Furcht vor der Schweinegrippe-Pandemie:Zweithöchste WHO-Alarmstufe

Die Weltgesundheitsorganisation hat die Alarmstufe wegen der Schweinegrippe von vier auf fünf angehoben. Die EU rechnet damit, dass auch in Europa Menschen an dem Virus sterben werden.

Die Sorge um die weltweite Ausbreitung des Schweinegrippevirus wächst. Am späten Mittwochabend hob die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pandemie-Alarmphase wegen der rasanten Ausbreitung der Schweinegrippe von vier auf die zweithöchste Stufe fünf an.

Furcht vor der Schweinegrippe-Pandemie: Schutz vor Ansteckung: Eine Atemschutzmaske kann das Risiko einer Infektion mindern.

Schutz vor Ansteckung: Eine Atemschutzmaske kann das Risiko einer Infektion mindern.

(Foto: Foto: Reuters)

Phase fünf bedeutet, dass das neue Grippevirus in mindestens zwei Ländern einer Region von Mensch zu Mensch übertragen wird, dass eine Pandemie droht und die Zeit für Gegenmaßnahmen knapp wird. WHO-Chefin Margaret Chan mahnte zu entschlossenem Handeln gegen die Schweinegrippe.

Zuvor hatte die Schweinegrippe auch Deutschland erreicht. Bei insgesamt drei Patienten in Bayern und Hamburg wurde das mutierte Virus vom Typ H1N1 nachgewiesen. Alle drei Patienten waren aber schon wieder auf dem Weg der Besserung, wie die Behörden berichteten.

Einer der bayerischen Kranken, ein im Regensburger Universitätsklinikum mit Schweinegrippe behandelter Patient, hat jedoch möglicherweise zwei Menschen angesteckt. Im Kreiskrankenhaus Mallersdorf, wo der 37-Jährige zuvor mehrere Tage lag, könnte er eine Krankenschwester und einen Zimmernachbarn infiziert haben.

Der Vorstandsvorsitzende der Kliniken des Landkreises Straubing-Bogen, Alois Lermer, bestätigte am Donnerstag Medienberichte, wonach eine Schwester aus dem Raum Landshut vorbeugend mit Grippemitteln behandelt werde. Zudem zeige ein anderer Patient erste Symptome und sei deshalb in der Klinik isoliert worden.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) berichtete am Morgen von weiteren Verdachtsfällen. "Wir haben drei neue Verdachtsfälle, so dass insgesamt zehn Verdachtsfälle überprüft werden", sagte sie in der ARD.

In einem dieser Fälle gab es allerdings inzwischen Entwarnung: Bei einem aus Mexiko zurückgekehrten Mann in Schwaben wurde nach Angaben des Landratsamtes Donauwörth das mutierte Virus H1N1 nicht nachgewiesen.

Wegen der schnellen Ausbreitung der Schweinegrippe kommen die EU-Gesundheitsminister heute zu einem Sondertreffen in Luxemburg zusammen. Sie wollen ein gemeinsames Vorgehen bei der Bekämpfung der Krankheit und mögliche Reisewarnungen beraten. Für Deutschland wird Gesundheitsministerin Schmidt an dem Treffen teilnehmen.

"Die Frage ist nicht, ob Menschen sterben, sondern wie viele"

Die EU-Kommission rechnet mit Todesopfern durch die Schweinegrippe auch in Europa. "Menschen werden dadurch sterben, es ist nicht die Frage, ob Menschen sterben werden, sondern wie viele", sagte der EU-Generaldirektor für Gesundheit, Robert Madelin, in Brüssel. "Werden es Hunderte, Tausende oder Zehntausende sein", fragte der EU-Beamte.

Zugleich bemühte sich die Kommission um Beruhigung: "Wir kennen nicht das Ausmaß der Pandemie. Aber Europa ist besser vorbereitet als jemals zuvor", sagte Madelin. Ein Impfstoff könne innerhalb von 100 Tagen in Europa zur Verfügung stehen.

Ungeachtet der Ausweitung der Schweinegrippe wird die Europäische Kommission Madelin zufolge keine Aussetzung des Flugverkehrs zwischen Europa und den USA und Mexiko vorschlagen. Stattdessen sollten Reisende zu Vorsicht aufgerufen werden. Frankreich hingegen will sich für eine EU-weite Einstellung der Flüge nach Mexiko einsetzen.

US-Präsident Barack Obama sprach sich am Mittwochabend gegen eine Schließung der US-Grenze zu Mexiko wegen der Schweinegrippe aus. "Das wäre, als schließt man das Scheunentor, nachdem die Pferde ausgerissen sind", sagte er. Das Virus sei bereits in den USA. Deshalb mache eine Schließung der Grenzen keinen Sinn.

In Spanien wurde das Virus erstmals in Europa auch bei einem Patienten nachgewiesen, der nicht in Mexiko gewesen war. Er habe sich vermutlich bei seiner ebenfalls erkrankten Lebensgefährtin angesteckt, die das Virus aus Mexiko eingeschleppt habe, teilten die Behörden mit. Spanien hat derzeit zehn Schweinegrippefälle nachgewiesen. Das ist mehr als die Hälfte aller Fälle in der EU. Großbritannien hat fünf Fälle gemeldet, Deutschland drei und Österreich einen.

Infizierter Mann versehentlich aus der Klinik entlassen

Auch in der Schweiz gibt es einen ersten Fall von Schweinegrippe. Ein junger Mann war am Montag wegen Verdachts auf eine Erkrankung im Kantonsspital Baden auf eine Isolierstation gebracht, am Mittwochnachmittag aber wieder nach Hause entlassen worden. Später bestätigte sich jedoch die Infektion mit der Schweinegrippe und der Patient wurde erneut in die Klinik eingewiesen.

In Mexiko ist nach Angaben der Behörden ein weiterer Mensch der Schweinegrippe zum Opfer gefallen. Wie Gesundheitsminister José Ángel Córdova am Mittwochabend mitteilte, kamen damit bereits acht Personen nachweislich durch den mutierten H1N1-Virus ums Leben. Auch die Zahl der Infizierten habe sich von bisher 49 auf 91 erhöht. 84 Verdachtsfälle würden derzeit noch untersucht. Córdova kündigte an, dass zur Eindämmung der Epidemie die gesamte öffentliche Verwaltung auf Bundesebene über die Maifeiertage geschlossen bleiben solle, und forderte die Bundesstaaten und Städte auf, sich der Maßnahme anzuschließen.

Die US-Streitkräfte bestätigten unterdessen den ersten Schweinegrippefall auf einer Militärbasis. Ein Marineinfanterist auf dem Stützpunkt Twentynine Palms in Kalifornien und 30 seiner Kameraden, die mit ihm Kontakt hatten, seien unter Quarantäne gestellt worden.

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