Geduldige Krähen:Vögel mit weiser Voraussicht

Selbst wenn das Futter direkt vor dem Schnabel lockt, können Rabenvögel die Mahlzeit eine Weile aufschieben - zumindest wenn sie wissen, dass sie den Brocken später gegen etwas besseres eintauschen können.

Lennart Pyritz

Sobald Futter in erreichbarer Nähe ist, haben die meisten Tiere den Impuls: zugreifen und verspeisen. Krähen und Raben sind jedoch offenbar befähigt, ihr unmittelbares Verlangen nach Nahrung zu kontrollieren.

Geduldige Krähen: Wenn die Aussicht besteht, minderwertiges Futter später gegen besseres einzutauschen, dann warten Raben und Krähen mit der Mahlzeit.

Wenn die Aussicht besteht, minderwertiges Futter später gegen besseres einzutauschen, dann warten Raben und Krähen mit der Mahlzeit.

(Foto: AP)

Sie lassen minderwertiges Futter minutenlang unangetastet, wenn sie dieses nach einer Weile gegen besseres eintauschen können. Ob die Tiere zu diesem Tausch bereit sind, hängt sowohl davon ab, wie viel besser das erwartete Futter ist als auch von der Länge der Wartezeit. Das berichtet ein Team von Verhaltensbiologen um Valerie Dufour von der Universität Straßburg im Fachblatt Biology Letters (online).

Die Wissenschaftler stellten in Experimenten die Geduld von insgesamt zwölf Vögeln auf die Probe, darunter sechs Rabenkrähen und sechs Kolkraben. Zunächst brachten sie den Tieren bei, einen Spielstein nach einer Wartezeit gegen Futter einzutauschen.

Später durften die Vögel minderwertige Futterhappen aus der Hand des Versuchsleiters picken, während dieser einen schmackhafteren Leckerbissen in der anderen Hand zeigte.

Nach verschieden langen Wartezeiten, die zwischen zwei und 640 Sekunden dauerten, bot der Versuchsleiter dem Vogel die leere Hand an. Legte der Vogel den weniger begehrten Happen dort hinein, erhielt er den besseren Leckerbissen.

Zum erfolgreichen Tausch kam es vor allem, wenn die Wartezeit kürzer als 40 Sekunden war und die Vögel das gezeigte Futter besonders attraktiv fanden. Zwei Rabenkrähen hielten sogar fünf Minuten lang durch, um das Futter eintauschen zu können - ein Wert, der mit dem von Kapuzineraffen in ähnlichen Experimenten vergleichbar ist.

Mussten sich die Vögel 20 Sekunden oder länger gedulden, erleichterten sie sich das Warten, indem sie das minderwertige Futter ablegten oder gar versteckten, um es nicht ständig vor Augen zu haben.

Die Fähigkeit, dem unmittelbaren Fressimpuls zu widerstehen, könnte Vögeln in der Natur helfen, Futterverstecke anzulegen. Rabenvögel sind seit langem bekannt für ihre kognitiven Leistungen.

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