Gefährliche Erreger:Vorsicht, ansteckender Mensch

Lesezeit: 4 min

Schweine mit Grippe, Affen mit Herpes: Wenn Tiere sich mit menschlichen Erregern infizieren, kann das für sie schlimme Folgen haben.

Tina Baier

Es war eine mysteriöse Serie von Todesfällen, die sich in den vergangenen Jahren im Regenwald des Tai-Nationalparks an der Elfenbeinküste abspielte. Immer wieder entdeckten die dort forschenden Primatologen verendete Schimpansen.

Wenn Mensch und Schwein in enger Gemeinschaft miteinander leben, kann das auch für das Tier gefährlich sein. (Foto: Foto: ddp)

Besorgt fragten sie den Tierarzt Fabian Leendertz vom Robert-KochInstitut in Berlin um Rat. Er sollte der Sache auf den Grund gehen. Als er das Lungengewebe der toten Tiere untersuchte, fand er zwei Erreger von Atemwegserkrankungen, die sonst nur beim Menschen vorkommen und damals weltweit grassierten: das Respiratory-Syncytial-Virus und das Metapneumovirus.

Es war der erste eindeutige Labornachweis, dass humane Viren Schimpansen infizieren können: Die Affen waren also einem Menschenschnupfen erlegen. "Die ersten Symptome der Infektion waren ähnlich wie beim Menschen", berichtet Sandra Junglen, die mit Leendertz zusammenarbeitet.

Den Schimpansen lief die Nase, sie niesten, und sie waren schlapp. Doch weil die Tiere zuvor noch nie in Kontakt mit derartigen Erregern gekommen waren, hatte ihr Immunsystem den Viren nichts entgegenzusetzen; viele von ihnen erkrankten an einer tödlichen Lungenentzündung.

Bis heute rätseln die Wissenschaftler, wie die Erreger in den Urwald gekommen sind. Zwar halten sich im Tai-Nationalpark oft Forscher auf. Doch eigentlich sollen sie strenge Regeln befolgen, um die Übertragung von Krankheiten zu verhindern: Sie dürfen sich den Affen auf höchstens sieben Meter nähern.

Bevor sie in den Urwald aufbrechen, wechseln sie die Kleidung, desinfizieren die Hände und legen einen Mundschutz an. Abfälle zurückzulassen ist streng verboten, und selbst zum Urinieren müssen sie kleine Löcher graben.

Wirklich überraschend war der Vorfall für Fachleute dennoch nicht. Aus der Praxis wussten sie schon länger, dass Gorillas, Orang-Utans und Schimpansen sich menschliche Masern, Mumps und Kinderlähmung einfangen können. Bekannt ist auch, dass viele Nutz- und Freizeittiere anfällig sind für die Krankheiten ihrer Halter.

Pferde, Vögel und Frettchen infizieren sich mit humanen Grippeviren. Schweine können sich beim Menschen mit H1N1 und mit vielen anderen Schnupfen- und Grippeerregern anstecken. "Es ist der klassische Fall", sagt Gudrun Wibbelt, Fachtierärztin am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. "Der Bauer ist krank, und kurz darauf husten alle Säue."

Anthropozoonosen heißen solche Krankheiten, die vom Menschen auf Tiere übertragen werden. Wie viele es gibt und wie oft sie vorkommen, weiß man nicht so genau, denn die meisten Mediziner erforschen den umgekehrten Weg vom Tier auf den Menschen, sogenannte Zoonosen. Doch wenn Tiere sich mit menschlichen Erregern infizieren, kann das für sie schlimmere Folgen haben als die Schweinegrippe für die meisten Menschen.

Ein gutes Beispiel für die tödliche Wirkung menschlicher Erreger sind Herpesviren. Beim Menschen verursachen sie in der Regel lediglich unangenehme Bläschen am Mund. "Krallenäffchen, die sich mit diesem Virus infizieren, fallen tot um", sagt Wibbelt.

Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen haben einen Herpes-Ausbruch in einer Familie von acht Krallenäffchen beschrieben. Als Erster erkrankte der Anführer, was den Forschern auffiel, weil dem Tier große Mengen Speichel aus dem Mund liefen. Wenige Stunden später war er tot.

Am nächsten Morgen hatten zwei weitere Tiere die gleichen Symptome. Obwohl sie Medikamente bekamen, starben beide noch in derselben Nacht. Nach und nach erkrankten alle Familienmitglieder. Keiner überlebte. Die Forscher vermuten, dass sich die Tiere bei einem Pfleger oder bei einem Wissenschaftler angesteckt haben. Auch für Nachtaffen, Lemuren, Spitzhörnchen und Kaninchen ist Herpes erwiesenermaßen tödlich.

Seuchen
:Hausgemachte Gefahren

Ob Schweinegrippe oder eine andere Erkrankung: Pandemien können jederzeit entstehen, denn unsere Lebensweise bereitet ihnen den Nährboden.

Berit Uhlmann

Die menschlichen Krankheitserreger sind überall. Viren und Bakterien dringen mit den Holzfällern tief in die Regenwälder ein und wurden sogar in der Arktis nachgewiesen. Ein kanadisches Forscherteam entdeckte in Belugas und Seehunden im arktischen Nunavut-Territory Antikörper gegen menschliche Grippeviren.

Zoologie-Zoom (2)
:Kraftprotze

Dieses Tier sucht seinesgleichen. Wäre es ein Mensch, könnte es ohne Hilfsmittel sechs Doppeldecker-Busse hinter sich herziehen.

Geflügelkrankheit vom Menschen

Die Tiere müssen sich also irgendwann mit den Erregern infiziert haben. Bei Walrossen, Narwalen und Grönlandwalen fanden die Wissenschaftler hingegen keinen Hinweis auf eine Grippeinfektion.

Am häufigsten stecken sich Tiere aber an, wenn sie in engem Kontakt mit Menschen leben, also etwa in der Landwirtschaft oder in Zoos. Erst kürzlich fand Ross Fitzgerald vom Roslin Institute der University of Edinburgh heraus, dass der Erreger einer weltweit verbreiteten Geflügelkrankheit ursprünglich vom Menschen stammt.

Er und seine Kollegen machten genetische Analysen von Staphylokokken, die eine Knocheninfektion bei Hühnern verursachen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die verschiedenen Stämme von einem typisch menschlichen Bakterium abstammen.

"Die Mensch-Huhn-Übertragung hat wahrscheinlich nur ein einziges Mal stattgefunden", sagt Fitzgerald. "Und zwar vor etwa 40 Jahren." Seitdem hat sich der Keim über die ganze Welt ausgebreitet und ist inzwischen zu einem ernsthaften wirtschaftlichen Problem für die Geflügelindustrie geworden.

Nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein gesundheitliches Problem kann es für Menschen werden, wenn sich Kühe mit Tuberkulose anstecken. In Asien und Afrika, wo Tuberkulose in der Bevölkerung weit verbreitet ist, kommt das ziemlich häufig vor. "Deutschland gilt zwar als tuberkulosefrei", sagt Gudrun Wibbelt.

Aber auch hierzulande gebe es Fälle, in denen sich Milchkühe mit dem menschlichen Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis infizieren. "Wenn zum Beispiel die Omi auf dem Bauernhof mithilft, die den Erreger seit Jahrzehnten in sich trägt, ohne es zu wissen, ist es möglich, dass sie die Kühe durch Tröpfcheninfektion ansteckt", sagt Wibbelt.

Anfällige Elefanten

Den Tieren merke man die Krankheit oft gar nicht an. Doch das Problem sei, dass sich im Euter Tuberkulose-Herde bilden können. Die Milch enthält dann Keime, die nur abgetötet werden, wenn sie pasteurisiert wird. Wird die Milch einer infizierten Kuh allerdings als Rohmilch getrunken, können Menschen auf diesem Wege an Tuberkulose erkranken.

Auch Elefanten sind anfällig für Tuberkulose. In Zoos ist die Krankheit eine gefürchtete Diagnose. "Vor einigen Jahren mussten im Zoo von Kolmarden in Schweden sechs Elefanten getötet werden, weil sie mit Tuberkulose infiziert waren", sagt Wibbelt.

Nicht alle Tiere zeigten Symptome, doch war die Gefahr zu groß, dass sie Zoobesucher infizieren könnten. Man hatte zuvor aufwendig, aber vergebens versucht, die Elefanten zu behandeln. Die Experten vermuten, dass sich die Tiere, die aus Asien kamen, schon in ihrem Herkunftsland bei Menschen angesteckt hatten.

Mitten in Berlin muss sich hingegen ein Biber mit einem Erreger infiziert haben, den es in Deutschland eigentlich ebenso wenig geben dürfte wie Tuberkulosebakterien. Das Tier war von der Wasserschutzpolizei tot aus einem Kanal gefischt worden und landete bei Gudrun Wibbelt auf dem Obduktionstisch. Sie staunte nicht schlecht, als sie die Todesursache herausfand: Der Biber war an Cholera verendet.

© SZ vom 10.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: