Süddeutsche Zeitung

Freitag, der 13.:Achtung: Schicksalstag

Was auch immer heute schiefgeht - die Ursache ist schon klar: Es liegt an Freitag, dem 13. Aber bringt jeder Freitag, der auch noch der 13. ist, tatsächlich Unglück?

Christopher Schrader

Ein Freitagabend auf dem Londoner Flughafen Heathrow: Die letzte Maschine nach München ist komplett ausgebucht, die letzten Passagiere schieben sich durch den Gang. Über dem Flügel links am Fenster links sitzt ein Mann in dunkelgrauen Anzug, erschöpft von der Woche.

Er hat sein Handgepäck unter den Vordersitz gezwängt, weil alle Fächer oben voll waren. "14F" steht auf seiner Bordkarte. Er hat beim Einsteigen die Reihen bis zur 12 gezählt und sich dann zwei Reihen weiter hingesetzt. Plötzlich wird er von einem anderen, blaugewandeten Anzugträger rüde angesprochen, der im Gang steht: Das ist mein Platz.

Kann gar nicht sein, denkt und sagt der Sitzende, ich habe doch 14F. Das ist eine Reihe vor Ihnen, raunzt der Stehende. Sie sitzen auf 15F. Tatsächlich, wie der Sitzende nun peinlich berührt feststellt, gilt in vielen Flugzeugen die Gleichung 12+2=14 nicht, weil sie keine Reihe 13 besitzen. Er sitzt tatsächlich falsch.

Zerknirscht bittet er den Stehenden, ob sie nicht die Plätze tauschen könnten. Der stimmt mit einem Grummeln zu - und rächt sich während des Fluges, indem er seine Sitzlehne so weit nach hinten klappt wie möglich.

Womöglich war diese Begegnung in der Maschine bereits eines der schwersten Unglücke, die nachweislich durch die Kombination der Zahl 13 mit einem Freitag ausgelöst wurden. Dennoch gilt gerade ein Freitag, der 13. als Unglückstag. Eheschließungen und andere wichtige Ereignisse sollte man nicht auf einen solchen Tag legen, meinen viele.

Eine vielzitierte Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach scheint zu bestätigen, wie verbreitet die Bedenken sind. Demnach fürchtet sich jeder elfte Deutsche vor dem Tag. Andere Quellen sprechen gar von jedem vierten.

Erst die Nachfrage im Institut zeigt, dass die Demoskopen im Jahr 2000 unter dem Stichwort Aberglauben zwar nach Freitagen und der Zahl 13 gefragt haben, aber nicht nach Freitag, dem 13. Mit der dadurch geweckten Skepsis sollte man auch andere Veröffentlichungen zu dem Thema betrachten.

So meldete die Kaufmännische Krankenkasse vor zwei Jahren, als der 13. März ein Freitag war, der Krankenstand an solchen Tagen liege drei- bis fünfmal so hoch wie an normalen Freitagen. "Viele Menschen verschieben an einem solchen Freitag Reisen und Geschäfte oder trauen sich erst gar nicht aus dem Haus", erklärte dazu der Gesundheitsexperte der Kasse, Joachim Rangen. Und an diesem Tag, fragen sich heute Eltern in Bayern, schreiben die Schüler des ersten G8-Jahrgangs ihre erste Abiturklausur?

Die umgekehrte Aussage scheint eine Analyse der Zürich-Versicherung zu enthalten, die sie vor einigen Tagen veröffentlicht hat. Demnach passieren an Freitagen im Mittel zwar mehr Schäden als an anderen Wochentagen, aber wenn sie auf den 13. fallen, geschieht etwas weniger als an von Samstag bis Donnerstag. In Zahlen: An "normalen" Tagen sind 2150 Schäden zu registrieren, an Freitagen zehn Prozent mehr, an 13er-Freitagen aber nur 2100. "Die Zahlen sprechen für sich", sagt Vorstandsmitglied Rüdiger Hackhausen, "ein Freitag, der 13. ist aus statistischer Sicht wahrlich kein Unglückstag."

Allerdings stammen die Daten der Zürich-Versicherer nur aus den Jahren 2009 und 2010 mit vier angeblichen Unglückstagen. Ein ähnliches Problem plagt die Auswertung der KKH zu den Krankmeldungen; sie basiert auf fünf Beispielen aus den Jahren 2006 bis 2008. So lange nicht 13er-Freitage aus allen Monaten in der Auswertung sind, können alle möglichen Störfaktoren die Resultate verfälschen.

Derart skeptisch gestimmt verblüfft die These eines Physikprofessor von der Fachhochschule Aachen umso mehr. Er vertritt seit Jahren die These, an Freitagen, die auf den 13. fallen, passierten mehr Unglücke - allerdings mit einem Augenzwinkern. "Es gibt einfach mehr davon", sagt Heinrich Hemme. Er hat ausgezählt, was während eines 400-jährigen Schaltjahrzyklus passiert.

Die dreistufige Regel der Schaltjahre führt dazu, dass sich die Wochentage alle 400 Jahre genau wiederholen. Zur Erinnerung: Ein Jahr ist um den 29. Februar länger, wenn die Jahreszahl ohne Rest durch 4 zu teilen ist, aber nicht wenn sie ein Vielfaches von 100 ist, es sei denn sie sei auch durch 400 zu dividieren.

Die 146.097 Tage eines solchen Zyklus machen genau 20.871 Wochen aus, so dass der 1. Januar in den Jahren 1600 und 2000 auf einen Samstag fiel. Hemme musste also nur einen Zyklus von 400 aufeinanderfolgenden Jahren betrachten, dessen Anfang er auch noch frei wählen konnte. In diesem Zeitraum gibt es genau 688 Freitage, den 13., aber nur zwischen 684 und 687 andere Wochentage, die auf den 13. fallen.

Die Betrachtung des Kalenders zeigt außerdem, dass jedes Jahr mindestens einen und höchstens drei Freitage, den 13. besitzt. Die höchste Zahl gibt es, wenn der Januar in einem Schaltjahr oder der Februar in einem normalen Jahr auf den 13. fällt. Weist hingegen ein Jahr nur einen solchen Tag auf, kann er nur im Mai, wie in diesem Jahr, im Juni, August oder Oktober liegen.

Der kürzeste Abstand zwischen zwei 13er-Freitagen kann 27 Tage betragen (Februar und März in einem normalen Jahr), der längste 426 Tage (beginnend an einem 13. August oder 13. Juli, je nachdem, ob das Folgejahr ein Schaltjahr ist oder nicht). Und schließlich kann ein Freitag, der 13. sowohl auf Vollmond fallen, als auch auf Karfreitag, um im Volksglauben das Unglück zu potenzieren.

Doch zurück zu Unfallstatistik. "Wenn wir also annehmen, dass Unglücke an jedem Tag mit gleicher Wahrscheinlichkeit passieren, dann sind sie am Freitag dem 13. in der Tat häufiger als an anderen 13.", sagt Hemme. "Es gibt ja in jeweils 400 Jahren einen bis vier mehr davon." Hemme gibt aber zu, dass es Zufall ist, dass der Freitag einen Vorsprung bei den 13. Tagen der Monate hat. "Die Folge der Wochentage ist seit 2500 Jahren ungestört", sagt Hemme.

Auch Papst Gregor habe bei seiner Kalenderreform 1582 auf Donnerstag, den 4. Oktober, Freitag, den 15. Oktober folgen lassen. Hätte der Heilige Vater damals verkündet, der 15. solle ein Montag sein, wofür auch einiges gesprochen hätte, dann wäre heute auch der Montag der häufigste 13. Tag eines Monats. "Dass es der Freitag ist, ist also reiner Zufall", sagt Hemme.

Dem Aberglauben aber passt die Kombination von Freitag und der 13 gut. In vielen europäischen Kulturen genießt die zwölf besonderes Ansehen: Götterräte haben zwölf Mitglieder, Jesus so viele Jünger, das Jahr so viele Monate, zu Dornröschens Taufe wurden zwölf gute Feen eingeladen. Die 13 hingegen liegt dazu verquer.

Und der Freitag als Tag, an dem Jesus der Bibel zufolge gekreuzigt wurde, ist ebenso unheilschwanger. (Warum dann allerdings die Spanier, denen man mitteleuropäisch vorgebildet erst einmal mehr Aberglauben unterstellt, Dienstag, den 13., als Unglückstag betrachten, bleibt ungeklärt.)

Allerdings ist die Kombination von Freitag und der 13 wohl relativ jung. Oft wird erzählt, der Aberglaube gehe auf die Vernichtung der Kreuzritter am 13. Oktober 1307 zurück. Doch wenn es so war, dann wurde der Unglückstag zumindest 600 Jahre kaum erwähnt: Erst 1907 erschien in Amerika ein Börsenroman, der "Freitag, der 13." hieß. In Deutschland folgte 1916 ein Kriminalfilm mit gleichem Titel, aber anderer Handlung. Womöglich war auch ein okkultes Buch aus dem Jahr 1950 wichtig, den Glauben zu verankern.

Er hat aber offenbar keinen Niederschlag in der Statistik. Zum Beispiel hat im Jahr 2003 der Soziologe Edgar Wunder für die Zeitschrift für Anomalistik 146.877 Verkehrsunfälle an 78 Freitagen zwischen 1985 und 1999 ausgewertet, jeweils vom 6., 13. und 20. entsprechender Monate. Die Daten stammten vom statistischen Bundesamt: Demnach gab es tatsächlich am 13. etwas mehr Personen-, am 20. aber etwas mehr schwere Sachschäden. In keinem Fall aber war der Unterschied statistisch signifikant.

Womöglich beruht jeder mögliche Effekt ohnehin auf den komplexen Strickmustern der Psyche. Manche Menschen sind am Freitag, dem 13. leicht nervös, darum passiert ihnen was. Oder sie passen besonders auf, darum passiert ihnen weniger als sonst. In jedem Fall ist ihre Aufmerksamkeit erhöht, so dass sich jede Abweichung von der vermeintlichen Normalität besonders ins Gedächtnis brennt.

Aber wahrscheinlich nehmen das Thema ohnehin nur wenige Menschen richtig ernst. Diese kann daher auch folgende Rechnung nicht mehr erschrecken: Addiert man die Ziffern des heutigen Datums, also 1+3+5+2+0+1+1 ergibt sich wiederum 13, die Unglückszahl.

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