Furcht vor Pandemie:Gefährliches Souvenir aus Mexiko

In Deutschland sind bislang drei Menschen mit Schweinegrippe infiziert, die Krankheit scheint bei ihnen aber eher harmlos zu verlaufen.

Die Schweinegrippe ist in Deutschland angekommen. Ein Grund zur Panik sei das jedoch längst noch nicht, betonen Politiker und Experten immer wieder. Drei infizierte Mexiko-Urlauber aus Hamburg und Bayern sind bereits auf dem Weg der Besserung oder sogar genesen. Es gibt zwar weitere Verdachtsfälle in Deutschland, doch zumindest bei den beiden bayerischen Infizierten gehen die Ärzte davon aus, dass sie keine anderen Personen angesteckt haben.

Furcht vor Pandemie: In Hochsicherheitslaboren für Virusforschung wird an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen die Schweinegrippe gearbeitet.

In Hochsicherheitslaboren für Virusforschung wird an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen die Schweinegrippe gearbeitet.

(Foto: Foto: dpa)

In Mexiko sind nach neuen Zahlen der Behörden nur 26 Fälle der Schweinegrippe bestätigt - sieben Infizierte sind gestorben. Außerdem scheint die Zahl der Neuinfektionen in dem am stärksten von der Krankheit betroffenen Land zurückzugehen. In den USA starb ein 23 Monate altes Kind aus Mexiko an den Folgen der Krankheit. Wie gefährlich das Virus tatsächlich ist, können selbst Mediziner im Moment noch nicht sagen.

"Sie sehen uns relativ gelassen" - mit diesen Worten begrüßte Jörg F. Debatin am Mittwochmittag lächelnd die Journalisten im Hamburger Universitätsklinikum, bevor der Ärztliche Direktor den ersten Fall einer Schweinegrippe-Infektion in Norddeutschland bestätigte und auf einen zweiten Verdachtsfall hinwies. Eine 22 Jahre alte Frau hatte sich am Dienstagmorgen in der Klinik mit Anzeichen eines grippalen Infektes im Stadtteil Eppendorf vorgestellt. Am Mittwochmorgen bestätigten die Laborergebnisse den Verdacht. Gelassen seien die Ärzte, so sagte Debatin, weil es der Patientin im Grunde gut gehe, und weil sie sich auf den Fall gut vorbereitet sähen.

Keine schweren Komplikationen

Die junge Frau ist vor wenigen Tagen aus Mexiko zurückgekehrt. Ihre Reisebegleitung wurde ebenfalls stationär aufgenommen, auch sie hatte Grippesymptome. Dieses Laborergebnis stand am Mittwochnachmittag noch aus. Es gebe keine Hinweise "auf die Gefahr schwerer oder gar lebensgefährlicher Komplikationen" bei der infizierten Patientin, erklärten die Ärzte. Die Patientin und auch ihre Kontaktperson würden mit dem Grippemedikament Tamiflu behandelt. Sie seien isoliert in Zimmern mit einem Schleusenzugang untergebracht, "so wie man es auch bei einer offenen Tuberkulose macht".

Auch den beiden bayerischen Schweinegrippe-Patienten geht es bereits besser - beide waren in der vergangenen Woche von Rundreisen in Mexiko zurückgekehrt und hatten Grippesymptome verspürt. Eine 37-jährige Frau aus Kulmbach wurde von den Gesundheitsbehörden unter häusliche Quarantäne gestellt, nachdem sie mit nur leichten Symptomen zu ihrem Hausarzt ging. Nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums ist die 37-Jährige inzwischen wieder völlig beschwerdefrei. Sie habe nicht einmal ihren Ehemann angesteckt. Der zweite Patient, ein 37-jähriger Regensburger, wurde in eine Klinik eingewiesen. Er sei zwar schon fieberfrei, leide aber an einer Herzkrankheit, die sich durch eine Grippeerkrankung verschlimmern könnte.

In Berlin appellierte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt an alle, die aus dem Ausland einreisen und Grippesymptome verspüren, sofort einen Arzt aufzusuchen. Ärzte sollen außerdem verpflichtet werden, bei begründeten Verdachtsfällen die Gesundheitsämter zu informieren. Dazu bereitet das Gesundheitsministerium zurzeit eine Verordnung vor.

Europaweite Richtlinie soll kommen

Für den Ernstfall einer Pandemie in Deutschland habe die Bundesrepublik mit Impfstoffherstellern Verträge geschlossen, so Schmidt. So sei garantiert, dass die Bevölkerung zweimal geimpft werden könne - sobald ein Impfstoff entwickelt sei. Die EU-Gesundheitsminister wollen am Donnerstag in Luxemburg eine europaweit einheitliche Linie für Reisewarnungen und Maßnahmen an den Flughäfen beraten. Frankreich hat sich bereits für ein vorläufiges Verbot für alle Flüge nach Mexiko ausgesprochen. Von Mexiko aus hat sich die Schweinegrippe bisher in mindestens acht Länder ausgebreitet: So gab es am Mittwochabend 66 bestätigte Fälle in den USA, 14 in Neuseeland, 13 in Kanada, zwei in Israel und einen in Österreich. Viele der Infizierten waren erst kürzlich nach Mexiko gereist.

Auch Ulla Schmidt warnte deshalb: "Wer nicht unbedingt jetzt nach Mexiko reisen muss, sollte das verschieben." Die Mehrheit der deutschen Urlauber lässt sich jedoch von der Schweinegrippe offensichtlich nicht abhalten: Beim Branchenführer TUI haben 350 Gäste für die nächsten Tage Reisen nach Mexiko gebucht, von ihnen haben nach Firmenangaben nur etwa 150 ihre Pläne geändert. Außerdem wollten nur wenige der 800 TUI-Urlauber, die gerade in Mexiko sind, ihre Reise vorzeitig beenden.

In Mexiko gibt es neben den 26 nachgewiesenen Infektionen und den sieben bestätigten Todesfällen weitere 159 Fälle, in denen das Virus als Todesursache vermutet wird. Hinzu kommen knapp 2500 mögliche Infektionen, teilt das dortige Gesundheitsministerium mit. Doch außer dem bestätigten Todesfall eines Kleinkindes in den USA forderte die Grippe bisher in keinem anderen Land Todesopfer. Die Erkrankungen in Europa scheinen vergleichsweise harmlos zu verlaufen.

"Dass es in Mexiko mehr Todesfälle gibt, liegt möglicherweise an schlechterer medizinischer Versorgung und an einem schlechteren Gesundheitszustand der Menschen, die deshalb auf das gleiche Virus anders reagieren", sagt Detlef Krüger, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Charité in Berlin. "Die Einschätzung der Gefahr sei schwierig, weil über die Fälle in Mexiko nur wenig bekannt ist", ergänzt Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert Koch-Instituts in Berlin. Die Fälle in den USA seien dagegen sehr gut dokumentiert.

Viren ändern sich

Influenza-Viren sind dafür bekannt, dass sie ihr Erbgut und damit ihre Eigenschaften extrem schnell verändern können: "Normale Grippeviren sehen am Anfang der Saison anders aus als am Ende", sagt Glasmacher. Das liegt daran, dass das Erbgut aller Influenzaviren aus verschiedenen Segmenten besteht. Diese Abschnitte können die Erreger beliebig vermischen, etwa wenn ein Schweinevirus und ein Menschenvirus zufällig dieselbe Zelle befallen. So entstehen Viren mit ganz neuen Eigenschaften. Beim aggressiven Vogelgrippe-Virus H5N1, das insgesamt 250 Menschen tötete, befürchteten Experten vor wenigen Jahren, dass es mutieren und künftig von Mensch zu Mensch übertragbar sein könnte. Umgekehrt beim jetzt schon zwischen Menschen übertragbaren Schweinegrippevirus H1N1: Hier gibt es Befürchtungen, es könnte zu einem aggressiveren Virus mutieren.

"Wie gefährlich ein Grippevirus für den Menschen ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die im Prinzip noch keiner genau kennt", sagt Krüger. Klar ist, dass besonders aggressive Influenzaviren das Immunsystem des Menschen effektiv blockieren können. Harmlos sind aber auch normale Grippeviren nicht: Allein in Deutschland sterben jährlich Tausende Menschen an der gewöhnlichen Grippe.

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