Genetik:Fruchtfliegen: Unterschätzte Haustiere

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Wertvoll für die Krebsforschung: Fruchtfliegen können sich Gerüche merken. (Foto: Björn Brembs/dpa)
  • Von der Wissenschaft wird die Fruchtfliege seit über hundert Jahren als perfekter Modellorganismus verehrt.
  • Ihre Gene lassen sich leicht verändern und man sieht schnell, welche Auswirkungen ein Eingriff hat.
  • Viele Gene der Fruchtfliege sind denen des Menschen sehr ähnlich.

Von Stephanie Göing

Fünf Forschergruppen hat sie bereits einen Nobelpreis verschafft. Für die Genetik ist sie unersetzlich. Jeder kennt sie, viele hassen sie. Und das bei einer Körpergröße von nur drei Millimetern. Die Fruchtfliege, ein ganz besonderer Winzling.

Warum derzeit so viele Fruchtfliegen umherschwirren

Drosophila melanogaster heißt das kleine, braun-gelbe Insekt mit offiziellem Namen, was wörtlich so viel bedeutet wie "Tau liebende Schwarzbäuchler". Forscher sagen meist nur "Taufliege". Im Sommer begegnet man diesem Tier besonders häufig, zum Beispiel wenn man sich der Schale mit Äpfeln nähert oder den Kompost öffnet. Dann fliegt mitunter plötzlich ein ganzer Schwarm kleiner schwarzer Punkte durch die Küche. Fruchtfliegen brüten am liebsten in überreifem Obst oder Gemüse, bevorzugt an schadhaften Stellen, oder auch im Biomüll. Dort finden die Larven, die aus den Eiern schlüpfen, direkt etwas zu essen. Sie verzehren hauptsächlich Bakterien, Hefen oder Pilze, die sich an den faulenden, gärenden Orten aufhalten. Die Tiere mögen es warm, dann entwickeln sie sich am besten. Im Winter bekommt man sie daher kaum zu Gesicht und auch bei extrem heißen Temperaturen schwächeln sie.

Wieso Forscher die kleinen Tiere lieben

Von der Wissenschaft wird die Fruchtfliege seit über hundert Jahren als perfekter Modellorganismus verehrt. 1907 erstellte Thomas Morgan durch Kreuzungsversuche mit dem kleinen Insekt die ersten Genkarten. Seitdem hat Drosophila melanogaster vielen Forschergruppen zu wichtigen Erkenntnissen verholfen, fünf davon sogar zu einem Nobelpreis. "Sie hat einen sehr kurzen Generationszyklus und ist einfach zu halten", sagt Axel Imhof. Der Molekularbiologe untersucht an der Ludwig- Maximilians-Universität in München mit Hilfe der Fruchtfliege die Struktur des Erbmaterials. Sie sei dafür sehr praktisch. Die Gene der kleinen Tiere lassen sich leicht verändern und anschließend sieht man schnell, welche Auswirkungen der Eingriff hat. Im Gegensatz zu Pflanzen, mit denen früher in dem Bereich gearbeitet wurde, seien viele Gene der Fliege denen des Menschen sehr ähnlich. So könne man oft Rückschlüsse ziehen, beispielsweise bei der Entwicklung von Geweben. US-amerikanische Chronobiologen, die Nobelpreisträger von 2017, entschlüsselten mit Hilfe der kleinen Fliege die molekulare Funktionsweise der inneren Uhr.

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Deshalb vermehren sie sich so schnell

Ein Fruchtfliegen-Weibchen kann bis zu 400 Eier auf einmal ablegen. Daraus entstehen innerhalb von ein bis zwei Wochen neue Fliegen, die bis zu einem Monat überleben. Selbst wieder Eier legen können sie aber bereits nach zwei Tagen. In der Forschung sehr praktisch, im Alltag weniger: Tut man nichts, bevölkern bald Tausende der kleinen Nervensägen die Wohnung. Schädlich seien die schwarzen Schwärme zwar nicht, betont Axel Imhof, doch störend allemal. Und sehr geheuer ist der Gedanke nicht, womöglich unbemerkt Eier, Larven oder Fliegen zu essen. Krankheiten übertragen sie aber im Unterschied zu vielen anderen Fliegenarten nicht.

Wie man Fruchtfliegen vermeidet

Vorbeugung ist die wichtigste Strategie gegen Fruchtfliegen. Die winzigen Eier befinden sich meist schon auf dem Obst oder Gemüse, wenn man es kauft. Daher sollte man dieses daheim sofort gründlich waschen, um die Eier zu entfernen, und die Früchte immer sorgfältig auf Druckstellen oder offene Bereiche untersuchen. Wenn möglich, lagert man alles im Kühlschrank, oder aber in Papiertüten, abgedeckt unter einer Netzhaube oder einem Tuch. Alles, was offen herumsteht und Reste von Essen oder Getränken enthält, lockt die Fliegen an, vom Honigglas bis zu benutztem Geschirr. Deshalb ist es auch wichtig, Schneidebretter und Messer nach dem Gebrauch sofort zu waschen und häufig zu lüften, um Gerüche zu entfernen.

Altglas, Konserven und jede andere Art von Müll sollte man entweder gut verschlossen aufbewahren oder gleich entsorgen. Denn gerade bei heißem Wetter gärt dieser sehr schnell und wird zu einem idealen Brutplatz. Auch im Garten kann man vorsorgen. Reife Früchte an Bäumen und Sträuchern können Fruchtfliegen in großer Zahl anlocken, die dann auch gerne durchs Fenster nach drinnen fliegen, um dort nach weiterem Futter zu suchen. Am besten erntet man rechtzeitig und achtet darauf, dass kein faulendes Fallobst herumliegt. Ein oft übersehener Ort zum Brüten ist auch der Abfluss, in dem Essensreste hängen können. Regelmäßiges Reinigen und Durchspülen mit kochendem Wasser beugen hier vor.

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Und so kann man sie los werden

Entdeckt man die kleinen Fliegen, gilt es schnell zu handeln, damit sie sich nicht noch weiter vermehren. Der erste Reflex ist meist, sie einzusaugen. Je nach Gerät und dessen Inhalt kann das allerdings auch dazu führen, dass die Insekten sich im Saugerbeutel fröhlich vermehren und eventuell wieder hinauskrabbeln. Besser ist es, sie gezielt mit einem Köder anzulocken und entweder tot oder lebendig zu entsorgen. Dafür muss man keine Klebefallen kaufen, sondern kann auf Hausmittel zurückgreifen: Obstessig, Fruchtsaft, Wein oder überreife Früchte eignen sich hierfür. Im Labor von Axel Imhof werden die Fliegen beispielsweise mit einer Mischung aus Hefe und Apfelsaft gefüttert. Bedeckt man eine Schale des Köders mit Frischhaltefolie, die man mit einer Gabel durchlöchert, können die Fliegen zwar hineinkrabbeln, kommen aber nicht wieder hinaus.

Statt der Folienabdeckung kann auch ein Tropfen Spülmittel in der Lockflüssigkeit die Tiere in dieser gefangen halten, da so die Oberflächenspannung zerstört wird. Ein bisschen Geduld braucht es für die Fallen allerdings schon, da aus noch übrigen Larven nach ein paar Tagen Fliegen schlüpfen können. Weniger stark riechende und dabei sogar tödliche Köder sollen in Wasser aufgelöste Gebissreiniger-Tabletten oder der Süßstoff Erythrit sein. Rein biologisch geht es aber auch. Die Fleisch fressende Pflanze Fettkraut dezimiert die Plagegeister effektiv.

Axel Imhof versucht zwar für seine Fliegen im Labor eher herauszufinden, wie sie besonders gut überleben. Zu einem kleinen Tipp, wie man sie wieder loswird, kann er sich aber doch durchringen: "Am häufigsten sterben sie bei uns durch Verhungern", sagt er - und empfiehlt daher ganz simpel, Obst und Gemüse schnell aufzuessen, bevor die Fruchtfliegen es tun können. Ohne Nahrungsquelle verschwinden sie dann bald.

Genetik, Warum wir die Fruchtfliege schätzen lernen sollten (Video: Süddeutsche Zeitung)
© SZ vom 17.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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