Geburt per Kaiserschnitt:"Raubrittertum" im Kreißsaal

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Immer mehr Kinder kommen per Kaiserschnitt auf die Welt. Davon profitieren in vielen Fällen nicht Mutter und Kind, sondern der Arzt.

C. Berndt

In Deutschland kommen immer weniger Kinder auf natürlichem Wege zur Welt. Schon 29 Prozent aller Kinder werden inzwischen mit Hilfe des Skalpells geholt, wie die Krankenkasse Deutsche BKK vor kurzem berichtete. Seither streiten Geburtshelfer, was die Ursachen für die stetig wachsende Beliebtheit der Geburts-OP sind. Medizinisch nötig ist die hohe Kaiserschnittrate jedenfalls nicht.

Nicht immer ist der Kaiserschnitt zum Wohle der Kindes. (Foto: Foto: dpa)

Nur zehn bis 15 Prozent aller Geburten sollten chirurgisch vonstatten gehen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation. Eine Rate von 29 Prozent "ist medizinisch gewiss nicht gerechtfertigt", sagt Heribert Kentenich, Chefarzt der Frauenklinik der DRK-Kliniken Berlin-Westend.

Das sieht auch Reinhold Knitza so, Frauenarzt in Gräfelfing und außerplanmäßiger Professor an der Universität München. Ursache für die ständig steigende Kaiserschnittrate sei vielmehr "der Faktor Ökonomie", so Knitza. "Und das oft zum Nachteil der werdenden Mütter."

Arzt und Krankenhaus erhalten bei einem Kaiserschnitt binnen 20 bis 30 Minuten erheblich mehr Geld als bei einer natürlichen Geburt, "die sich im Normalfall über viele Stunden erstreckt - natürlich auch am Wochenende und nachts", wie Knitza sagt.

"Unheilvolle Allianz"

Er fordert daher, die Vergütung zu ändern, damit Ärzte nicht zu dem zeitsparenden, für sie sichereren und vor allem gut in die Tagschicht passenden Verfahren verführt werden. Heribert Kentenich spricht gar von "Raubrittertum" in manchen Privatkliniken, in denen die Kaiserschnittrate längst bei 50 oder mehr Prozent liege.

Die Einsicht scheint sich neuerdings auch beim InEK durchzusetzen, dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus. Vor einem Jahr hat es die Vergütungen für Kaiserschnitte und natürliche Geburten angenähert. Während ein Krankenhaus im Jahr 2007 für einen Kaiserschnitt ohne Komplikationen noch rund 2600 Euro bekam, sind es 2008 nur noch 2500 Euro; die natürliche Geburt wurde dagegen von rund 1400 Euro auf 1500 Euro aufgewertet.

Offenbar überdenkt das InEK sein Abrechnungssystem derzeit noch einmal. "Das Thema Ihrer Anfrage ist uns bekannt", ließ InEK-Geschäftsführer Frank Heimig der SZ mitteilen. Man befinde sich aber "mitten in der Umgestaltung des Verfahrens" und könne derzeit "keine Auskunft geben".

Die bereits vorgenommene leichte Angleichung der Vergütung sei zwar "ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Heribert Kentenich, reiche aber längst nicht aus. Immerhin habe sich die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus für Mütter nach einem Kaiserschnitt in den vergangenen zehn Jahren von neun Tagen auf 5,8 Tage verkürzt. Damit liegen die Frauen nach einer Schnittentbindung nur noch wenig länger in der Klinik als nach einer natürlichen Geburt (3,7 Tage).

Dabei ist ein Kaiserschnitt keineswegs ein kleiner Eingriff. Immerhin durchtrennt der Arzt dabei die gesamte Bauchdecke plus Gebärmutter. Die Folgen können schwerwiegend sein. Frauen werden nach einem Kaiserschnitt seltener und später wieder schwanger. Das kann bei den älteren Gebärenden zum Problem werden, wenn sie sich weitere Kinder wünschen. Werden sie doch schwanger, kann es zu "gefährlichen Komplikationen" kommen, warnt Kentenich.

Zwar sind Frauen die Leidtragenden, aber höchstens sieben Prozent der Kaiserschnitte geschehen auf Wunsch der Frau, ergaben Studien. Allerdings wurden Frauen gefragt, die noch nicht im Kreißsaal lagen. "Wenn die Frau nach stundenlangen Wehen mürbe geworden ist, lässt sie sich leicht vom Arzt zu einem Kaiserschnitt bewegen", sagt Kentenich.

Dabei würden die Schmerzen bei der Geburt nur auf die Zeit danach vertagt. Dann fällt vielen Frauen das Tragen und Stillen ihres Säuglings schwer. Und auch den Kaiserschnitt-Kindern bereitet die schnelle Geburt oft Probleme. Überproportional viele haben danach Schwierigkeiten beim Atmen. Für den Arzt sei ein Kaiserschnitt dagegen eine sichere Sache, sagt Kentenich. "Es ist eine unheilvolle Allianz."

© SZ vom 13.8.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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