Genforschung:Phantastisches Wachstum

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Der Axolotl kann verletztes Gewebe in kurzer Zeit nachwachsen lassen. Eine Genveränderung befähigt auch Säugetiere zu derartiger Selbstheilung, wie Wissenschaflter jetzt zeigen konnten.

Tina Baier

Der Axolotl, eine Art Riesenkaulquappe mit kurzen Beinen, hat eine interessante Fähigkeit: Hackt man ihm ein Bein ab, wächst es in wenigen Tagen wieder nach. Verletzt er sich am Auge, rekonstruiert der Lurch innerhalb kürzester Zeit Linse oder Netzhaut und sieht danach genauso gut wie vorher. Wissenschaftler des Wistar Institute in Philadelphia haben jetzt gezeigt, dass Mäuse ähnliche Fähigkeiten entwickeln, wenn ihnen ein bestimmtes Gen, genannt p21, fehlt ( PNAS, online). "Eines Tages können wir vielleicht die Heilung bei Menschen beschleunigen, indem wir kurzzeitig das p21-Gen abschalten", sagt Ellen Heber-Katz, die Leiterin der Arbeitsgruppe.

Alles begann mit einem Zufall. Die Wissenschaftlerin wollte für ein Experiment Mäuse mit bestimmten Veränderungen im Erbgut von anderen Versuchstieren unterscheiden können und stanzte ihnen deshalb Löcher in die Ohren. Einige Wochen später musste sie feststellen, dass sie den Versuch vergessen konnte: Die Löcher waren verschwunden; zugewachsen ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Normalerweise heilen Säugetiere Wunden, indem sich das umliegende Gewebe zusammenzieht und eine Narbe entsteht. Diese Mäuse hatten dagegen wie ein Axolotl ein Blastem gebildet, eine Schicht unspezialisierter Zellen, die neues Gewebe erzeugen können.

Das Team um Heber-Katz hat jetzt entdeckt, dass bei den Mäusen mit der Fähigkeit zur narbenfreien Selbstheilung das Gen p21 nicht funktioniert. Normalerweise hat es die Aufgabe, unkontrolliertes Wachstum von Zellen und damit die Entstehung von Krebs zu verhindern. Dass die Mäuse trotzdem keine Tumore bekommen, erklärt Heber-Katz mit einem zweiten Mechanismus, der das Wachstum wieder eindämmt. Der so genannten programmierte Zelltod, bei dem sich Zellen selbst zerstören, sei in den selbstheilenden Mäusen besonders aktiv.

"Das sind dieselben Mechanismen wie beim Axolotl und anderen Tieren, die ihre Körperteile natürlicherweise rekonstruieren können", sagt Ellen Heber-Katz. Zebrafische zum Beispiel, die eine Flosse im Kampf verlieren, lassen das fehlende Teil wieder nachwachsen. Der Süßwasserpolyp Hydra bildet einfach einen neuen Kopf, wenn ihm sein alter abhandenkommt. Und wenn man einen Strudelwurm in 279 Einzelteile zerschneidet, wächst aus jedem Stück wieder ein vollständiges Tier.

© SZ vom 16.03.2010/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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