie unmissverständlich zeigt. 2005 waren Resistenzen gegen ein Bt-Gift nur beim Baumwollkapselbohrer belegt und bei acht weiteren Schädlingen vermutet. Fünf Jahre später standen vier weitere Insektenarten auf der Liste mit belegten Resistenzen.

Doch lässt sich aus dem Anstieg allein wenig ableiten. Zum einen ist im gleichen Zeitraum weltweit die Fläche mit Bt-Pflanzen gewachsen. Auch wenn Resistenzen nach wie vor mit der gleichen Geschwindigkeit entstehen sollten, würde man daher in mehr Insekten-Populationen eine Unempfindlichkeit erwarten.

Zum anderen nutzen auch Landwirte mit herkömmlich gezüchtetem Mais oder Gentech-freier Baumwolle Bt-Gifte. Nur lassen sie diese nicht von den Pflanzen produzieren, sondern versprühen sie. Natürlich fördert auch das Resistenzen: Wo immer Schädlinge in Kontakt mit Giften kommen, werden einige von ihnen irgendwann unempfindlich dagegen. Das gilt für die Gentech-Landwirtschaft ebenso wie für die herkömmliche und selbst für den Bio-Anbau, wo auch Bt-Toxine eingesetzt werden.

"Man muss stets damit rechnen, dass sich die Schädlinge anpassen. Es ist wohl so gut wie unmöglich, die Entwicklung von Resistenzen zu verhindern", sagt Tabashnik.

Doch wenn schon nicht verhindern, so lässt sie sich immerhin beeinflussen. Wachsen zwischen Äckern mit Bt-Pflanzen auch herkömmliche Gewächse, kann dies Resistenzen erheblich herauszögern. In vielen Fällen wird ein Insekt nämlich nur dann unempfindlich gegen das Gift der Pflanze, wenn es die entsprechende genetische Ausstattung von beiden Elternteilen mitbekommen hat.

In Gebieten, in denen gentechnisch veränderte neben herkömmlichen Pflanzen wachsen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass eines der Elterntiere keine Veranlagung für eine Resistenz in sich trägt. Dann reagiert auch der Nachwuchs noch auf das Gift.

In vielen Regionen sind solche Ausgleichsflächen Pflicht. So auch für Baumwoll-Bauern in Indien - doch halten sich viele von ihnen nicht daran. In Arizona hingegen legen viele Baumwoll-Pflanzer Ausgleichsflächen an.

Dieser Unterschied könnte, so vermutet Tabashnik, ein Grund sein, warum der Rote Baumwollkapselwurm in Indien - ebenso wie in China, wo Ausgleichsflächen gar nicht erst vorgeschrieben sind - schneller und häufiger Resistenzen entwickelt hat als in Arizona.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2013/mcs
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