Frühwarnsystem für Vulkane:Wolken des Todes

Rasend schnell, heiß und tödlich: Ascheströme aus dem Inneren von Vulkanen sind gefürchtet, aber schwer vorherzusagen. Nun könnte eine Art Radarfalle als Frühwarnsystem dienen.

Axel Bojanowski

Sie sind 1100 Grad heiß und bis zu 700 Kilometer pro Stunde schnell - "Flucht ist meist unmöglich", heißt es in einer Anleitung für Vulkantouristen lapidar über pyroklastische Ströme.

Vulkan Soufriere Hills, AP

Der Vulkan Soufriere Hills, hier auf einem Foto von 1997, rumort seit zwei Jahren wieder. Forscher testeten hier ein neues Warnsystem.

(Foto: Foto: AP)

Die Ascheströme erreichen in nicht mal einer Minute zehn Kilometer entfernte Ortschaften. Größere pyroklastische Ströme gefährden Regionen in mehr als 100 Kilometer Entfernung. Die Wissenschaft weiß aber noch nicht allzu viel über die Todeswolken. Zum einen überleben Augenzeugen sie meist nicht. Zum anderen sind die Anzeichen oft kaum zu erkennen.

Mit einem hochempfindlichen Mikrophon ist es Vulkanologen aber nun gelungen, pyroklastische Ströme erstmals mit einer Art Nachtsichtgerät zu verfolgen. Die Messung von Infraschall - für Menschen unhörbare tiefe Frequenzen - eigne sich zur Überwachung von Vulkanen, resümieren die Forscher um Maurizio Ripepe von der Universität Florenz im Fachblatt Eos (Bd.90, S.229, 2009).

Menschen, die von pyroklastischen Strömen erfasst werden, haben keine Chance. In der Lunge festigt sich die Asche zu Zement, so dass die Opfer ersticken. Ihre Leichen verkohlen. Bei einer Autopsie müssen die Körper mit Hammer und Meißel geöffnet werden. Die Abdrücke von Opfern des Vesuv-Ausbruchs im Jahr 79 in Pompeji und Herculaneum wurden unter solchen pyroklastischen Strömen konserviert.

Die einzige Möglichkeit, den Todeswolken zu entkommen, ist die Frühwarnung: Gehen kleinere Staublawinen ab, raten Experten wie Colleen Riley von der Michigan Tech University dazu, Menschen umgehend in Sicherheit zu bringen. Pyroklastische Ströme rasen nahezu lautlos zu Tal, sie gleiten auf einem Luftkissen. Sie zu erkennen ist aber nicht nur deshalb schwierig. Braut sich ein Ausbruch im Nebel oder nachts zusammen, jagen die Vorboten unentdeckt abwärts. Rötliches Glühen mancher Lawinen registriert nachts meist keiner.

Auf einem besonders gefährlichen Vulkan, dem Soufrière Hills auf der Karibikinsel Montserrat, stellten Ripepe und seine Kollegen Messgeräte auf. Ausbrüche des Berges hatten 1995 die Hauptstadt Plymouth zerstört, die zuvor nach Erdbeben und kleineren Eruptionen evakuiert worden war. Am 25. Juni 1997 aber raste ein pyroklastischer Strom auch in Regionen, die zuvor verschont worden waren. 19 Bauern, die sich hinter Anhöhen in Sicherheit wähnten, wurden getötet. Die Lawinen waren nahezu ungebremst über die Bergflanken hinweggeschossen. Seit 2007 rumort der Vulkan wieder.

Ripepe und seine Kollegen installierten drei Kilometer entfernt vom Gipfel eine Art Radarfalle; das Gerät registrierte Schallwellen. Am 29. Juli 2008 geriet den Vulkanologen ein pyroklastischer Strom ins Visier: Mit knapp 300 Kilometer pro Stunde stürmte die Wolke abwärts. Optische Messungen bestätigten den Wert. Die Forscher fordern nun, an dem Vulkan ein Warnsystem zu installieren. Der Norden von Montserrat ist im Gegensatz zum Süden weiterhin besiedelt. Auch dort drohten pyroklastische Ströme niederzugehen.

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