Gefahr für die Gesundheit:"Plastik ist eine Bedrohung"

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In seinem Film Plastic Planet zeigt Regisseur Werner Boote, wie gefährlich Kunststoff in Plastikflaschen oder Babyschnullern ist. Im Gespräch warnt er vor den gesundheitlichen Folgen.

Martin Kotynek

Plastik ist überall - und laut Werner Boote ist es gefährlich. In dem Dokumentarfilm Plastic Planet, der an diesem Donnerstag in den Kinos anläuft, zeigt der Wiener Regisseur nicht nur, wie groß die Abhängigkeit von Kunststoff geworden ist, sondern besucht auch Forscher, die von Risiken berichten. In der Fachwelt ist seine Warnung vor der Plastik-Bedrohung umstritten: So sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung den Plastik-Bestandteil Bisphenol A als wenig gefährlich an, sofern die Grenzwerte eingehalten werden. Das Umweltbundesamt mahnt bei der Substanz jedoch zur Vorsicht. Boote will den Film daher als persönliche Suche verstanden wissen.

SZ: Warum haben Sie Angst vor Plastik, Herr Boote?

Boote: Weil um uns herum auf unserem Plastikplaneten sehr viele Kunststoffe sind, die uns und Tiere in unserer Umwelt krank machen können. Plastik verrottet nicht. So gelangt immer mehr Kunststoffmüll in die Weltmeere und wird dort zerrieben. Fische halten die Plastikteilchen für Plankton, fressen sie und verenden mit vollem Magen. An einigen Stellen in den Weltmeeren gibt es bereits 60-mal so viel Plastik wie Plankton.

SZ: Wie kann Plastik dem Menschen gefährlich werden?

Boote: Wenn man an Plastik riecht, daraus trinkt oder es berührt, können gefährliche Substanzen in unseren Körper eindringen und unseren Hormonhaushalt durcheinanderbringen. Die Stoffe im Plastik können Krebs, Unfruchtbarkeit, Autismus oder Allergien auslösen.

SZ: Das scheint nur wenigen Menschen ernsthaft Sorgen zu machen.

Boote: Die Aufmerksamkeit der Konsumenten für Plastik ist so gering, weil das von der Kunststoffindustrie so gewollt ist. Wenn wir eine Cola kaufen, denken wir gar nicht mehr daran, dass wir eigentlich eine Cola und eine Plastikflasche kaufen. Wenn man dann aber wie ich einen Bluttest macht, findet man heraus, wie viel Plastik man bereits in seinem Körper hat.

SZ: Wie viel war es bei Ihnen?

Boote: So viel, dass ich laut Arzt Gefahr laufe, unfruchtbar zu werden oder ein Kind mit Fehlbildungen zu zeugen.

SZ: Welcher Stoff wurde in Ihrem Blut gefunden? Boote: Bisphenol A. Das ist ein Stoff, den die Plastikindustrie verwendet, um Kunststoff zu strecken. Bisphenol A macht Plastik also billiger. Zugleich sieht es aber einem menschlichen Hormon sehr ähnlich. Das ist tückisch, denn so erkennt der Körper nicht, dass es sich um einen Fremdstoff handelt. Bei gesunden Erwachsenen sind die Probleme gering, aber bei Neugeborenen, Kindern, älteren und schwachen Menschen kann es Krankheiten auslösen.

SZ: Die Wirkung von Bisphenol A ist umstritten, viele Forscher sagen, man könne die toxische Wirkung nicht beweisen.

Boote: Seit 1992 gibt es unzählige unabhängige Studien über Gefährlichkeit von Bisphenol A, selbst in geringen Dosen. Trotzdem wird es sogar in Babyschnullern verwendet. Für den Film haben wir einige Schnuller analysieren lassen und in vielen hohe Mengen an Bisphenol A gefunden. Diesen Stoff in Produkte für Babys hineinzupacken, um damit Plastik billiger und somit mehr Profit zu machen, ist wohl das Ekelhafteste, was ich mir vorstellen kann.

Im Video: Jährlich landen 6,4 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle in den Weltmeeren. Die Politik hat dieses Problem bisher vernachlässigt. Das könnte sich ändern, denn der Wiener Regisseur Werner Boote geht jetzt unserer Welt aus Plastik mit seinem Dokumentarfilm "Plastic Planet" auf den Grund.

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SZ: Wie hat die Industrie auf Ihre Ergebnisse reagiert?

Boote: Die Industrie behauptet, der Stoff tritt nicht aus. Doch Tests des Umweltverbandes BUND haben ergeben, dass sogar sehr viel austritt. Wenn das Baby daran lutscht, gelangt die Substanz in den Hormonhaushalt.

SZ: Welche Konsequenzen kann das haben?

Boote: Dadurch fällt man nicht sofort tot um. Das Beängstigende aber ist, dass sich die Substanz im Körperfett anreichert und so allmählich, schleichend wirkt. Aber Bisphenol A ist nur eine von vielen gefährlichen Substanzen im Plastik, hinzu kommen etwa Flammschutzmittel und Weichmacher. Bei der Herstellung von Plastik fallen auch viele Substanzen an, die nicht einmal der Industrie bekannt sind. Sie sind völlig unerforscht. Und die anderen Inhaltsstoffe halten die Hersteller von Plastikgranulat oft geheim, jeder hat seine eigene Rezeptur. Der Hersteller, der aus dem Granulat dann eine Plastikflasche macht, weiß nicht, woraus das Plastik besteht, aus dem er seine Flasche produziert.

SZ: Was kann der Konsument tun?

Boote: Der Konsument muss sich bewusst werden, dass Plastik nicht nur eine Bedrohung für die Umwelt, sondern auch für ihn selbst ist. In Graz lebt eine fünfköpfige Familie seit Anfang Dezember ohne Plastik, die spart pro Monat etwa 300 Euro durch gezieltes Einkaufen von plastikfreien Artikeln - einen Teil der Ersparnis machen die günstigeren Abfallgebühren aus, die Familie produziert weniger Müll.

SZ: Nicht jeder ist bereit, auf Plastik zu verzichten.

Boote: Ich auch nicht. Ich telefoniere weiter mit meinem Plastikhandy und tippe auf meiner Plastiktastatur. Reduzieren, wiederverwenden und recyceln sind meine Methoden. Plastiktüten aus dem Supermarkt kann man mehrmals nutzen. Ich habe auch aufgehört, aus Plastikflaschen zu trinken oder Joghurt in Plastikbechern zu kaufen.

SZ: Im Verhältnis zum Bedrohungsszenario, das Sie in Ihrem Film entwickeln, erscheint das geradezu lächerlich. Wie sinnvoll ist es, mit einem Film Ängste bei den Menschen zu schüren, wenn sie in Wahrheit kaum etwas dagegen tun können?

Boote: Es geht nicht um Angstmache, sondern darum, die Menschen aufmerksam zu machen. Dann beginnt man, sich beim Einkaufen mehr Gedanken zu machen, ob man all diese Plastikprodukte wirklich braucht und ob man möchte, dass seine Nahrungsmittel in Plastik verpackt sind.

SZ: Das würde voraussetzen, dass der Konsument dazu bereit ist, die in der Fachwelt umstrittenen Gefahren im Alltagsartikel Plastik überhaupt anzuerkennen. Ist das realistisch?

Boote: Im Film sieht man mich, wie ich mit einem Megaphon im Supermarkt stehe und die Menschen vor Plastik warne. Aber niemand achtet darauf. Alle kaufen ein, ohne nachzudenken, ohne zu wissen, welche Substanzen sie da kaufen und welche Wirkungen das haben kann.

SZ: Welche Lösung schlagen Sie vor?

Boote: Es genügt nicht, dass die Konsumenten versuchen, auf schadstoffhaltige Plastikprodukte zu verzichten. Man muss diese Stoffe verbieten. Die Schadstoffe müssen raus aus dem Plastik.

© SZ vom 25.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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