Gentechnik:Gefährlicher Mais - oder eine schlechte Studie?

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Wenn Ratten mit gentechnisch verändertem Mais gefüttert werden, entwickeln sie mehr bösartige Tumore und sterben früher, berichten französische Forscher. Ihre Studie zieht allerdings heftige Kritik auf sich.

Katrin Blawat

Der Streit um gentechnisch veränderten Mais hat sich nach einer Studie französischer Forscher verschärft. Eine Gruppe um den Molekularbiologen Gilles-Eric Séralini von der Universität in Caen berichtet im Fachmagazin Food and Chemical Toxicology (online), mit Gentech-Mais gefütterte Ratten hätten mehr bösartige Tumore entwickelt als Kontrolltiere und seien früher gestorben.

Macht Genmais krank? Eine französische Studie weist darauf hin, zieht aber auch Kritik auf sich. (Foto: Getty Images)

Zudem testeten die Forscher den Effekt des Unkrautgiftes Roundup auf die Nager und stellten dabei ebenfalls schädliche Auswirkungen fest. "Diese Studie repräsentiert die erste detaillierte Dokumentation von schädlichen Langzeit-Effekten, die durch den Konsum von genetisch modifiziertem Mais entstehen", schreiben die Forscher.

Macht Gentech-Mais also krank und verkürzt das Leben? Sollten sich Séralinis Ergebnisse bestätigen, wäre das alarmierend. Doch wie aussagekräftig die französische Studie ist, lässt sich derzeit nur schwer einschätzen. Einige unbeteiligte Wissenschaftler haben bereits heftige Kritik geübt.

Séralinis Versuche schlossen 200 Ratten ein. Diese wurden in zehn Gruppen mit jeweils weiblichen und männlichen Tieren aufgeteilt. Drei Gruppen erhielten gentechnisch veränderten Mais, der jeweils elf, 22 oder 33 Prozent ihres Futters ausmachte. Dabei handelte es sich um die Maissorte NK603 von Monsanto. Sie darf in der europäischen Union nicht angebaut, aber als Tierfutter und in Lebensmitteln verwendet werden.

Das Besondere an diesem Mais ist, dass ihm das Unkrautgift Roundup nichts anhaben kann. Bauern können ihre NK603-Maisfelder also mit großen Mengen von diesem Unkrautvernichter einsprühen, ohne damit ihren Maispflanzen zu schaden. Das Herbizid stammt ebenfalls von Monsanto.

Wie sich der Gentech-Mais auswirkte, nachdem er mit Roundup behandelt worden war, sollten drei weitere Gruppen von Tieren zeigen. Ebenfalls drei Gruppen bekamen zwar konventionelles Futter; dafür enthielt ihr Trinkwasser verschieden hohe Konzentrationen des Unkrautgiftes. Die zehnte Gruppe bestand aus Ratten, die konventionellen Mais und unbelastetes Wasser bekamen.

Die Versuche liefen über zwei Jahre. Das ist zwar lange für derartige Fütterungsstudien, die meist nur drei Monate dauern. Allerdings bezieht sich auch ein Teil von Séralinis Aussagen auf eine Versuchsdauer von weniger als zwei Jahren. Dies erschwert es, einige der Ergebnisse einzuordnen.

Den Autoren zufolge starben bis zu fünf von zehn Rattenmännchen und sieben von zehn Weibchen in jenen Gruppen, die Gentech-Mais oder Herbizid-belastetes Wasser erhalten hatten. In der Kontrollgruppe hingegen starben nur drei von zehn männlichen und zwei von zehn weiblichen Tieren. Die Weibchen entwickelten vor allem Brustkrebs, die Männchen Leber- und Nierenschäden.

Rätselhaft an einem Teil der Daten erscheint auf den ersten Blick, warum die Todesrate in den einzelnen Gruppen nicht umso höher lag, je größer der Anteil des Gentech-Mais war. Sollte die Wirkung von NK603 nicht mit steigender Konzentration umso deutlicher ausfallen? Séralini argumentiert, dass es möglicherweise einen Schwellenwert gebe.

Weitere Kritikpunkte nimmt er ebenfalls vorweg - nicht nur in der Studie selbst, sondern vor allem im Internet auf einer Website der Organisation Criigen. Séralini ist Präsident des wissenschaftlichen Rates dieses "Komitees für Forschung und unabhängige Information zu Gentechnik". Die eigene Studie unmittelbar nach ihrem Erscheinen auf einer derartigen Internetseite zu diskutieren, ist ungewöhnlich. Criigen wird am Ende der Veröffentlichung als einer der maßgeblichen Unterstützer der Studie genannt.

Der Forscher hat bereits in früheren Studien die Gesundheitsrisiken gentechnisch veränderter Maissorten untersucht. Unter anderem analysierte er Daten, die aus Fütterungsstudien des Konzerns Monsanto stammten, und stufte die Ergebnisse als bedenklich ein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) sah jedoch auch nach Séralinis Analyse "keinen Anlass zu neuen Sicherheitsbedenken". Die Efsa bemängelte die statistischen Analysen des französischen Forschers.

Sie werde die aktuelle Studie ebenfalls prüfen, kündigte die Behörde an. Entsprechendes teilte auch der Konzern Monsanto mit, konkreter wollten sich beide derzeit nicht äußern. Das gilt auch für Pablo Steinberg und Edmund Maser, beide in der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) tätig. Diese ist am Bundesamt für Verbraucherschutz angesiedelt.

Für Heike Moldenhauer vom BUND zeigt Séralinis Arbeit "wie wichtig Langzeitstudien sind". Sie weist aber auch auf fehlende Angaben hin, etwa die, wie viel des Roundup-Wirkstoffes die Ratten aufgenommen haben. Der Ernährungsexperte Tom Sanders vom Londoner King's College kritisiert der Schweizer Nachrichtenagentur sda zufolge, die eingesetzten Ratten seien sowieso anfällig für Brustkrebs. Die statistischen Methoden nannte Sanders "unkonventionell".

Den australischen Forscher Mark Tester zitiert sda mit der Frage, warum die französischen Ergebnisse so drastisch von zahlreichen anderen Untersuchungen abwichen. Außerdem argumentiert Tester, Gentech-Mais befinde sich seit mehr als zehn Jahren in US-Lebensmitteln, trotzdem steige die Lebenserwartung dort unvermindert. "Niemand wird tot umfallen, wenn er gentechnisch veränderten Mais isst", sagt Stephanie Töwe von Greenpeace. "Aber die Studie zeigt, dass wir nichts wissen."

Nachtrag vom 29.11.20013: Das Fachjournal zieht die Publikation zurück.

© SZ vom 21.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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