Frage der Woche:Wie groß kann der Mensch noch werden?

Seit 150 Jahren schießt der Durchschnittseuropäer in die Höhe. Wo liegt das Ende der Bohnenstangen?

1940 starb der Amerikaner Robert Wadlow und wurde in einem spektakulären Sarg von über drei Metern Länge in die Erde gelassen. Wadlow maß zu diesem Zeitpunkt 2,72 Meter und ging als größter Mensch aller Zeiten in die Medinzingeschichte ein.

Die gigantische Größe verhalf dem Amerikaner auch zu Lebzeiten zu einigem Ruhm, in erster Linie aber verursachte sie Leiden. Wadlow litt an einem Tumor im Gehirn, der große Mengen Wachstumshormone ausschüttete. Indem er unaufhörlich in die Höhe schoss, wurden seine Knochen fragil; bald konnte er nur noch mit Hilfe von Beinschienen laufen. Unter einer den Schienen entstand schließlich eine Infektion, an der Wadlow starb - mit 22 Jahren.

Heute hätte die Infektion möglicherweise durch Antibiotika gestoppt werden können. Dennoch vermuteten Mediziner aus Oxford, dass der riesige Amerikaner ohnehin nicht viel älter geworden wäre. Denn einem Menschen von mehr als 2,70 Meter dürfte kein langes Leben beschieden sein: Sein gigantisches Blutvolumen überlastet das Kreislaufsystem. Das Herz wird überstrapaziert. Die biologische Grenze für das Wachstum dürfte nach einer vorsichtigen Schätzungen der Wissenschaftler bei zirka 2,75 Meter liegen. Mit Sicherheit weiß dies aber niemand.

Durchschnittsdeutscher ist 1,78 groß

Nun ist der durchschnittliche deutsche Mann 1,78 Meter groß und hat damit noch viel Luft nach oben - zumindest was die biologischen Voraussetzungen betrifft. Diese bilden aber nur die eine Seite. Die Größe des Menschen hängt auch von den Umwelteinflüssen in den ersten 20 Jahren seines Lebens ab: vor allem vom Angebot an Nahrung und medizinischer Versorgung sowie einer schadstoffarmen Umgebung.

Diese gesellschaftlichen Einflüsse sind sogar in einem solchen Maße ausschlaggebend für die Höhe des Menschen, dass Forscher der Universität München bereits vorschlugen, die durchschnittliche Körpergröße einer Nation als Bioindikator für deren Wohlstand zu messen. Denn dass der Mensch im Schnitt immer größer wird, ist keineswegs ein Naturgesetz.

So machten beispielsweise die geringe Bevölkerungsdichte und reiche natürliche Ressourcen die Amerikaner in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu den größten der Welt. Seit einigen Jahren aber wachsen sie nicht mehr in die Höhe, sondern höchstens in die Breite. Tendenziell schrumpfen sie sogar wieder: 20-jährige Amerikanerinnen sind heute kleiner als 30-Jährige. Als Grund nennt der Münchner Wirtschaftshistoriker John Komlos ungesunde Ernährung, ein mangelhaftes Gesundheitssystem und ungünstige Lebensbedingungen in überfüllten Großstädten.

In Deutschland wachsen zumindest die Männer weiter - allerdings nur im Osten. In den neuen Ländern holen sie rapide jene knapp zwei Zentimeter auf, die sie zur Zeit der Wiedervereinigung kleiner waren als die Westdeutschen. In den alten Ländern dagegen stagniert das Wachstum. Komlos vermutet ökonomische Probleme, die nach der Wiedervereinigung auftraten, hinter diesem Phänomen. Die Riesen der Welt sind heute die Niederländer - mit einer Höhe von 1,82 Meter. Sollte der Wohlstand dort und in anderen europäischen Ländern weiter wachsen, so meinen die meisten Wissenschaftler, ist auch noch ein bisschen mehr Körpergröße drin.

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