Früherkennung:Krebsvorsorge wird überschätzt

Deutsche Patienten halten den Nutzen von Vorsorgeuntersuchungen für weitaus größer, als er ist - vor allem, wenn sie ihre Informationen beim Arzt beziehen.

G. Bohsem

Deutsche Männer und Frauen sind nur schlecht über den tatsächlichen Nutzen von Untersuchungen zur Früherkennung von Krebs informiert. Nach einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung schneiden sie unter 10.000 Befragten aus neun Ländern am schlechtesten ab.

Früherkennung: Bösartiger Befund: Der Nutzen von Mammographie-Screenings wird oft überschätzt.

Bösartiger Befund: Der Nutzen von Mammographie-Screenings wird oft überschätzt.

(Foto: Foto: ddp)

Noch mehr als Niederländer, Briten oder Franzosen überschätzten die Bundesbürger die Wirksamkeit von Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchungen, also dem Mammographie-Screening. Nur etwa 0,8 Prozent wussten, dass sich durch den Test die Sterblichkeit nur geringfügig reduziert.

Wenn sie sich regelmäßig untersuchen lassen, sterben vier von 1000 Frauen über 50 Jahren an Brustkrebs, ohne Untersuchung sind es fünf von 1000 Frauen. Die meisten der Befragten (21,3 Prozent) bezifferten den Nutzen mehr als 50 Mal so hoch.

Auch wer sich regelmäßig über Gesundheitsthemen im Fernsehen, Internet oder in Zeitungen informiere, wisse nicht besser Bescheid, urteilt einer der Autoren der Studie, der Berliner Professor Gerd Gigerenzer. Es gebe in der Bundesrepublik keine Informationsquelle, die zu besseren Erkenntnissen führe.

Schlecht beraten

Noch schlechtere Ergebnisse habe es lediglich unter den Befragten gegeben, die sich auf eine Beratung durch ihren Mediziner oder Apotheker verlassen. "In Deutschland überschätzen Frauen, die sich ihre Informationen vom Arzt holen, häufiger den Nutzen des Screenings als andere", sagte Gigerenzer.

Das Wissen über den Nutzen der Untersuchung ist nach seinen Worten jedoch entscheidend. Nur so könnten die Patientinnen abwägen, ob sie die damit verbundenen Risiken tragen wollten. Schließlich werde 50 bis 200 von 1000 Frauen aufgrund eines falschen Mammographie-Befundes Gewebe entnommen. Zwei bis zehn Frauen unterzögen sich irrtümlicherweise einem größeren Eingriff.

Ähnlich sieht es bei der Prostatakrebs-Früherkennung durch den sogenannten PSA-Test aus. Auch hier überschätzten die meisten Männer die Nützlichkeit des Verfahrens zum Teil dramatisch. Studien aus den USA und Europa legen nahe, dass es auf die Sterblichkeit durch Prostatakrebs keinen Unterschied macht, ob man sich dem Test regelmäßig unterzieht oder nicht. Jedoch gibt es laut Gigerenzer eine hohe Zahl von Patienten, die aufgrund eines positiven PSA-Tests falsch behandelt würden.

Gigerenzer betonte, er wolle keine Stimmung gegen Vorsorgeuntersuchungen machen. Ihm gehe es darum, dass der Patient ausreichend und klar informiert werden müsse. Dazu sei es nötig, dass die Ärzte ihre Sachkenntnis beim Lesen von Statistiken verbesserten. Immerhin werde für die Untersuchungen sehr viel Geld ausgegeben.

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