Galileo-Projekt:Auf die falsche Bahn geraten

Satelliten 5 und 6 für EU-Navigationssystem Galileo

Schwerer Patzer beim Start von zwei Galileo-Satelliten: Sie wurden auf der falschen Umlaufbahn abgesetzt.

(Foto: J. Huart/dpa)

Galileo sollte das Flaggschiff europäischer Weltraumtechnik werden, nun sind zwei Satelliten auf der falschen Umlaufbahn gelandet - der peinliche Höhepunkt einer Serie teurer Fehler. Dennoch kann Europa von einer eigenen Satellitennavigation profitieren.

Kommentar von Christopher Schrader

Noch am vergangenen Wochenende konnten Politik und Industrie hoffen, dass das Gerede über ihre Fehler endlich aufhört. In Kourou startete eine Sojus-Rakete mit zwei Satelliten des Galileo-Systems, mit dem Europa ins globale Navigationsgeschäft vordringt. Doch dann gab es einen 150-Millionen-Euro-Fehlschlag: Die für jeweils 40 Millionen Euro angeschafften Raumschiffe sind mit einer 70-Millionen-Rakete wohlbehalten auf der falschen Bahn angekommen und dort vermutlich nutzlos. Das rührt die Sinndiskussion über Europas Prestigeprojekt wieder auf.

Navigationsdienstleistungen haben längst einen großen Markt, der bald über die Schwelle von 200 Milliarden Euro pro Jahr klettern dürfte. Europäischen Firmen einen guten Teil von diesem Volumen zuzuschustern - für Satelliten, Raketen und Services - war an sich keine schlechte Wirtschaftspolitik. Nur leider hat es so lange gedauert, bis Europa mit seinen Ideen aus den Startlöchern kam.

Der Fehlschlag entfacht wieder die Sinndiskussion über Europas Prestigeprojekt

Zunächst ging es den Europäern darum, auf einem wichtigen Zukunftsmarkt nicht nur mitzuhalten, sondern eigene Akzente zu setzen. Galileo ist als ziviles System geplant; anders als GPS in den USA, Glonass in Russland und Beiduo in China ist es nicht den politischen oder auch militärischen Interessen einer Großmacht unterworfen. Zwar haben sich die Amerikaner keines unfairen Gebarens schuldig gemacht, seit sie im Jahr 2000 die künstliche Verschlechterung der Signale abgestellt und damit die Tür zu einem zivilen Markt mit der Technik geöffnet haben. Aber sie behalten es sich vor, die Signale ihrer Satelliten zu stören, wenn es ihren Sicherheitsinteressen dient.

Einen weiteren Grund für Europas Engagement kann man schon beim Autofahren erkennen. Ein GPS-Empfänger, der im Auto, dem tragbaren Navi oder sogar im Smartphone eingebaut ist, kann den eigenen Standort eben nicht genau genug ermitteln. Auf 15, wenn es gut geht auf acht Meter, bestimmt er die Position. Und mahnt dann immer wieder, dass man in Kürze abbiegen muss, selbst wenn das Fahrzeug längst auf der richtigen Spur ist. Er weiß nicht, wann er besser die Klappe halten sollte. Mit Galileo könnten die Signale aus dem Himmel viel präziser werden als mit dem jetzigen GPS, dem Global Positioning System der Amerikaner. Die maximale Genauigkeit kommt zwar vermutlich auch mit Galileo nicht im einfachen Navi für das Armaturenbrett an, weil sich die Betreiber die Qualität ihrer Signale, die über den kostenlosen Basisdienst hinausgeht, bezahlen lassen. Aber allein beim Beispiel Autofahren fallen einem sofort zwei Anwendungen ein, die von einer spurgenauen Ortung erheblich profitieren könnten. Der Einsatz von Polizeiwagen wie Taxis ließe sich besser steuern, wenn in der Zentrale sofort zu erkennen ist, wo die Fahrzeuge sind - auf manchen innerstädtischen Straßen wie dem Mittleren Ring in München oder der Reeperbahn in Hamburg können nicht einmal Autos mit Blaulicht überall wenden.

Das vage Konzept verschreckte die Industrie

Präzision ist immer da wichtig, wo Sicherheit und Leben von den Signalen abhängen könnten. Zum Beispiel bei künftigen, autonom steuernden Fahrzeugen oder in der Luftfahrt. Mithilfe von einigen Satelliten verbessert das europäische Egnos-System schon heute den Anflug auf mehr als 80 Flughäfen, indem es die Signale der amerikanischen GPS-Satelliten verbessert. Wird dieses Verfahren dann noch auf die Galileo-Signale angewandt, die den Ort schon unverbessert auf etwa drei Meter fixieren, lässt sich fast schon die seitliche Abweichung der Getränketrollys von der Ideallinie im Mittelgang bestimmen.

Als Wirtschaftsprojekt ist Galileo aber schlecht gemanagt worden. Anfangs waren zwar viele Firmen interessiert, aber es fand sich kein tragfähiges Konsortium, das das Risiko tragen und die Investitionen auf sich nehmen wollte. Das Geschäftsmodell war ihnen zu vage. So musste die Europäische Union nach großzügiger Anschubfinanzierung auch noch den Aufbau des Satellitensystems übernehmen. Bei der Beschaffungspolitik sind dann etliche teure Fehler gemacht worden. So ist Galileo nicht nur um Jahre verspätet, sondern auch um Milliarden teurer geworden. Ursprünglich sollte das System 2008 funktionsfähig sein, bis zum vergangenen Wochenende war 2020 als Starttermin im Gespräch.

Schon Ende 2016, Anfang 2017 sollten Nutzer von Navigationsservices eine deutliche Verbesserung bemerken. Angesichts der vielen Milliarden, die nun schon geflossen sind, bleibt Europas Politik und Industrie nun nicht viel anderes übrig, als optimistisch zu behaupten, sie könnten zumindest diesen Termin halten.

Linktipp: SZ-Reportage über das geplante europäische Navigationssystem: "Oh Galileo"

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