Süddeutsche Zeitung

Freundschaft zwischen den Geschlechtern:Freund und Leid

Lesezeit: 1 min

Kann es dauerhaft platonische Freundschaften zwischen Männern und Frauen geben? Die Frage ist so alt wie ungeklärt. Nun konnten Wissenschaftler erhellen, was in den Köpfen derer vorgeht, die angeblich nur befreundet sind.

Juliette Irmer

Spätestens seit der Liebeskomödie "Harry und Sally" wird diskutiert, ob es zwischengeschlechtliche Freundschaften geben kann. Und wenn sie existieren: Bedeuten sie eher Lust oder Last? Dieser Frage gingen Forscher um April Bleske-Rechek von der Universität von Wisconsin-Eau Claire nach ( Journal of Social and Personal Relationship). Sie untersuchten dazu die Freundschaften zwischen mehr als 400 Männern und Frauen im Alter von 18 bis 52 Jahren.

In einer ersten Befragung sollten 88 befreundete Paare getrennt voneinander und anonym die Anziehungskraft in ihrer Freundschaft beurteilen. Außerdem sollten die Probanden angeben, ob sie sich ein romantisches Rendezvous mit dem anderen vorstellen könnten.

Das Ergebnis: "In den meisten Fällen existierte wenigstens ein Minimum an Anziehung zwischen den Männern und Frauen, selbst wenn beide beteuert hatten, dass ihre Freundschaft rein platonisch sei", sagt die Studienleiterin. Vor allem die Männer fühlten sich von ihren Freundinnen angezogen und zeigten sich von dem Gedanken an ein mögliches Tête-à-Tête sehr angetan.

Die Freundinnen waren weniger begeistert. "Männer sind darauf programmiert, sich keine sexuelle Gelegenheit entgehen zu lassen", sagt Bleske-Rechek. Frauen hingegen seien wählerischer. Dahinter stecke eine evolutionsbiologische Annahme: Ein Mann, der mit 20 Frauen schläft, produziert sehr wahrscheinlich mehr Nachkommen als ein Mann, der nur mit einer Frau schläft. Eine Frau hingegen, die mit 20 Männern schläft, wird nicht unbedingt mehr Babys gebären als eine Frau mit nur einem Sexpartner.

Die Teilnehmer der zweiten Befragung waren ebenfalls mit einer Person des anderen Geschlechts befreundet, befanden sich aber zudem in einer festen Partnerschaft. Die Probanden sollten die Vor- und die Nachteile einer zwischengeschlechtlichen Freundschaft aufzählen sowie die eigene Liebesbeziehung analysieren. Dabei zählten alle Befragten mehr Vor- als Nachteile auf. Männer wie Frauen schätzten besonders den "Einblick in die Gedankenwelt des anderen Geschlechts".

Allerdings empfanden viele Teilnehmer die Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern als eher hinderlich für eine Freundschaft. Die Psychologen erkannten zudem folgenden Zusammenhang: Je stärker sich die Probanden von dem Freund oder der Freundin angezogen fühlten, desto unzufriedener waren sie in ihrer eigenen Partnerschaft.

Unklar ist hierbei aber noch, was Ursache und was Wirkung ist. "Entweder übt die Anziehungskraft eines Dritten einen schlechten Einfluss auf die bestehende Partnerschaft aus", sagt Bleske-Rechek. "Oder aber Menschen in einer unglücklichen Partnerschaft schauen sich nach einem anderen potenziellen Partner um."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1371652
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.05.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.