Süddeutsche Zeitung

Genetik:Chinesische Forscher klonen erstmals Affen

  • Die Forscher pflanzten 260 Embryonen in 63 Affenweibchen. Vier Babys kamen zur Welt, davon überlebten nur Zhong Zhong und Hua Hua.
  • Neu ist die angewendete Methode nicht, schon 1996 kam das Klonschaf "Dolly" so zur Welt.
  • Experten kritisieren die Methode und weisen auf ethische Konsequenzen hin.

Von Kathrin Zinkant

Der Mensch ist doch ein einzigartiges Wesen, vor allem, wenn es um Gefühle geht. Kaum jemand wird sich jedenfalls der riesigen Augen und der Tapsigkeit erwehren können, mit der zwei Affenbabys am Mittwochabend das Licht der Öffentlichkeit erblickten. Zhong Zhong und Hua Hua heißen sie, abgeleitet vom Chinesischen für "Chinas Nation", und die ersten Bilder von ihnen rühren, klar, das Herz.

Dieser völlig verständlichen Rührung wird bei einigen Betrachtern jedoch schnell ein anderes Gefühl folgen, denn die zwei Äffchen sind die ersten echten Affenklone der Welt, also vollständige Kopien ihrer genetischen Vorbilder. Erzeugt wurden sie von einem Forscherteam an der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai. Der Bericht wurde am Mittwoch im Fachblatt Cell veröffentlicht.

Von 260 Embryonen überlebten nur zwei: Zhong Zhong und Hua Hua

Was wegen der Nähe des Affen zum Menschen nun ungeheuerlich daherkommt, erweist sich aber als zweierlei: als monströse Fleißarbeit. Und als tierethisch zweifelhafte Materialschlacht, wie sie nicht überall auf der Welt gestattet ist. Die Chinesen hatten insgesamt 417 Eizellen entkernt, in die leeren Hüllen die Kerne von fötalen oder erwachsenen Körperzellen eingesetzt und die Gebilde chemisch aktiviert. Mit diesem Verfahren erreicht man heute bereits bei vielen Tierarten eine Verjüngung des eingefügten Kerns durch das Milieu der Eizelle. Diese sogenannte Reprogrammierung geht soweit, dass die ergänzte Eizelle sich schließlich wie eine befruchtete verhält - und einen Embryo bildet.

Als neuen Trick fügten die Forscher bei einem Teil der aktivierten Eizellen ein Botenmolekül hinzu, welches auch verborgene Bereiche des Erbguts für die Reprogrammierung zugänglich macht. Aus den 417 Eizellen entstanden so 260 Embryonen, die in 63 Affenweibchen übertragen wurden. 28 Tiere wurden schwanger, vier Affenbabys kamen per Kaiserschnitt zur Welt. Überlebt haben nur Zhong Zhong und Hua Hua, die jetzt mit einigem medialen Getöse der Weltöffentlichkeit präsentiert wurden.

Grundsätzlich ist das Verfahren dabei überhaupt nicht neu. Es heißt somatischer Zellkerntransfer - oder schlicht "die Dolly-Methode", benannt nach Dolly, dem Schaf, das 1996 als erster Säugetierklon im britischen Edinburgh geboren wurde. Die Veröffentlichung von Dollys Geburt hatte weltweit Ängste vor der Technik geschürt und ethische Debatten entfacht. Tatsächlich befürworteten damals auch Mediziner das Klonen von Menschen - für therapeutische Zwecke, um passende embryonale Stammzellen für die Behandlung Schwerstkranker zu gewinnen. Die bislang einzige Studie, die solche Klonembryos hervorgebracht haben wollte, erwies sich aber als Fälschung. Inzwischen ist das Verfahren für die Stammzellmedizin obsolet, weil sich vergleichbare Zellen heute aus erwachsenen Körperzellen gewinnen lassen, durch eine direkte Form der Reprogrammierung, bei der aber keine Embryonen entstehen.

Prestige sollte nicht auf Kosten solch sensibler Wesen gehen, sagt der Ethikexperte

Von großer Aufregung ist unter Experten deshalb wenig zu spüren, sie sehen die Arbeit der Chinesen kritisch und weisen auf ethische Konsequenzen für Tierversuche hin. "Bei dieser Studie handelt es sich um eine Methodenentwicklung, nicht primär um einen wissenschaftlich-inhaltlichen Durchbruch", sagt Stefan Treue, Direktor des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen. Mithilfe von Affenklonen könnten Forscher ideale Versuchstiere für medizinische Studien herstellen, so, wie es bei anderen Labortieren passiert. Für das einzelne Experiment ergäbe sich daraus ein ethischer Vorteil. "Durch die erhöhte Standardisierung von Tierversuchen mit Primaten könnte man eine Verringerung der Versuchstierzahlen erreichen", sagt Treue. Offen bleibt die Frage, ob die Verfügbarkeit idealisierter Affenmodelle nicht die Zahl der Experimente insgesamt erhöht. Das hieße auch für Länder wie Deutschland, dass trotz strenger Regulierungen womöglich wieder mehr Affen für die Forschung verwendet würden.

Ob die Methode aber überhaupt verlässlich Klone für Experimente hervorbringt, ist zweifelhaft. Heiner Niemann vom Friedrich-Loeffler-Institut in Neustadt weist darauf hin, dass der Trick mit dem Botenstoff, den die Chinesen als entscheidend für ihren Erfolg betrachten, schon bei anderen Tieren untersucht wurde. "Meist waren die Erfolge ähnlich wie beim normalen Klonverfahren", sagt Niemann. Peter Dabrock von der Universität Erlangen-Nürnberg stellt den Sinn der chinesischen Experimente gleich ganz infrage. "Selbst wenn man Versuche an manchen Primaten für problematisch, aber unumgänglich hält, stellen sich massive ethische Rückfragen an die jetzt beschriebenen Klonversuche", sagt der Theologe und Ethikexperte. Seiner Ansicht nach sei es den Chinesen vorrangig ums Prestige gegangen. "So etwas sollte nicht auf Kosten solch sensibler Wesen gehen."

Ergibt das Affenklonen also überhaupt einen Sinn? Stefan Schlatt vom Uniklinikum Münster sieht auch diese Frage kritisch: "Eigentlicher Kern der Studie ist die Erkenntnis, dass es bei Primaten besondere Eigenschaften des Erbguts gibt, die das Klonen deutlich schwieriger als bei anderen Tieren gestalten." Und das gilt nicht nur für kleine Äffchen. Vor allem gilt es für den Menschen.

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SZ vom 25.01.2018
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