Gemischte Gefühle: Stolz:Das Chef-Gefühl

Es gibt zwei Arten des Stolzes: Die eine macht Menschen anmaßend und arrogant - die andere zu sympathischen Vorgesetzten. Zu welcher Art man selbst neigt, zeigt schon eine einfache Blutuntersuchung.

Katrin Blawat

Hätte die Wissenschaft auf Augustinus oder Dante gehört, wäre die Sache mit dem Stolz vermutlich schnell erledigt gewesen. Wer will schon Jahre mühsamer Forschung einem Gefühl widmen, das in früheren Zeiten als die "liederlichste aller Todsünden" beschimpft wurde?

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Stolze Menschen recken das Kinn leicht in die Höhe, lächeln und strecken dazu vielleicht noch die Fäuste in die Luft. Wie hier gerade Rennfahrer Timo Scheider.

(Foto: dpa)

Schlimmer als Neid und Zorn sei der Stolz, pflichtete Dante bei. Vergessen war da offenbar Aristoteles, der den Stolz als die "Krone der Tugenden" gepriesen und befunden hatte, jeder Mensch müsse verachtet werden, "der seinen eigenen Wert nicht erkennt".

Einigkeit herrschte also noch nie darüber, was Stolz mit Menschen anstellt, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Stolz ist in höchstem Maße ein gemischtes Gefühl: Der Stolz auf die eigene Leistung kann zu Spitzenleistungen beflügeln; verletzter Stolz kann Partnerschaften zerstören und Kriege entfachen.

Wenn man über jemanden sagt, er sei ein stolzer Mensch - ist das ein Kompliment oder eine Abwertung? Macht es einen Unterschied, ob jemand stolz darauf ist, vom Fünf-Meter-Turm gesprungen zu sein oder darauf, Deutscher zu sein?

Ja, sagt die Psychologin Jessica Tracy von der British Columbia University in Vancouver. Schließlich ließen sich die beiden Gesichter der Emotion - Tracy spricht von "authentischem" beziehungsweise "anmaßendem" Stolz - auch verschiedenen Persönlichkeiten zuordnen.

Stolze Menschen "scheinen aufgeplustert zu sein"

Menschen, die häufig Stolz über ihre eigene Leistung empfinden, sind Studien zufolge angenehme Zeitgenossen: zuvorkommend, emotional stabil, gut eingebunden in Freundeskreis, Partnerschaft und Familie.

Wer hingegen vor allem stolz auf seine naturgegebene Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ist, etwa auf seine Nationalität, hat eine überdurchschnittlich hohe Wahrscheinlichkeit, chronische Angstzustände zu erleiden und in sozial unerwünschtes Verhalten verwickelt zu werden.

Anstelle von Fragebögen kann auch eine Blutuntersuchung zeigen, zu welcher Art von Stolz ein Mensch neigt. Wer sich bewusst ist, dass er eine Bestleistung nach der anderen abliefert und dafür angemessen gelobt wird, der hat vergleichsweise wenig Testosteron im Blut, dafür einen höheren Serotoninspiegel.

Dass dieser Botenstoff bei vielen sozialen Verhaltensweisen eine große Rolle spielt, ist lange bekannt. Im Gegensatz dazu weisen Menschen in Führungspositionen auffallend hohe Testosteron-Konzentrationen auf - und neigten in Studien auch öfter zu anmaßendem Stolz.

Nur äußerlich zeigt sich die Janusköpfigkeit des Gefühls nicht. Stolze Menschen "scheinen aufgeplustert zu sein und sich so groß wie nur möglich geben zu wollen", schrieb Darwin. Egal, ob die gelungene Abschlussprüfung oder adelige Vorfahren der Grund sind: Wer stolz ist, präsentiert seinen Körper, reckt das Kinn leicht in die Höhe, lächelt verhalten, streckt vielleicht noch die Fäuste in die Luft oder stemmt sie in die Hüfte.

Diese Gesten zeigen sogar Sportler, die von Geburt an blind sind, wie Tracy und ihr Kollege David Matsumoto am Beispiel von siegreichen Judokämpfern dokumentiert haben. Die Psychologen haben damit fürs Erste die Frage beantwortet, die jede Verhaltensweise begleitet: angeboren oder erlernt? Angeboren, sagt Tracy.

"Das stärkste Statussymbol"

Allerdings vergehen etwa vier Jahre, bis Kinder erstmals Anzeichen von Stolz zeigen. Erst dann haben sie entwickelt, was Wissenschaftler "Theory of Mind" nennen: Die Fähigkeit, sich ihrer selbst bewusst zu sein und die eigene Leistung mit der anderer vergleichen können.

Die von Tracy und Matsumoto beobachteten Sportler belegten ein weiteres Merkmal des Stolzes: Er äußert sich in allen Kulturen auf die gleiche Weise. Die Sportler stammten aus 53 verschiedenen Ländern - an ihrem Verhalten nach einem Sieg war die unterschiedliche Herkunft aber nicht abzulesen.

In einer anderen Untersuchung sollten Probanden aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen die Emotionen von Menschen auf Fotos beschreiben. Unabhängig von ihrem Heimatland erkannten die meisten Befragten die stolzen Personen sofort.

Bei einem derart universellen Gefühl liegt es nahe zu fragen: Welche Funktion hat es? "Stolz ist das stärkste Status-Symbol, das wir kennen", sagt Tracy. Wer Stolz auf seine Leistung zeigt, den empfinden andere als sozial höher gestellt - und sie mögen ihn dafür. Gleichzeitig fühlt sich die stolze Person zu weiteren Leistungen motiviert.

Obwohl diese Theorie nicht unumstritten ist, sprechen mehrere Studien inzwischen für sie, etwa die der amerikanischen Psychologen David de Steno und Lisa Williams. Nachdem ihre Probanden eine Knobelaufgabe gelöst hatten, lobten die Forscher die eine Hälfte der Studienteilnehmer überschwänglich für die kluge Lösung.

Das Gefühl des Stolzes motiviert

Die andere Hälfte bekam nur nüchtern das Ergebnis mitgeteilt. In der nächsten Runde, einer Teamaufgabe, arbeiteten jeweils Probanden aus beiden Gruppen zusammen. Dabei übernahmen die stolzen Spieler wie selbstverständlich die Anführerrolle - motiviert vom Gefühl des Stolzes, das ihnen zuvor eingeredet worden war, wie die Forscher erklären.

Nach dem Spiel berichteten die Teilnehmer zudem nahezu übereinstimmend, dass sie die stolzen Mitspieler sympathisch fanden und ihre Leistung schätzten. Niemand beurteilte die stolzen Mitspieler als arrogant oder sprach ihnen Führungsqualitäten ab. Sogar wider besseren Wissens neigen Menschen dazu, zur Schau gestellten Stolz mit einem hohen sozialen Status zu verbinden, haben Tracy und ihr Kollege Azim Shariff ermittelt.

Allerdings nahmen an ihren Studien ausschließlich Probanden aus westlichen Kulturen teil, in denen der Einzelne und nicht die Gruppe im Mittelpunkt steht. In kollektivistischen Gesellschaften wie China gilt der Stolz des Einzelnen jedoch grundsätzlich als vermessen und unerwünscht.

Als Forscher Chinesen und US-Amerikaner baten, von Erlebnissen zu erzählen, in denen sie sich stolz gefühlt hatten, sprachen die Chinesen im Gegensatz zu den Amerikanern häufiger und positiver von den Leistungen anderer als von den eigenen. Universell gültig sei Tracys Status-Theorie daher nicht, kritisiert der Psychologe Gavin Sullivan, der an der australischen Monash University und im Projekt "Languages of Emotions" an der FU Berlin forscht.

Dass die Amerikaner den Stolz des Einzelnen anerkennen, hindert sie nicht daran, auch in Sachen Nationalstolz ganz vorne zu liegen. In einer Befragung in den Jahren 2003 und 2004 landeten sie auf dem zweiten von 33 Plätzen, nur übertroffen von Venezuela.

Die hintersten Plätze belegten die europäischen Staaten, darunter Westdeutschland auf dem sechstletzten Rang, Ostdeutschland auf dem allerletzten. Vielleicht, so schreiben die amerikanischen Autoren, sei man als Europäer ja stolzer auf Europa als auf das eigene Land.

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