Genmais 1507 vor der Zulassung:Bauern warnen vor "Gentechnikkrieg auf den Dörfern"

Entscheidung über Genmais-Verbot

Die EU entscheidet über die Zulassung von Mais 1507 - die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Grüne Gentechnik ab

(Foto: picture-alliance/ ZB)

Mit "Mais 1507" soll in der EU eine neue gentechnisch veränderte Pflanze zugelassen werden. Welche Risiken und Chancen birgt der Anbau? Was müssen Verbraucher wissen? Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Von Christoph Behrens

Der umstrittene Genmais 1507 steht vor einer Zulassung in der Europäischen Union. Bei einer Abstimmung der EU-Staaten gab es am Dienstag bei deutscher Enthaltung keine ausreichende Mehrheit gegen eine Anbauerlaubnis, wie der griechische Außenminister Evangelos Venizelos als Vorsitzender der Sitzung in Brüssel sagte. Da es auch keine klare Mehrheit für die Zulassung gab, liegt die Entscheidung nun bei der EU-Kommission, die auf Grundlage wissenschaftlicher Bewertungen wohl eine Anbauerlaubnis erteilen wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der gentechnisch veränderten Pflanze im Überblick.

  • Warum ist Mais 1507 anders als andere Maissorten?

Der US-Hersteller Dupont Pioneer entwickelte die Sorte "Dupont 1507" mit zwei artfremden Genen, das macht diesen Mais zu einer "transgenen Pflanze". Ein Gen ist dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt) entnommen, mithilfe dieses Gens produziert das Bakterium ein Gift gegen Insekten. Ins Erbgut der Maispflanze eingeschleust, wird diese resistent gegen Larven des Maiszünslers. Der Mais produziert ein Gift, das die Schädlinge tötet. Das zweite artfremde Gen in Mais 1507 macht die Pflanze resistent gegenüber dem Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat.

  • Was spricht aus wissenschaftlicher Sicht für den Anbau von Mais 1507?

Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass Zünslerraupen weltweit jährlich vier Prozent der Maisernte vernichten. Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen also vor allem die Erträge erhöhen. Auf den Philippinen hätte insektenresistenter Mais einen im Durchschnitt 24 Prozent höheren Ertrag erzielt, behauptet der US-Konzern Monsanto. Die Zahlen stammen allerdings von einem privaten Beratungsunternehmen. "Genetische Veränderungen haben die Ernten in den USA nicht merklich erhöht", schreibt dagegen die Gentechnik-kritische "Union of Concerned Scientists".

Die Entwickler argumentieren zudem, auf Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen müssten Landwirte weniger Pestizide versprühen. Das ist ebenfalls umstritten. "Studien zeigen, dass aufgrund sich entwickelnder Resistenzen bei Unkräutern auch langfristig große Herbizid-Mengen eingesetzt werden müssen", schreibt Matthias Liess vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Eine Studie für die Europafraktion der Grünen kam zu dem Schluss, dass durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in den USA der Einsatz von Pestiziden deutlich gestiegen ist. Auch Zahlen der amerikanischen Umweltbehörde EPA weisen darauf hin.

  • Welche Risiken für Mensch und Umwelt birgt Mais 1507?

Für Menschen und Nutztiere stellt der Mais 1507 aller Wahrscheinlichkeit nach keine Gefahr dar. Produkte der Pflanze sind bereits als Lebens- und Futtermittel zugelassen. Sie werden aus den USA, Kanada und Ländern Süd- und Mittelamerikas importiert.

Auswirkungen auf einige geschützte Schmetterlingsarten sind umstritten. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA erklärte 2012, trotz hoher Toxinkonzentrationen im Pollen seien negative Effekte sehr wahrscheinlich auszuschließen. Zudem soll es dort, wo eine bestimmte Konzentration von Mais 1507 überschritten wird, dazwischen auch Felder mit konventionellen Sorten als geben, um Resistenzen zu verhindern und gefährdete Arten zu schützen.

Auf Gentechnik zu verzichten, heißt nicht automatisch, das Risiko zu mindern: Wenn das Bt-Toxin nicht von der Pflanze gebildet wird, können es Landwirte auch selbst auf dem Feld versprühen. Dabei können empfindliche Arten ebenso geschädigt werden.

Genmais 1507: Bündnis wirft Bundesregierung Wortbruch vor

Protestaktion gentechnik-kritischer Initiativen vor dem Kanzleramt vergangene Woche. Die Aktivisten fordern, die Bundesregierung solle in Brüssel gegen die Zulassung des umstrittenen Gen-Maises 1507 stimmen.

(Foto: obs/Jakob Huber/Campact e.V.)
  • Wie stehen die Deutschen dem Anbau von genveränderten Pflanzen gegenüber?

Nach einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung GfK im Auftrag von Greenpeace lehnen 88 Prozent der Deutschen genveränderte Pflanzen grundsätzlich ab.

  • Wie finden Landwirte Mais 1507?

Das Bündnis für bäuerliche Landwirtschaft AbL teilte mit, die Bundesregierung provoziere mit ihrer Enthaltung bei der entscheidenden Abstimmung über Mais 1507 auf EU-Ebene "wissentlich erhebliche Auseinandersetzungen und einen Gentechnikkrieg auf den Dörfern." Mit der Enthaltung breche die große Koalition ihr Versprechen, die Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anzuerkennen.

Auch das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium lehnt Mais 1507 im Prinzip ab, konnte sich mit der Position in der Bundesregierung jedoch nicht durchsetzen.

Wo soll der Mais angebaut werden und was heißt das für Verbraucher?

  • Wo soll der Mais überhaupt angebaut werden?

Nach Zahlen von Dupont ist vor allem Bayern vom Maiszünsler betroffen. Seit 2000 breite sich der Schädling auch in östliche Bundesländer wie Sachsen, Thüringen und Brandenburg aus, seit 2009 auch nach Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Das Unternehmen spricht von einem "bekämpfungswürdigen Befall von ca. 300 000 Hektar". In diesen Gebieten wird der Hersteller wohl verstärkt für sein Saatgut werben.

  • Welche anderen genveränderten Pflanzen wachsen in Europa noch?

Nach der Kartoffel Amflora und dem Mais Mon 810 ist "Dupont 1507" die dritte transgene Pflanze, die in Europa zugelassen werden könnte.

Mon 810 wurde 2005 erstmals angebaut, bis 2008 stiegen die Flächen kontinuierlich an. 2009 war eine Anbaufläche von 3600 Hektar angemeldet - etwa 0,15 Prozent der gesamten Anbaufläche für Mais. Danach setzte die Bundesregierung die EU-Zulassung für Mon 810 wieder aus. Die Zulassung der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora hob ein EU-Gericht im Dezember 2013 auf.

  • Was bedeutet der Anbau von Mais 1507 für mich als Verbraucher?

Wenig. Wie viele andere gentechnisch veränderte Pflanzen ist auch Mais 1507 in der Europäischen Union schon als Lebens- und Futtermittel zugelassen. In die EU dürfen derzeit 49 gentechnisch veränderte Pflanzen (sogenannte "Events") eingeführt und verarbeitet werden - hauptsächlich Soja, Mais, Raps und Baumwollsamen.

  • In welchen Produkten steckt noch Gentechnik?

Die Grüne Gentechnik "ist auch ohne kommerziellen Anbau im eigenen Lande in Deutschland längst Realität", schreibt der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. Der Verband schätzt, in Deutschland kämen zwischen 60 und 70 Prozent der Lebensmittel auf unterschiedlichste Weise mit der Gentechnik in Berührung. Falls eine Kuh etwa gentechnisch verändertes Soja frisst und Milch gibt, muss diese Milch nicht als "gentechnisch verändertes Lebensmittel" gekennzeichnet werden. Dasselbe gilt für Fleisch und andere Tierprodukte.

  • Wie erkennt man Produkte, die auf grüne Gentechnik verzichten?

Die Beweislast liegt beim Hersteller, daher sind Produkte, die eine Kennzeichnung "ohne Gentechnik" tragen, häufig teurer. Auch in Bio-Produkten darf bei der Herstellung keine Gentechnik zum Einsatz kommen. Andere Produkte wiederum, die keine Kennzeichnung tragen, können genausogut ohne Gentechnik produziert worden sein. "Die EU muss als Allererstes die Kennzeichnungslücke bei Tierprodukten schließen", forderte Martin Rücker von der Organisation Foodwatch. "Die Verbraucher haben ein Recht darauf, selbst zu entscheiden, ob sie Agrargentechnik unterstützen wollen oder nicht."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: