Fremdenfeindlichkeit:Die Wurzeln der Angst

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Niqab oder Burka irritierren viele, die nicht an den Anblick verschleierter Frauen gewöhnt sind

(Foto: AFP)

Früher wirkte eine verschleierte Frau in Deutschland vor allem exotisch - heute fühlen sich viele beim Anblick solcher Symbole des muslimischen Glaubens bedroht. Unser Autor hat sich auf die Suche nach den Wurzeln von Fremdenangst und Islamophobie gemacht.

Markus C. Schulte von Drach

Sie zieht die Blicke auf sich, obwohl sie sie eigentlich abwehren will: Von Kopf bis Fuß verschleiert steigt die Frau in die S-Bahn, selbst die Hände stecken in Handschuhen. Nur ein schmaler Schlitz lässt die Augenpartie frei und verrät eine afrikanische Herkunft.

Nichts an dieser gläubigen Muslimin wirkt bedrohlich, und doch bin ich für eine Sekunde irritiert, spüre gar ein Unbehagen. Natürlich glaube ich nicht, dass diese Frau einen Sprengstoffgürtel trägt. Trotzdem ist da dieses Gefühl, ein erster, subtiler Hinweis auf Fremdenangst. Bin ich tief im Inneren doch islamfeindlich? Gehöre ich zu jener knappen Hälfte der deutschen Bevölkerung, die einer Umfrage der Universität Bielefeld zufolge meint, es gebe zu viele Muslime in Deutschland, und dass der Islam eine Religion der Intoleranz ist?

Tatsache ist, dass ich mich nicht daran erinnern kann, vor dem 11. September 2001 verschleierte Frauen, türkischen Mädchen mit Kopftüchern und vollbärtige Araber anders als ungewöhnlich, als - Entschuldigung - exotisch betrachtet zu haben. Dann kamen die Anschläge islamistischer Terroristen in den USA, die Bomben in den Vorortzügen von Madrid, die Diskussion um Kopftücher als Symbole für den Islam, die Terroristen aus dem Sauerland, die Sarrazin-Debatte.

Natürlich ist die Assoziation zwischen Burka und Bomben so platt, dass mein Verstand ihr nicht mehr gibt als eine Sekunde, um sich wieder zu verflüchtigen. Und doch ... in meinem Unterbewusstsein lauern inzwischen offenbar Vorurteile darauf, wenigstens kurzzeitig an die Oberfläche zu drängen. Und wie die Umfrageergebnisse zeigen, bin ich damit sicher nicht allein.

Wieso ist das so? Wo kommen diese Vorurteile her, und die Fremdenangst, die sich in meinem Unbehagen angesichts der verschleierten Frau bemerkbar macht? Ich mache mich auf die Suche nach Experten, die mir helfen können, meine eigene Reaktion zu verstehen.

Beate Küpper arbeitet am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Das Institut ist bekannt für seine Studien zu Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Islamophobie.

"Wir Menschen kategorisieren unsere Umwelt. Unser Gehirn kann gar nicht anders", erklärt mir die Sozialpsychologin."Wir kategorisieren auch Menschen anhand von bestimmten Eigenschaften als Mitglieder von Gruppen." Solche Gruppen können völlig unterschiedlich definiert werden. Muslime, Juden, Deutsche, Frauen, Schwule, Anhänger von Schalke 04.

"Jene, die man diesen Gruppen zuordnet, müssen sich diesen selbst gar nicht zugehörig fühlen. Es reicht, wenn ich selbst glaube, jemand gehört einer Gruppe an", stellt Küpper fest. "In Deutschland etwa werden Menschen mit schwarzer Hautfarbe häufig noch immer nicht als Deutsche, sondern als Ausländer wahrgenommen. Da können die Leute auch hier geboren sein und sich noch so sehr integrieren."

Die Kategorien sind häufig mit bestimmten Stereotypen verbunden, mit Vorurteilen. Die machen es uns einfacher, in einer komplexen Welt zurechtzukommen. Manchmal machen sie es uns allerdings auch zu einfach. "Und leider gehen Vorurteile oft mit negativen Bewertungen von Menschen allein aufgrund ihrer zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit einher", stellt Küppers fest. "Das macht Vorurteile so hässlich und zementiert Ungleichwertigkeiten."

Dazu kommt, dass wir bevorzugt Informationen aufnehmen, die zu unserer vorgefassten Meinung passen. Das macht es so schwierig, Vorurteile abzubauen. Vor allem dann, wenn wir uns auch noch mit anderen Problemen beschäftigen müssen: "Gerade dann geht unser Gehirn den einfachen Weg und nutzt die altbekannten Stereotypen bei der Bewertung der Gruppenmitglieder", beschreibt Küpper die Arbeit unseres Denkorgans. Dazu kommt, dass wir Vorurteile häufig von Eltern oder anderen Bezugspersonen übernehmen, auf die wir uns normalweise verlassen.

Überhaupt sind viele der Kategorien, in die wir die Menschen einordnen, sozial gemacht. Gerade am Beispiel der Muslime lässt sich das zeigen. Die gleichen Menschen, die vor vierzig, fünfzig Jahren vor allem aus der Türkei nach Deutschland kamen, wurden als Gastarbeiter kategorisiert. Anfang der neunziger Jahre waren es dann Ausländer und Asylanten, und seit dem 11. September werden diese plötzlich alle als Muslime bezeichnet. "Dabei handelt es sich immer noch überwiegend um türkische Einwanderer und ihre Kinder.

Die Kategorien entstehen aus dem Zeitgeist heraus, entsprechend dem, was uns gerade auffällt und interessiert oder auf das die Medien die Aufmerksamkeit lenken", erklärt die Expertin von der Uni Bielefeld. Deshalb ist es für Muslime oder Menschen türkischer Herkunft so schwer, der alteingesessenen Mehrheit klarzumachen, dass sie nicht alle extrem religiös, radikal und gefährlich sind.

Warum aber ordnen wir Gruppen immer negative Eigenschaften zu? Ich frage nach bei Susanne Lin-Klitzing, Professorin an der Philipps-Universität Marburg. "Das tun wir nicht immer", widerspricht mir die Pädagogin. "Wir nehmen auch positive Eigenschaften wahr. Allerdings eher in den eigenen Gruppen, und negative in den Fremdgruppen." Dass wir Gruppen überhaupt unterscheiden, ist im Prinzip auch nicht das Problem. Dazu wird es dann, wenn Eigeninteressen der Mitglieder einer Gruppe in Widerspruch zu denen einer anderen Gruppe zu stehen scheinen. Wenn wir Angst haben - Angst vor Konkurrenz und Verlust.

"Die klassische Sündenbockfunktion"

"Je niedriger das Einkommen, desto höher die Vorurteile", weiß Beate Küpper aus eigenen Studien. "Allerdings geht es nicht um reale Konkurrenz, sondern vor allem um eine eingebildete: 'Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg, die Wohnungen, die Frauen ...' Dabei gibt es diese Konkurrenz in der Realität so gut wie nicht."

Ich frage ich mich, wieso es dann vor allem Vertreter der Mittelschicht sind, die sich für die Thesen Thilo Sarrazins begeistern. Sollte seine Warnung vor der angeblichen Bedrohung Deutschlands durch die Muslime nicht eher die sozialen Randgruppen ansprechen, die Hartz-IV-Empfänger? Doch bevor ich meine Einwände aussprechen kann, klärt mich die Sozialpsychologin auf: "Gerade bei der Islamfeindlichkeit gab es von 2009 auf 2010 einen Anstieg bei jenen, denen es eigentlich gutgeht. Die haben während der Finanzkrise bemerkt, dass auch sie bedroht sein können."

Allerdings versuchen sie nun nicht, sich gegen die Banker zu wehren. Banker, dabei denkt man an die Ackermänner, Koppers und ihre Peanuts, an Menschen, die mit riesigen Geldmengen jonglieren, die an den Schalthebeln der Macht über die Normalsterblichen sitzen, schon weil sie mir meine Kredite kürzen können. Stattdessen suchen sich die verängstigten Bürger eine Gruppe, in die ein Bedrohungspotential projiziert werden kann. Dabei weiß jeder, dass Muslime nichts mit schrumpfenden Aktienpaketen zu tun haben.

Es geht darum, dass man sich gegen diese schwächere Gruppe tatsächlich wehren zu können glaubt. Sie erfüllt die klassische Sündenbockfunktion. "Und wenn eine Gruppe erst mal als bedrohlich wahrgenommen wird, werden wir anfällig dafür, ihr weitere schlechte Eigenschaften zuzuschreiben", sagt Pädagogin Lin-Klitzing. "Es ist also nicht einfach nur die Ethnie oder die Religion allein, die eine Rolle bei Konflikten spielen. Die entsprechenden Begleitumstände sind äußerst wichtig."

Lin-Klitzing weist mich auf einen weiteren bedeutsamen Faktor hin: "Vorurteile kann man für die eigenen Interessen ausnutzen. Sie lassen sich radikalisieren, bis Feindbilder entstehen."

Schließlich, fügt Beate Küpper hinzu, "geht es auch ganz stark um Macht". Mit den Muslimen zum Beispiel gebe es gegenwärtig eine Gruppe, der gegenüber sich auch der kleine Mann groß fühlen kann. "Menschen, die als fremd und anders, sogar als minderwertig dargestellt und wahrgenommen werden, denen gegenüber kann man sich überlegen, mächtiger, besser fühlen - auch wenn man selbst am untersten Ende der sozialen Leiter steht." Diese Tatsache, und die Angst, die sich schüren lässt, wissen Populisten zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen.

Teil des Problems ist, dass wir auch selbst das Bedürfnis verspüren, Gruppen zuzugehören. "Das gehört offenbar zu unserer menschlichen Identität", erklärt Lin-Klitzing. "Zu einer Gruppe zu gehören, deren Mitglieder Sie anerkennen, stärkt Ihr Selbstwertgefühl." Je nachdem, welche Identität, welches Bild von mir selbst und anderen ich also entwickle, schließe ich mich bestimmten Gruppen an.

Und gerade wenn Teile der Gesellschaft meine Eigenschaften und Vorlieben nicht teilen, sondern ablehnen und mich nicht als vollwertiges Mitglied akzeptieren, wächst die Tendenz verständlicherweise noch, mich mit ähnlichen Menschen zusammenzuschließen. Kein Wunder also, wenn manche Ausländer in Deutschland noch immer dazu neigen, unter sich zu bleiben.

Steigt aber mein Selbstwertgefühl, weil ich einer Gruppe angehöre, dann liegt es nahe, dass es weiter zunimmt, wenn ich meine Gruppe als anderen Gruppen überlegen betrachte. Überlegenheit, so hat mir Beate Küpper erklärt, gewinne ich auch dadurch, dass ich die anderen schlechtmache. Von hier ausgehend kann ich mir die weitere Eskalation gut vorstellen: Sind die Gruppen groß und werden die Eigenschaften der anderen als schlecht und gefährlich genug wahrgenommen, kann es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen, zu Kriegen, Bürgerkriegen, Terroranschlägen.

Aber gibt es nicht noch eine tiefere Ebene, auf der sich erklären lässt, wieso wir zu Vorurteilen neigen, uns gerne zusammenrotten und uns von anderen abgrenzen? Wieso schon ein Kleidungsstück wie die Burka bei mir dieses Unbehagen hervorruft? Aus welchen Gründen hat der Trockennasenaffe Mensch aus der Ordnung der Primaten dieses Verhalten im evolutionären Prozess entwickelt, das so häufig in Leid und Gewalt mündet? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Soziobiologie. Ich wende mich deshalb an Eckart Voland.

"Nur wer das Richtige glaubt oder trägt, gehört dazu"

"Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir in der modernen Welt mühsam erreichen, was zu prähistorischen Zeiten keine gelebte Praxis war: anderen Menschen neutral zu begegnen", erklärt der Bioethiker und Verhaltensökologe von der Universität Gießen. "Andere waren entweder Freund oder potentieller Feind. Außerdem haben unsere Vorfahren nicht wie wir in großen Gesellschaften gelebt, sondern in Kleingruppen, die zueinander in Konkurrenz um bessere Lebensmöglichkeiten, um begrenzte Ressourcen standen."

In dieser Zeit, so Voland, habe der Mensch die Fähigkeit, Unterschiede wahrzunehmen, so weit entwickelt, dass er gar nicht mehr anders kann, als es ständig zu tun. "Wir können lernen, Unterschiede gemäßigt zu interpretieren. Aber wir können sie nicht übersehen." Zumal die Menschen auch noch über eine ganze Reihe von Signalen verfügen, die sich zwar von Kultur zu Kultur unterscheiden, aber nur die Aufgabe haben, die Festlegung "fremd" oder "einer von uns" zu erleichtern.

"Das geht los mit Fragen des Outfits", erklärt der Biologe. "Ganz entscheidend ist auch die sprachliche Unterscheidung. Wir haben zum Beispiel eine ungeheure Ausdifferenzierung der Sprache in Dialekte, die nicht wirklich funktional erscheint - außer man möchte gleich erkennen, ob jemand aus Ober- oder aus Unterammergau kommt."

Weitere Kennzeichen können Merkmale ethnischer, nationaler, regionaler und - wie Kopftuch und Burka - religiöser Zugehörigkeit sein, aber auch Vereinsfarben oder Symbole verschiedenster Subkulturen von Jugendlichen. "Nur wer das Richtige glaubt oder trägt, gehört dazu." Das, so weiß ich aufgrund eigener Erfahrungen, fängt schon in der Schule an. Und man findet es sogar zwischen Wissenschaftlern mit unterschiedlicher Denktradition, erklärt mit Voland. "Solche Gruppen können auch spontan entstehen, schon bei Menschen, die sich in einem Fahrstuhl begegnen."

Das erinnert mich an ein Beispiel der Sozialpsychologin Beate Küpper: "Sogar die willkürliche Einteilung von Menschen in einem Seminarraum in Zitronen und Apfelsinen führt dazu, dass die Beteiligten eine Gruppenidentität entwickeln und das jeweils andere Obst nicht mehr so mögen."

Warum aber unterscheiden wir gleich nach dem Freund-Feind-Schema? "Diese Festlegung wird natürlich immer wieder neu ausgelotet und neu verhandelt, je nach Lebenssituation", erklärt mir der Soziobiologe. Aber evolutionär gesehen war es ein Vorteil, Fremde eher zu Unrecht als gefährlich zu betrachten, als das Risiko zu unterschätzen. Das leuchtet ein: Auf der Hut zu sein, kostet Nerven, aber Vertrauensseligkeit kann das Leben kosten. Deshalb nehmen wir eine potentielle Bedrohung besonders intensiv - sogar übertrieben - wahr. Fachleute sprechen auch vom "Rauchmelderprinzip".

"Diese Strategie wenden wir ständig an, und meist ohne schlimme Folgen. Aber sie führt uns eben immer wieder in die Irre", stellt Voland fest. "Es sind eben nicht die Burkaträgerinnen, die Gewalt ausüben. Es geht um die Bewertung, nicht die Wahrnehmung von Unterschieden."

Wieso aber war es für uns Menschen offenbar so bedeutsam, eine Gruppenidentität oder gar eine Gruppenmoral zu entwickeln? "Die Unterscheidung zwischen 'fremd' und 'vertraut' ist evolutionär gesehen wichtig", erklärt Voland. "Kooperation hat eine große Bedeutung für Menschen." Sie kann das Leben erleichtern und bietet Vorteile gegenüber anderen, die nicht kooperieren. "Aber sie entsteht nicht spontan. Die Beteiligten müssen sich vertrauen können. Das lernen sie normalerweise über eine Reihe von Interaktionen." Und die gibt es eher innerhalb einer Gruppe. Deshalb vertrauen wir eher Angehörigen unserer Gruppe. "Bei der Wahrnehmung von Fremden dagegen gehört das Misstrauen gewissermaßen grundsätzlich dazu."

Da Gruppen häufig zu groß sind, als dass alle persönliche Erfahrungen miteinander gemacht haben, kann die Zugehörigkeit auch über Symbole oder Verhaltensweisen demonstriert werden. Das also soll die Burka mir demonstrieren: Die Frau darunter nimmt ihren Glauben sehr ernst, und andere Gläubige können ihr als Mitglieder der gleichen Gruppe vertrauen. Die Trägerin betont aber - ob sie das nun will oder nicht: Ich als Nichtmuslim gehöre nicht zu dieser Gruppe.

Nicht zur Fremdenfeindlichkeit verdammt

Was Voland beschreibt, sind die evolutionären Hintergründe. Aber "das sagt nichts darüber aus, ob das gut oder schlecht ist", betont er. Und wir sind natürlich nicht dazu verdammt, unsere Neigung zu negativen Vorurteilen und Fremdenangst nachzugeben. Das zeigt die Erfahrung deutlich. Noch Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg betrachtete mein Großvater die Franzosen als Erzfeinde - seine Kinder und Enkel sprechen heute von der deutsch-französischen Freundschaft.

Verschiedene Gruppen, die in Deutschland lange Zeit stark diskriminiert wurden, haben es in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, teilweise oder weitgehende Gleichberechtigung zu erstreiten - Frauen, Homosexuelle, Behinderte. "Vielleicht", hofft Beate Küpper, "kommt das bei den Muslimen auch noch."

Um Vorurteilen vorzubeugen, sollte das, was man über ihre Entstehung weiß, bereits in der Schule und der Erziehung thematisiert werden, empfiehlt die Pädagogin Susanne Lin-Klitzing. Die Menschen müssen Gelegenheit haben, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln, das nicht zu stark von Gruppen abhängt. Sie sollten die Erfahrung machen, wie unterschiedliche Menschen sich gegenseitig helfen können.

Das Ziel sollte nicht sein, keine Unterschiede mehr wahrzunehmen oder sich keinen Gruppen anzuschließen. Das wird sowieso nicht gelingen. Aber je mehr Informationen wir über "Fremde" erhalten, je mehr Kontakte hergestellt werden, je mehr gemeinsame Ziele entwickelt werden können, desto eher lassen sich Vorurteile und Fremdenangst überwinden.

Ein (historischer) Vergleich der christlichen und der islamischen Religion zum Beispiel würde manchen Islamkritiker vermutlich überraschen. Kopftücher tragen nicht nur Muslima. Auch christliche Frauen sind seit dem Apostel Paulus gehalten, zumindest während des Gebets und des Gottesdienstes ihr Haupt zu verhüllen. Früher wurde dieses Gebot in Deutschland befolgt, heute halten sich in Ost- und Südeuropa noch immer viele daran.

Meine Gefühle gegenüber der Burkaträgerin in der S-Bahn, so mein Fazit, sind weder ungewöhnlich, noch besorgniserregend. Vermutlich lässt sich meine latent vorhandene, gewöhnliche Fremdenangst aufgrund der Terroranschläge von Islamisten über starke Symbole des Islam leichter aktivieren.

Doch solange ich mir der Ursachen bewusst bin, und solange ich die Frau nicht als mutmaßliche Attentäterin betrachte, hat dieser Vorgang sogar etwas Gutes: Er schärft meine Aufmerksamkeit gegenüber einer Gefahr, der wir uns aufgrund unseres evolutionären und kulturellen Erbes gegenseitig aussetzen: Der Anfälligkeit für Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus. Es ist eine Gefahr, der wir nicht hilflos ausgeliefert sind.

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