Frage der Woche:Wann kommt das Designer-Baby?

Vor 30 Jahren wurde Louise Brown geboren, das erste künstlich im Reagenzglas gezeugte Baby. Es war der Beginn einer Entwicklung, an deren Ende der Nachwuchs vom Reißbrett stehen könnte.

Markus C. Schulte von Drach

30 Jahre ist es her, seit die Geburt des ersten sogenannten Retortenbabys als Sensation gefeiert wurde. Louise Brown, geboren am 25. Juli 1978 und von britischen Zeitungen als Super Babe bezeichnet, war nicht auf natürlichem Wege gezeugt worden, sondern in einem Reagenzglas. Erst die befruchtete Eizelle war in die Plazenta der Mutter eingesetzt worden, wo sie zu einem gesunden Kind heranreifte.

Frage der Woche: Unsere Kinder sollen gesund, schön und intelligent sein. Geht das über Eingriffe ins Erbgut?

Unsere Kinder sollen gesund, schön und intelligent sein. Geht das über Eingriffe ins Erbgut?

(Foto: Foto: iStock)

Die Anwendung der Technik bei Menschen war damals umstritten. Es gab ethische Bedenken. Doch seitdem wurden bereits etwa vier Millionen Babys geboren, die ihre Entstehung dem Prozess der In-Vitro-Fertilisation (IVF) verdanken.

Seit 1978 haben sich die technischen Möglichkeiten erheblich weiterentwickelt. Heute ist es zum Beispiel möglich, die außerhalb der Gebärmutter gezeugten Embryos auf einige Erbkrankheiten oder Auffälligkeiten hin zu untersuchen. In vielen Ländern ist dies üblich, und es werden dann nur jene Embryos verwendet, die die größte Hoffnung auf gesunden Nachwuchs zu bieten scheinen.

Die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID), die in Deutschland verboten ist, ermöglicht es aber auch, den Nachwuchs in Hinsicht auf das Geschlecht auszuwählen - was in den USA bereits getan wurde. Auch wurden sowohl in Amerika wie in Europa bereits gezielt IVF-Embryos gezeugt und hinsichtlich ihrer Eignung als Knochenmarkspender für Geschwister ausgewählt, die an einer Erbkrankheit leiden.

Noch sind es Ausnahmen, bei denen die IVF angewandt wird - etwa bei Paaren, die anders keinen Nachwuchs zeugen können oder bei jenen, die gezielt einen Knochenmarkspender suchen.

Jeder wünscht sich gesunde Kinder

Doch das Interesse der Menschen daran, die Eigenschaften ihrer Kinder über Erziehung und Partnerwahl hinaus zu beeinflussen, ist groß. Jeder wünscht sich schließlich gesunde Kinder.

Das spiegelt sich zum Beispiel in der Häufigkeit von Fruchtwasseruntersuchungen bei schwangeren Frauen jenseits der 35 Jahre wider. Etwa zwei Drittel nutzen sie um festzustellen, ob ihr Kind eine Chromosomenstörung wie Trisomie 21 (Down-Syndrom), bestimmte Erbkrankheiten oder einen offenen Rücken (Spina bifida) aufweist. Und die meisten entscheiden sich zum Beispiel im Falle des Down-Syndroms für den Schwangerschaftsabbruch.

Inzwischen gibt es etliche sogenannte Marker, mit denen die Mediziner Gene in unserem Erbgut aufspüren können, die ein gewisses Krankheitsrisiko anzeigen, etwa für die Entwicklung von Brust-, Darm- und Lungenkrebs, für Alzheimer, für Asthma, multiple Sklerose, Arthritis. Selbst einen Hang zum Restless-Leg-Syndrom, zu bestimmten Augenleiden und zu Übergewicht kann man in der DNS aufspüren.

Jeder kann sein Erbgut inzwischen schon bei privaten Unternehmen auf diese Marker hin untersuchen lassen. Und die Zahl der mehr oder weniger eindeutig identifizierten Risikofaktoren wächst und wächst.

Was werden wir nun tun, wenn in einigen Jahren zum Beispiel klar ist, welche Gene zur extremen Kurzsichtigkeit führen und der ungeborene Nachwuchs sie erwiesenermaßen trägt? Wollen wir solche Kinder in Zukunft abtreiben und versuchen, Nachwuchs zu zeugen, dem die eingeschränkte Sehfähigkeit erspart bleibt?

Eine Alternative zur Abtreibung scheint die Gentherapie zu bieten. Schon seit 1990 versucht man, Patienten mit schweren genetisch bedingten Krankheiten zu helfen, indem man fremde Gene in ihren Körper überträgt, die das nicht funktionierende Erbgut ersetzen sollen. Noch handelt es sich hierbei nicht um Eingriffe in die Keimbahn der Betroffenen. Das bedeutet, die Kinder der Patienten sind weiterhin dem Risiko ausgesetzt, die defekten Gene zu erben.

Wann kommt das Designer-Baby?

Doch auch hier sind die Wissenschaftler inzwischen einen Schritt weiter. Wie Forscher der Cornell University in Ithaca, New York, vergangenes Jahr berichteten, ist es ihnen gelungen, mit Hilfe harmloser Viren ein Gen für ein fluoreszierendes Protein in einen einzelligen menschlichen Embryo einzuschleusen.

Das fremde Gen wurde bei den anschließenden Zellteilungen weitergeben, was die Wissenschaftler daran erkennen konnten, dass nach drei Tagen sämtliche Zellen leuchteten. Zwar war der Embryo von vorn herein nicht lebensfähig gewesen - zu einem leuchtenden Baby konnte er nicht heranwachsen. Der Versuch belegte jedoch, dass sich nach der Befruchtung im Reagenzglas defekte Gene auch bei Menschen theoretisch ersetzen lassen.

Und wenn tatsächlich alle Zellen ausnahmslos das fremde Erbgut beinhalten - also auch Eizellen und Spermien - dann würde die korrigierte DNS an den Nachwuchs vererbt.

Dann aber wäre es auch denkbar, das Erbgut gezielt mit Genen aufzupeppen, so dass der Nachwuchs erwünschte Eigenschaften entwickelt oder zumindest die Anlagen dafür trägt. Natürlich muss man dazu genau wissen, welche Gene zum Beispiel für die Augenfarbe verantwortlich sind, welche für die Körpergröße, welche für die Intelligenz. Davon aber sind wir noch weit entfernt.

Außerdem ist das Zusammenspiel der Gene so komplex, dass es zu mancher Überraschung kommen könnte, wenn man auf diese Weise in das Erbgut eingreift. Denn ein Gen ist meist nicht allein für ein Merkmal verantwortlich, sondern zusammen mit anderen Genen. Auf der anderen Seite hat ein einziges Gen oft Auswirkungen auf die Ausprägung mehrerer Eigenschaften.

"Wie nützlich das sein wird, ist unklar"

Darüber hinaus ist es nicht so leicht, fremde Gene an der richtigen Stelle in das Erbgut zu integrieren. Das belegt ein Versuch mit dem Leucht-Gen an Rhesusaffen. Im Jahre 2001 hatten US-Forscher 224 Versuche gestartet, das fremde Erbgut in Affen-DNS einzuschleusen. Tatsächlich kam schließlich ein Tier mit dem Gen in jeder Zelle lebend zur Welt. Doch der Affe namens Andi leuchtete nicht. Das Gen arbeitet offenbar nicht richtig. Zwei Geschwister dagegen leuchteten, doch sie wurden tot geboren.

Vom Designer-Baby sind wir demnach noch weit entfernt. "Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden wir die Technik haben, um Eltern mit etlichen Informationen zu versorgen - aber wie nützlich das sein wird, ist unklar", erklärte etwa Susannah Baruch vom Genetics and Public Policy Center der Johns Hopkins University in Washington D.C. jetzt dem Fachmagazin Nature.

Zwar ist offen, wie sehr der Druck auf werdende Eltern mit wachsenden Erkenntnissen über Erbkrankheiten zunehmen wird. Doch vorerst bleibt die Auswahl von Embryonen auf jene beschränkt, die mit Hilfe der IVF gezeugt wurden. Dies aber, so Baruch, "ist eine teure und unangenehme Methode. Der altmodische Weg ist billiger, macht mehr Spaß und wird sich auch in den nächsten 30 Jahren nicht ändern".

Doch unabhängig davon, wie lange es noch dauern wird, bis wir unseren Nachwuchs tatsächlich am Reißbrett entwerfen werden - bereits jetzt sind die Fortschritte der Reproduktionsmediziner und Humangenetiker so groß und die Implikationen so bedeutend, dass wir die gesellschaftliche Diskussion, die vor 30 Jahren mit der Geburt von Louise Brown begonnen hat, dringend fortsetzen müssen.

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