Frage der Woche:Wetter auf Bestellung?

Seit Jahrzehnten versuchen Menschen, Regen zu verhindern, Niederschläge gezielt auszulösen oder Hurrikane umzuleiten. Aber geht das überhaupt?

Markus C. Schulte von Drach

Seit Menschen wissen, dass der Erfolg ihrer Pläne häufig vom Wetter abhängt, versuchen sie, darauf Einfluss zu nehmen. Sogar Menschenopfer wurden gebracht, um die für Sonnenschein und Regen verantwortlichen Götter milde zu stimmen. Und mancherorts sollten Regentänze Dürreperioden beenden.

Frage der Woche: Können Wissenschaftler tatsächlich das Wetter beeinflussen?

Können Wissenschaftler tatsächlich das Wetter beeinflussen?

(Foto: Foto: dpa)

Vor allem in der Landwirtschaft war und ist das Interesse an Wasser und Sonne im bestmöglichen Verhältnis groß. Aber auch unter Militärs gibt es bis heute den Wunsch, Gegnern katastrophale Wetterbedingungen zu bescheren. Doch auf die Götter, so die bittere Erkenntnis, kann man sich nicht verlassen.

Deshalb kam es mit zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Versuchen, direkt in die Vorgänge in der Atmosphäre einzugreifen. Bereits 1836 hatte etwa der amerikanische Meteorologe James Pollard Espy den Plan, Wälder abzubrennen, um Regen auszulösen. Seine Überlegungen waren nicht dumm: Die heiße Luft sollte aufsteigen und Feuchtigkeit mitnehmen, die in der Höhe kondensieren und als Regen wieder herabfallen würde.

1924 dann versuchte Emory Leon Chaffee von der Harvard University, Cambridge, Massachusetts, erstmals, Regen auszulösen, indem er vom Flugzeug aus Wolken mit elektrisch aufgeladenen Sandkörnern impfte. 1930 versuchte der Niederländer August Willem Veraart Schauer hervorzurufen, indem er vom Flugzeug aus Trockeneis in Wolken fallen lies.

1935 hoffte der französische Meteorologe Bernard Dubos vergeblich, mit Hilfe riesiger Dampf-Schornsteine, Regen zu erzeugen. Und 1938 versuchte Henry G. Houghton vom MIT, Nebel aufzulösen, indem er eine die Feuchtigkeit bindende Lösung hineinsprühte. Sämtliche Wissenschaftler scheiterten.

Doch 1946 kamen der Chemie-Nobelpreisträger Irving Langmuir, der Physiker Bernard Vonnegut und Langmuirs Assistent Vincent Schaefer auf die Idee, dass sowohl Trockeneis als auch Silberjodid in Wolken Niederschläge auslösen würden. Beide Hilfsmittel sollten als sogenannte Kristallisationskeime wirken, an denen das Wasser zu Hagelkörnern gefriert.

Ihre Versuche im Forschungslabor der Firma General Electric schienen erfolgreich, und sie waren überzeugt, tatsächlich Schneefälle über Massachusetts verursacht zu haben. Und es ist ihre Methode, die bis heute weltweit regelmäßig eingesetzt wird.

1947 startete das US-Militär deshalb das Projekt "Cirrus", für das Longmuir eine Reihe von Versuchen unternahm. General Electric dagegen nahm Abstand von weiteren Experimenten, aus Sorge, das Unternehmen könnte für Wetterschäden haftbar gemacht werden.

Amerikanische, russische und auch britische Militärs entwarfen in der Folge verschiedene Pläne mit dem Ziel, das Wetter mit Hilfe von Silberjodid zum Nachteil des Gegners zu beeinflussen. Und in den sechziger Jahren versuchte die US-Regierung im Rahmen des "Project Stormfury", Hurrikane vor der Küste der Vereinigten Staaten zu impfen und so abzuschwächen.

Träume vom Wetterkrieg

Doch die angeblichen Erfolge wurden immer wieder angezweifelt. 1977 dann verpflichteten sich die USA, Russland, China, Großbritannien und etliche weitere Staaten in der UN-Resolution "Enmod Warfare", Versuche des Militärs, das Wetter zu manipulieren, einzustellen. Die Träume vom Wetterkrieg aber gibt es noch immer.

So warnt zum Beispiel ein Bericht für das Europäische Parlament aus den neunziger Jahren vor einem amerikanischen "klimabeeinträchtigenden Waffensystem" mit der Bezeichnung HAARP. Dabei handelt es sich um ein Forschungsprogramm für hochfrequente Strahlenforschung (High Frequency Active Auroral Research Project), das gemeinsam von der Luftwaffe der USA und dem Geophysikalischen Institut der Universität von Alaska in Fairbanks betrieben wird.

In dem Dokument des Europaparlements gilt HAARP als Beispiel für die "militärischen Forschungsarbeiten über die Beeinflussung der Umwelt als Waffe trotz bestehender Übereinkommen".

Was das System, mit dem elektrische Eigenschaften der Atmosphäre manipuliert werden sollen, wirklich kann, ist unklar, doch "wird dies als militärische Waffe eingesetzt, können die Folgen für den Feind verhängnisvoll sein".

Wie aber ist es um die Manipulationen des Wetters im Dienste der Landwirtschaft bestellt?

Tatsächlich sind in vielen Ländern der Welt regelmäßig Flugzeuge unterwegs um Wolken zum Abregenen zu bringen, bevor sie Kulturlandschaften oder Stadtgebiete erreichen, oder um trockene Zonen zu bewässern. Sogenannte Hagelflieger arbeiten auch in Deutschland. Im Landkreis Rosenheim etwa, so heißt es, sind die Schäden durch Hagel zurückgegangen, seit die Wolken dort geimpft werden. In Russland wurde bereits versucht, Waldbrände mit Hilfe der Wolkenimpfung zu bekämpfen.

Wetter auf Bestellung?

Doch vor allem China setzt im großen Stil auf die Methode. Etwa 100 Millionen Dollar jährlich investiert Peking in die Maßnahmen. Selbst um Großveranstaltungen wie die Eröffnungsfeiern der Olympischen Spiele 2008 vor Niederschlägen zu bewahren, will die chinesische Regierung Flugzeuge und Silberjodid-Kanonen einsetzen. Und manche Stadt wird immer wieder gezielt dem Regen ausgesetzt, um den Smog zu bekämpfen.

Die Skepsis bleibt

Doch trotz der angeblichen Erfolge sind viele Wissenschaftler noch immer skeptisch, ob die Impfung der Wolken tatsächlich so gut funktioniert, wie behauptet wird. "Es gibt keine Überprüfungen", kritisierte kürzlich Roelof Bruintjes vom US National Center fo Atmospheric Research in Boulder, Colorado, im Fachmagazin New Scientist. "Keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen belegen die Behauptungen (der Chinesen)."

Das wird sich bald ändern, hofft Arlen Huggins vom Desert Research Institute in Reno, Nevada. Der Forscher leitet eine Studie in den Snowy Mountains in Australien, wo seit Jahrzehnten Wolken geimpft werden, um Schneefällen vorzubeugen. Erste vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Methode funktionieren könnte, berichtete Huggins auf einer Tagung der American Meteorological Society in Westminster, Colorado.

Handfeste Daten besitzen eigenen Angaben zufolge bereits Wissenschaftler der Universität Graz. Die Forscher um Reinhold Lazar berichteten vor einiger Zeit, dass die Anzahl großer Hagelkörner in der Steiermark zurückgegangen sei, seit die Gewitterwolken von der Steirischen Hagelabwehr regelmäßig mit Silberjodid geimpft werden. Auch seien die Schäden durch Hagelkörner signifikant zurückgegangen.

Inzwischen setzen manche Wissenschaftler auch auf andere Methoden, um das Wetter zu beeinflussen. In China wird inzwischen auch Kieselgur eingesetzt, ein Mineral, dass in Regenwolken die Feuchtigkeit binden soll, statt Regen auszulösen.

Maßnahmen gegen Blitze und den Klimawandel

Selbst Blitzeinschläge sollen sich verhindern lassen, hoffen Forscher um den Genfer Physiker Jérôme Kasparian. Die Wissenschaftler haben kürzlich Gewitterwolken mit Hilfe eines mobilen Hochleistungslasers beschossen und dabei elektrische Entladungen erzeugt. In Zukunft könnten auf diese Weise möglicherweise gezielt Blitze ausgelöst werden - bevor sie zum Beispiel auf einem Flughafen Schaden anrichten.

Auch Hurrikane wollen Wissenschaftler weiterhin bekämpfen. So geht Ross Hoffman von der Firma Atmospheric and Environmental Research davon aus, dass in einigen Jahrzehnten zum Beispiel ein biologisch abbaubarer Ölfilm auf das Wasser im Entstehungsgebiet eines Sturms gelegt werden könnte. Das würde verhindern, dass von der Meeresoberfläche feuchtwarme Luft aufsteigt und einen Wirbelsturm auslöst, hofft Hoffman.

Andere Forscher wollen Wolken mit Mikrowellen aufheizen, um Tornados zu verhindern. Und selbst den "Project-Stormfury"-Veteran Joe Golden von der University of Colorado, Boulder, hat das US-Heimatschutzministerium gebeten, sich noch einmal mit der Frage zu beschäftigen, wie sich wenigstens die Richtung von Hurrikanen beeinflussen lässt.

Nicht nur um das Wetter, sondern gleich um den Klimawandel machen sich die Experten der amerikanische National Academy of Sciences Gedanken. Schließlich droht gerade in den armen Regionen der Erde eine Zunahme von Wetterextremen wie Dürren und Überschwemmungen.

Deshalb haben die Fachleute der Gesellschaft kürzlich vorgeschlagen, eine riesige Spiegel-Anlage im Weltraum einzurichten, um das Sonnenlicht zu reflektieren. Und vom niederländischen Nobelpreisgewinner Paul Crutzen stammt die Idee, Raketen mit Schwefel in die Stratosphäre zu schießen, wo das Element einen kühlenden Mantel um die Erde legen könnte. Das alles allerdings ist noch Zukunftsmusik. Und auch wenn die Eröffnungsfeiern der Olympiade in China trocken bleiben, ist nicht sicher, ob dies eine Folge der Wolkenimpfung sein wird - oder ein Entgegenkommen wohlgesonnener Wettergötter.

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