Erreicht er dann Tiefen, in denen es ihm unmöglich ist, aus eigener Kraft den Druck auszugleichen, saugt er aus der Flasche die Luft zurück in seine Nebenhöhlen. Dass Herbert Nitsch in 214 Meter überhaupt noch Luft hat, liegt am hohen Partialdruck der Atemgase. Auch der nimmt Meter für Meter zu.
Je tiefer Nitsch taucht, desto mehr Sauerstoff wird aus den Lungenbläschen in das Blut gepresst. "Es klingt paradox, aber der Taucher badet förmlich in Sauerstoff", sagt Peter Radermacher, Anästhesist und Tauchmediziner am Uniklinikum Ulm. Zusätzlich gelangt auch vermehrt Stickstoff in die Blutbahn.
Unter hohem Druck wirkt das Gas narkotisierend. Ein Umstand, den die Wissenschaftler für den sogenannten Tiefenrausch verantwortlich machen. Benjamin Franz beschreibt diesen Zustand mit einem starken Gefühl der Euphorie. "Man fühlt sich frei und absolut unbeschwert." Die Sinnestäuschung sei mit einem Alkoholrausch ohne Kater danach zu vergleichen. "Alle 15 Meter entsprechen ungefähr einem Glas Martini", sagt Radermacher.
Was genau im Körper der Apnoetaucher in über 200 Meter Tiefe passiert, können die Mediziner aber nicht mit Gewissheit sagen. "Wir wissen nur recht wenig über die physiologischen Veränderungen des Körpers in diesen großen Tiefen, da wir das experimentell schlecht simulieren können", sagt Kay Tetzlaff, Mediziner und Mitglied der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin.
Natürlich ist No-Limit-Tauchen mit sehr hohen Risiken verbunden
"Es ist unmöglich, einem Taucher 214 Meter unter der Wasseroberfläche Blut abzunehmen", sagt Urs Braumandl, ärztlicher Leiter des Instituts für Überdruckmedizin in Regensburg. Viele Erklärungen basieren nur auf theoretischen Modellen. Auch über langfristige mögliche Folgeschäden können die Wissenschaftler nichts Konkretes sagen. Es fehlen die Erfahrungswerte.
Die schwierigste Phase beim Tieftauchen aber ist nicht das Ab-, sondern das Auftauchen. 98 Prozent der Unfälle von Apnoetauchern ereignen sich auf den letzten zwei Metern. Sobald der Taucher den tiefsten Punkt erreicht hat, lässt er sich mit einem mit Pressluft gefüllten Ballon nach oben ziehen.
Nitsch verwendet einen selbst konstruierten Auftriebskörper, der ihn auf bis zu vier Meter pro Sekunde beschleunigt. Mit jedem Höhenmeter nehmen die Lungen an Volumen zu und die Partialdrücke der Atemgase rapide ab. Auf den letzten zehn Metern halbiert sich der Druck.
Taucht der Athlet mit zu hoher Geschwindigkeit auf, wird der Sauerstoffteildruck schnell so niedrig, dass die Sauerstoffversorgung des Gehirns zusammenbricht. Der Taucher wird ohnmächtig. "Ich kenne keinen Apnoetaucher, dem das noch nicht passiert ist", sagt Nitsch.