Genforschung:Der gläserne Craig Venter

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Der amerikanische Genpionier Venter hat sein Erbgut komplett sequenzieren lassen und im Internet veröffentlicht. Die Untersuchung deutet darauf, dass sich Menschen genetisch stärker voneinander unterscheiden als bislang angenommen.

Menschen unterscheiden sich genetisch offenbar weit mehr von einander als bislang angenommen. Das geht aus der kompletten Entzifferung des Erbguts von US-Genpionier Craig Venter hervor.

Seit der Sequenzierung seines Erbgut nimmt Venter cholesterinsenkende Mittel. (Foto: Foto: AFP)

"Wir sind nicht zu 99,9 Prozent identisch, sondern nur zu 99 oder sogar nur zu 98 Prozent", sagte der Forscher, der das nach ihm benannte JCVI-Institut in Rockville (US-Bundesstaat Maryland) leitet.

Bisher wurde auch angenommen, dass sogar die DNA von Schimpansen der menschlichen Erbsubstanz zu rund 99 Prozent gleicht. Unter Berücksichtigung der neuen Forschungsergebnisse sei von einer nur etwa 95-prozentigen Übereinstimmung auszugehen, erklärte Venter.

"Mit dieser Veröffentlichung zeigen wir, dass die Variationen von Mensch zu Mensch sieben Mal größer sind als zuvor geschätzt. Das heißt, dass wir Menschen genetisch gesehen wirklich Individualisten sind."

Das komplette Erbgut wird in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsjournals PLoS Biology vorgestellt. Das entzifferte Erbgut von Venter, der Koautor der Studie ist, ist eine "diploide" Blaupause und enthält als solche die genetischen Daten beider Erbgutsätze, je einen von väterlicher und von mütterlicher Seite.

Die Chromosomen (Erbgutträger) jeweils eines Chromosomenpaares zeigten nach Angaben des Forscherteams überraschend große Erbgutunterschiede.

Schon in den vergangenen Jahren hatten Wissenschaftler Zweifel geäußert, ob wirklich 99,9 Prozent der Erbsubstanz bei allen Menschen aus den gleichen DNA-Bauteilen zusammengesetzt sind. Jetzt sei bewiesen, dass dem nicht so ist, erklärte Venter.

Der 60-jährige Wissenschaftler gab zu, seit der Sequenzierung seines Erbgut cholesterinsenkende Mittel zu nehmen. Venters Vater war 59-jährig an einem Infarkt gestorben. Er selbst trägt, dem Erbgut nach zu urteilen, ebenfalls die Anlage für schwere Herzprobleme ohne vorherige Ankündigung in seinen Genen.

Mehr als 300 Krankheitsgene

Bei der Analyse des Venterschen Genoms stießen die Forscher insgesamt auf mehr als 300 Krankheitsgene und auf 4000 bislang unerforschte Varianten der rund 25.000 bekannten Gene des Menschen.

Ein besseres Verständnis der DNA-Abweichungen bei Menschen könnte dabei helfen, die genetischen Grundlagen von Krankheiten zu verstehen, erklärte Richard Gibbs vom Baylor College of Medicine in Houston. Gibbs, der nicht an Venters Studie beteiligt war, nannte dessen Veröffentlichung bedeutend.

Die beiden ersten, bereits vor einigen Jahren entzifferten menschlichen Genome waren aus den genetischen Informationen mehrerer Menschen zusammengestellt worden und zeigen daher nicht die Anlagen einer einzelnen Person. Sie waren 2001 von Venter und seinem Erzrivalen Francis Collins vom National Human Genome Research Institute (NHGRI) vorgestellt worden.

Vor zwei Monaten hatte zudem der Mitentdecker der DNA-Struktur, der Nobelpreisträger James Watson, sein Erbgut auf der Internetseite des Cold Spring Harbor Laboratoriums bei New York veröffentlichen lassen.

Venters Genom wurde mit der kostspieligen Sanger-Technologie sequenziert und zeichnet sich dem Forscher zufolge durch höchste Genauigkeit aus. Es heißt in der Fachliteratur "HuRef" (Referenz für Human-Genom) und bietet sich laut Venter als Grundlage zum Vergleich künftiger Erbgutstudien an.

Für "HuRef" waren 20 Milliarden DNA-Basenpaaren entziffert worden. Die JCVI-Forscher hatten das Genom mit seinen rund drei Milliarden Basenpaaren rund sieben Mal sequenziert, um Fehler möglichst auszuschließen. Von 4,1 Millionen DNA-Varianten in Venters Erbgut entfielen 3,2 Millionen auf Veränderungen einzelner Bausteine (Single Nucleotide Polymorphisms/SNPs). Die restlichen waren Einschnitte, Auslassungen, Doppelungen oder auch Verschiebungen auf andere Bereiche seines Erbguts.

Die in allen Lebewesen vorkommende Desoxyribonukleinsäure ist die Trägerin der Erbinformation. Die DNA ist auch der Rohstoff, aus dem sich unsere Gene zusammensetzen. Die nun veröffentlichte Studie konnte die größeren Unterschiede feststellen, da sie sich auf die Untersuchung von DNA-Baueinheiten konzentrierte, die sich bei einzelnen Menschen unterscheiden, und nicht auf die Unterschiede im Aufbau einzelner DNA-Sequenzen einer Person.

Derzeit bemüht sich Venter, Organismen synthetisch herzustellen. Sie sollen alternative Energien erzeugen und Kohlendioxid schlucken, um die weitere Erwärmung der Erde zu stoppen.

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