Gentechnik:Die Auferstehung der Champions

Eine Firma klont berühmte Sportpferde - die ersten Kopien stehen schon im Stall und sollen später wertvolle Zuchthengste werden

Anke Fossgreen

Es ist der 2.Mai 1986. Im Landkreis Pinneberg beschnuppert eine Stute ihr Neugeborenes, das noch etwas wackelig auf seinen staksigen Beinen steht. Die Geburt war nicht einfach, denn sie hat ein Riesenbaby zur Welt gebracht. Jetzt leckt sie ihm zärtlich das Fell.

pferde, dpa

Olympia-Dressurreiter Martin Schaudt mit dem nicht geklonten Pferd "Weltall"

(Foto: Foto: dpa)

Dunkelbraun ist das Hengstfohlen. Aber die Einsprenkelungen verraten der erfolgreichen Züchterin Ilse Hell bereits, dass dieser Holsteiner einmal ein Schimmel werden wird. Und was für einer.

Ein Schimmel, eine Legende

Calvaro wird ein Stockmaß von gigantischen 185 Zentimetern haben und eine Sprungkraft, dass man glaubt, er stünde einen Moment still, wenn er über ein Hindernis fliegt. Zehn Jahre lang haben er und sein Schweizer Reiter Willi Mellinger hart zusammen gearbeitet und oft gewonnen: Vier Europameisterschafts-Medaillen, zweimal Silber bei Olympia und rund zwei Millionen Schweizer Franken an Preisgeld.

Doch es waren nicht nur die Erfolge, die Calvaro unsterblich machten, es war auch sein Charisma: Er wurde "weißer Mythos" genannt, "ein Pferd von einem anderen Stern". Der Schimmel war schon bald ein Popstar, eine Legende.

"Calvaro war eines der Pferde des Jahrhunderts", sagt Ludger Beerbaum, der beste Springreiter der Welt, der den Schimmel selbst einst verschmäht hatte, weil er ihm zu klobig erschien.

Seit dem 30.September 2003, als kein Tierarzt mehr Calvaros Schmerzen lindern konnte, gibt es den "weißen Riesen" nicht mehr. Calvaro hatte sich nicht mehr von einer Meniskusverletzung erholt. Im August aber - gut 20 Jahre nach seiner Geburt - soll der weiße Riese wieder auferstehen.

Schlachtpferde liefern die Eierstöcke

Nicht aus seiner Asche, sondern aus ein paar seiner Hautzellen: als Klon. Die Zellen hat ihm der Tierarzt Eric Palmer kurz vor dem Tod von der Brust zwischen den Vorderbeinen entnommen und eingefroren in den Tanks seiner französischen Firma Cryozootech.

Bereits im Jahr 2004 hatte Palmer angekündigt, dass er Embryonen aus diesen Zellen geklont habe. Doch der erste Versuch schlug fehl: Keine der Stuten, denen die Embryonen eingesetzt worden waren, wurde trächtig. Dann begann die ganze Prozedur erneut. "Um einen Klon herzustellen, sind hunderte von Versuchen nötig", sagt Palmer.

Diese Experimente finden jedoch nicht in Frankreich statt. "Hier wird diese Technik nicht unterstützt." Andere Gründe sind rein pragmatisch: "In Frankreich werden zu wenig Pferde geschlachtet." Denn die Kloner benötigen unzählige Eizellen, die sie den Eierstöcken von geschlachteten Stuten entnehmen - bei einem Klonfohlen brauchte Cryozootech rund 2000 Eizellen für 22 Embryonen.

Die Auferstehung der Champions

"Die Herstellung der Embryonen aus diesen Eizellen ist der heikle Schritt", bestätigt Cesare Galli vom Labor für Reproduktionstechnik in Cremona, Italien. Galli ist der erste Forscher, dem es 2003 gelang, überhaupt ein Pferd zu klonen: die Stute Prometea, einen stinknormalen Gaul.

"Das Klonen von Pferden ist nicht komplizierter als das von Kühen", sagt Galli, der mit Rindern die größte Erfahrung hat. "Schweine oder Schafe zu klonen ist dagegen schwieriger."

Bei Pferden sei es zwar zunächst kompliziert, Embryonen aus den Zellen des zu klonenden Tieres herzustellen. Dazu wird das Erbgut dieser Zellen in Eizellen eingepflanzt, denen das eigene Erbgut zuvor entfernt wurde. "Wenn man aber erst einmal einige Embryonen im Labor erhalten hat, dann ist der Erfolg recht hoch, dass viele Stuten tatsächlich trächtig werden."

Ein faires Angebot

Im Auftrag von Cryozootech hat Galli im letzten Jahr ein zweites Klonpferd geschaffen, einen Doppelgänger des Arabers Pieraz, des zweifachen Weltmeisters im Distanzrennen.

In diesem Jahr sollen neben Calvaro noch zwei weitere Berühmtheiten genetisch dupliziert werden: ET, der Olympiasieger von Atlanta im Springreiten, und Rusty, der Olympiazweite von Athen in der Dressur. Dabei ist es nicht das Ziel, dass diese "zeitversetzten eineiigen Zwillinge" der Champions einmal selber an Wettkämpfen teilnehmen.

Die Klone sollen vielmehr als Zuchthengste das kostbare Erbgut weitergeben. Das ist den meisten männlichen Sportpferden nämlich nicht mehr möglich. Sie wurden schon in jungen Jahren kastriert.

Werden die Klon-Nachkommen gesund sein?

Noch ist das Klonverfahren mit 250.000 Euro so teuer, dass Cryozootech nur wenige Aufträge von wohlhabenden Interessenten hat. Deshalb finanziert Eric Palmer seine kostspielige Pionierarbeit über Teilhaberschaften.

Schon jetzt hat er 39 Anteilsscheine verkauft, die für 5000 Euro das Recht verbriefen, pro Jahr eine Stute vom Klon-Calvaro decken zu lassen - während des gesamten Lebens des Klons. "Das ist ein faires Angebot", ist Palmer überzeugt. Auch sonst koste es pro Jahr 2000 bis 5000 Euro, eine Stute durch einen hochqualifizierten Zuchthengst decken zu lassen.

Doch welche Qualität werden die Spermien der Klone haben? Und werden die Nachkommen gesund sein? Zumindest beim Klonen selbst treten schließlich häufig Komplikationen auf. Es kann zu Problemen während der Trächtigkeit kommen, zu Fehlgeburten oder auch zu Missbildungen.

Die Auferstehung der Champions

"Es gibt zwar Schwierigkeiten, wenn Klontiere zur Welt kommen", bestätigt Cesare Galli. Aber wenn sich die Klone dann selbst fortpflanzten, verlaufe die Trächtigkeit normal und die Nachkommen seien gesund.

Das hätten weltweit die Erfahrungen mit dem Klonen von Rindern gezeigt. Diese Resultate kann Galli selbst mit 20 Kälbern bestätigen, die aus den Spermien eines geklonten Bullen in seinem Institut gezeugt wurden.

Calvaros Klon wird aber nicht in Italien bei Cesare Galli zur Welt kommen. Cryozootech arbeitet weltweit mit verschiedenen Labors zusammen und will ausprobieren, wer die erfolgreichste Methode entwickelt. Der Grund: "Die Technologie ist noch nicht ausgereift. Sie muss noch verbessert werden", sagt Palmer.

Calvaro II wird ein Texaner

Deshalb ließ er für seinen ersten zahlenden Kunden 2005 das Show-Springpferd Quidam de Revel an der Texas A&M University klonen. Auch der Klon-Calvaro wird ein Texaner werden. Allerdings wurde er von der Firma Viagen in Austin erzeugt. Die US-Firma kündigte Ende März an, dass noch in diesem Jahr insgesamt sieben Klone von berühmten Pferden in ihren Ställen zur Welt kommen werden. Ein Klonboom in der Pferdezucht?

"Wir haben gezeigt, dass das Klonen von Pferden technisch machbar ist", sagt der Reproduktionsmediziner Galli. Er bezweifelt jedoch, dass die Zeit schon reif ist. Palmer konnte seine Klonfohlen bisher nur an einem einzigen Gestüt in Europa registrieren lassen, bei Leon Melchior im belgischen Lanaken.

Die Züchterzunft ist streng: Für den Rennsport sind nicht einmal Tiere zugelassen, die künstlich in einem Reagenzglas gezeugt wurden - geschweige denn Klone.

Auch Ilse Hell, die Züchterin von Calvaro, hält nichts vom Klonen. Spannend an der Zucht sei, dass man "das Letzte" eben nicht planen könne: so wie einen Calvaro, dessen Mutter eine zähe Stute war und dessen Vater Cantus Ilse Hell noch heute zum Schwärmen bringt: "Er war so sympathisch, so frech, so selbstbewusst. Beim Menschen würde man sagen: ein ganzer Mann." Nicht kastriert und nicht geklont.

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