Wenn Ölkonzerne unter dem Meeresgrund nach neuen Rohstoffquellen suchen, geht das nicht heimlich, still und leise. Zunächst zieht dann ein Spezialschiff sogenannte Luftpulser in einem regelmäßigen Muster durch ein Seegebiet. Sie komprimieren in bis zu 48 Zylindern Luft und schießen dann unter hohem Druck Blasen ins Wasser. Das löst Sequenzen wohldefinierter Schallpulse verschiedener Frequenzen aus, die durch das Wasser in den Untergrund rasen und dort an Gesteinsschichten reflektiert und gebrochen werden. An der Oberfläche fangen Hunderte Mikrofone die Echos auf, Computer erzeugen daraus Schnittbilder des Meeresbodens.
Dieser Lärm, behauptet die Ölindustrie, schade Walen, Delfinen und anderen Meeresbewohnern kaum. Umweltschützer sind anderer Meinung. Und Regierungen wie der amerikanischen, die Genehmigungen für solche seismischen Untersuchungen und andere Lärmquellen im Meer erteilen, fehlen in der Regel belastbare Daten, um den Streit zu entscheiden.
Explosionen unter Wasser
Doch nun, nach jahrzehntelangem Hin und Her, bekommen die Genehmigungen womöglich eine bessere Basis. Kurz vor dem Jahreswechsel hat die amerikanische Fischereibehörde National Marine Fisheries Service (NMFS) ein Positionspapier veröffentlicht, das die Entscheidungen über lärmende Arbeiten im Ozean deutlich verändern dürfte. Die Behörde bezeichnet den 83-seitigen Entwurf als "Highly Influential Scientific Assessment " (Sehr einflussreiche wissenschaftliche Bestandsaufnahme). Das ist ein feststehender Begriff für US-Behörden; er bedeutet, dass eine neue Regulierung womöglich wirtschaftliche Folgen von 500 Millionen Dollar oder mehr haben könnte, und erfordert eine öffentliche Fachdebatte über das Werk.
Der Entwurf sieht vor, dass es in Zukunft deutlich detailliertere Analysen als bisher darüber geben soll, welchen Schaden Meeressäuger womöglich durch Luftpulser erleiden, durch Explosionen unter Wasser oder das Einrammen von Pfählen für Bohrgerät oder Windkraftanlagen. Die Behörde erkenne nun an, "dass beim Schall noch andere Dinge zählen als die bloße Lautstärke", sagt der Meeresakustiker Brandon Southall von der Beratungsfirma SEA in Aptos, Kalifornien. Die Behörden müssten sich dann zum Beispiel auch fragen, ob die erzeugten Frequenzen manche Meerestiere besonders belasten, weil ihre Ohren in dem Bereich sehr empfindlich sind.