Wie sein Nachfolger König Ludwig XVI. hat Heinrich (Henri) IV. während der Französischen Revolution seinen Kopf verloren - allerdings nicht unter der Guillotine. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits seit 183 Jahren tot. Es war sein einbalsamierter Leichnam, den Grabschänder 1793 in der Königlichen Basilika Saint-Denis in Paris köpften, als sie die königlichen Gräber zerstörten.
Danach blieb das Haupt des Herrschers verschwunden. Private Sammler behaupteten, im Besitz des Kopfes zu sein. Doch bis jetzt war unklar, ob es sich bei dem Schädel inklusive Hirn und Haut tatsächlich um Teile der Leiche des französischen Königs handelte.
Ein Team französischer Wissenschaftler ist nun, nach einer neunmonatigen Untersuchung, davon überzeugt, dass es sich tatsächlich um den Kopf Heinrichs IV. handelt. Wie die Experten unter anderem auf den Gebieten der forensischen Medizin und Anthropologie, Biologie, Radiologie im Fachblatt British Medical Journal berichten, sprechen alle Indizien dafür. Heinrich IV. war - trotz seiner Beliebtheit in der Bevölkerung - am 14. Mai 1610 im Alter von 57 Jahren von dem katholischen Fanatiker François Ravaillac erstochen worden.
Die Identifikation des Schädels kommt also nur ein wenig verspätet zum 400. Jahrestag seines Todes.
Mit Hilfe der Radiokarbonmethode datierten die Wissenschaftler den Schädel auf die Zeit zwischen 1450 und 1650 - was nicht sehr genau ist, aber doch passt.
Genauer waren dagegen die Untersuchungen des erhaltenen weichen Gewebes. So identifizierten sie eine elf Millimeter lange Narbe im rechten Nasenflügel sowie ein kleines Loch im rechten Ohrläppchen, in dem der Tote zu Lebzeiten offenbar einen Ring getragen hatte. Beide Merkmale lassen sich auf Porträts und Büsten des Königs Heinrich des Großen wiederfinden.
Darüber hinaus entdeckten die Fachleute um Philippe Charlier vom Hôpital Raymond-Poincaré im französischen Garches eine verheilte Verletzung des linken Oberkieferknochens, was zu der Stichwunde passt, die Heinrich 1594 von dem ebenfalls religiös motivierten Attentäter Jean Châtel zugefügt worden war.
Auch rote und weiße Kopf- und Barthaare in passender Länge stellten die Wissenschaftler fest. Und auch die beginnende Glatze, der schlechte Zustand der Zähne, die Art der Einbalsamierung und weitere Hinweise entsprechen den Beschreibungen der Zeitgenossen des Königs. Dazu gehören etwa der Chirurg Jacques Guillemeau, der die Autopsie des ermordeten Herschers vorgenommen und der Arzt Pierre Pigray, der ihn einbalsamiert hatte.
Zuletzt versuchten sich die Experten an einer digitalen Gesichtsrekonstruktion - mit ebenfalls überzeugendem Ergebnis. Das Antlitz, das der Computer mit Hilfe der Schädeldaten herstellte, passt mit Porträts und dem Gipsabdruck zusammen, der nach dem Tod des Monarchen hergestellt worden war. Der letzte, endgültige Beweis, den die Fachleute schuldig bleiben müssen, wäre eine Analyse des Erbguts gewesen.
Heinrich IV. wurde auch als "Der gute König" bezeichnet sowie als der "grüne Galan". Seine bekannteste historische Hinterlassenschaft ist das Edikt von Nantes, mit dem der König 1598 den französischen Protestanten, den Hugenotten, Religionsfreiheit gewährte und den Bürgerkrieg in Frankreich beendete.
Ursprünglich Protestant war Heinrich nach dem Massaker an den Hugenotten in der Bartholomäusnacht von seinem Vorgänger Karl IX. gezwungen worden, zum Katholizismus überzutreten. Nach seiner Flucht aus der Gefangenschaft kehrte er zum protestantischen Glauben zurück. Doch nach weiteren Jahren des Bürgerkriegs konvertierte er erneut - um französischer König werden zu können. Er söhnte sich mit der Liga der französischen Adligen und dem katholischen spanischen König Philip II. aus und machte so den Weg frei für das Edikt von Nantes.
"Jetzt, wo er mit Hilfe der strengsten forensisch-anthropologischen Methoden identifiziert ist, wird der Kopf des Königs in der Königlichen Basilika von Saint-Denis erneut feierlich beigesetzt werden", kündigen die Wissenschaftler an. "Ähnliche Methoden könnten benutzt werden, um alle anderen Skelette der Könige und Königinnen im Massengrab der Basilika zu identifizieren, so dass sie in ihre ursprünglichen Gräber zurückkehren können."