Gehirnforschung:Die Signale der Bösen

Es klingt wie Science-Fiction, doch Wissenschaftler halten es für möglich: In Zukunft könnten durch Hirnscans Verbrechen verhindert werden. Darauf weisen neue Forschungen hin.

Christian Weber

Verträge sind gut, Vertrauen ist besser - doch wie soll der besorgte Anleger in Zeiten der Finanzkrise erkennen, ob er den Versprechen seines Vermögensberaters tatsächlich trauen kann?

Gehirnforschung: Betrügerische Absichten - künftig könnten sie per Magnetresonanztomograph aufgespürt werden.

Betrügerische Absichten - künftig könnten sie per Magnetresonanztomograph aufgespürt werden.

(Foto: Foto: ddp)

Ginge es nach den Vorstellungen einer Forschergruppe um den Verhaltensökonomen Ernst Fehr von der Universität Zürich, dann sollte man vor wichtigen Finanzentscheidungen seinen Treuhänder erstmal in die Röhre eines Tomographen schieben und beobachten, wo in seinem Hirn es leuchtet.

Diese Signale könnten von bösen Absichten künden. Das zumindest verspricht Fehr nach den neuesten Forschungsergebnissen seines Teams: "Wir haben wichtige Elemente der neuronalen Grundlage von gebrochenen Versprechen entdeckt."

In der aktuellen Studie (Neuron, Bd. 64, S. 756, 2009) untersuchte er gemeinsam mit dem Zürcher Neurowissenschaftler Thomas Baumgartner und dem Ökonomen Urs Fischbacher von der Universität Konstanz 26 männliche Studenten, die sich an einem spieltheoretischen Experiment beteiligten. In diesem übernahm jeweils ein Spieler A die Rolle eines Anlegers, der einem zweiten Spieler B als Treuhänder Geld zum Investieren überließ.

B versprach, etwaige Gewinne halb-halb aufzuteilen. Nachdem dann der Versuchsleiter die investierte Summe verfünffacht hatte, musste B entscheiden, ob er sein Versprechen hält und A seinen Teil der Gewinnsumme gibt - oder ob er betrügt und alles Geld behält, was gemäß der Spielregeln straffrei blieb.

Während des gesamten Experimentes beobachteten die Forscher das Gehirn des Treuhänders mit einem funktionellen Magnetresonanztomographen (fMRT), der bildlich darstellt, wo das Denkorgan gerade besonders durchblutet, also aktiv ist.

Wie im "Minority Report"

Die Messungen ergaben, dass die Wortbrecher eine erhöhte Aktivität in Gehirnregionen aufwiesen, die eine wichtige Rolle bei Emotions- und Kontrollprozessen spielen. Die Forscher vermuten daher, dass die Signale Zeugen eines inneren Konflikts sind: Das Gehirn muss sich anstrengen, wenn es spontanes ehrliches Verhalten unterdrückt.

Noch gewagter ist die Behauptung der Studienautoren, sie könnten sogar einen Wortbruch vorhersagen: Auch wenn alle Versuchsteilnehmer vor Spielbeginn hoch und heilig versicherten, dass sie ihr Versprechen halten würden und ihr äußerliches Verhalten neutral wirkte, sei es im Experiment gelungen, einen beabsichtigten Wortbruch anhand der Gehirnaktivität noch vor dem eigentlichen Betrug zu entdecken.

Ökononom Ernst Fehr zieht weitreichende Folgerungen: "Ein solcher Befund lässt folglich die Spekulation zu, dass Gehirnmessungen in ferner Zukunft nicht nur verwendet werden können, um Übeltäter zu überführen, sondern vielmehr vielleicht sogar mithelfen können, betrügerische und kriminelle Machenschaften zu verhindern."

Ausdrücklich zitiert Fehr Steven Spielbergs Science-Fiction-Film "Minority Report", in dem eine Abteilung namens "Precrime" der Washingtoner Polizei Morde verhindern soll bevor sie geschehen. Die neue Studie reiht sich ein in eine Reihe von Anstrengungen der letzten Jahre, in denen Forscher versuchen, neuronale Korrelate der Lüge oder gar des Bösen an sich im menschlichen Gehirn zu finden.

Eine Art Gedankenlesen

In den USA bieten Firmen wie Cephos und "No Lie MRI" bereits Anwälten und Arbeitgebern ihre Dienste an. Sie behaupten, mit dem Hirnscanner Lügen besser erkennen zu können als klassische Detektoren. Letztere reagieren auf biologische Signale wie Blutdruck, Puls, Atmung oder Leitfähigkeit der Haut, sind aber sehr umstritten.

Aufsehen erregte im vergangenen Jahr auch der Neuropsychologe Jack Gallant von der University of California in Berkeley. Er erreichte mit fMRT eine Trefferquote von bis zu 92 Prozent, als er versuchte, vorherzusagen, welche Bilder Versuchspersonen gerade ansehen. Richtiges Gedankenlesen war das noch nicht, denn die Probanden hatten nur die Auswahl aus einem Testkatalog von 120 Bildern, den der Forscher kannte.

Außerdem hatte er gemessen, wie die Testgehirne auf spezifische Muster reagieren. Doch zeigen solche Studien, was in den kommenden Jahren an ethischen Fragen aufkommen könnte. Der von Fehr zitierte Film "Minority Report" spielt auch erst im Jahr 2054.

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