Frage der Woche:Rot gewinnt - oder?

Wer sportliche Wettkämpfe gewinnen will, sollte sich überlegen, in welcher Trikotfarbe er antritt, sagen britische Forscher. Macht das Hemd den Helden?

Markus C. Schulte von Drach

Vielleicht ist es ein kleiner Trost für die Nationalmannschaften von Österreich, der Schweiz und Polen, die ihre ersten Spiele während der EM 2008 verloren haben: Immerhin haben sie die richtige Farbe getragen.

Frage der Woche: Hilfreiche Trikotfarbe?

Hilfreiche Trikotfarbe?

(Foto: Foto: ddp)

Denn rote Trikots, das jedenfalls sagen britischer Forscher, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, im Fußball zu gewinnen.

Deutsche Fußballfans werden natürlich sofort an die Spielerbekleidung des chronischen deutschen Meisters FC Bayern München denken.

Die Kicker der Bundesliga hatten Robert Barton und Russell Hill von der Durham University sowie Martin Attrill und Karen Gresty von der University of Plymouth für ihre Studie zwar nicht berücksichtigt. Aber auch in der englischen Premier League treten die Teams von Manchester United, Liverpool, Arsenal und Nottingham Forest bei Heimspielen meist in rot an - und in den vergangenen 50 Jahren haben diese Mannschaften dann auch besonders häufig gewonnen.

Die Wissenschaftler hatten die Erfolgsquote der 68 erfolgreichsten englischen Mannschaften verglichen und dabei festgestellt, dass jene in roten Trikots häufiger gewonnen hatten als ihre Konkurrenz in blau, weiß oder gelb/orange. Am schlechtesten hatten die Teams in gelb oder orange abgeschnitten.

Bei Auswärtsspielen dagegen, bei denen die Fußballer häufig nicht ihre Mannschaftsfarben tragen, schnitten die sonst in rot spielenden Teams nicht besser ab als die Konkurrenz.

Die Wirkung der Trikots haben die Forscher im Journal of Sports Sciences (Bd. 26, S. 577, 2008) zusammengefasst: "Seit 1947 waren englische Fußballteams in roten Hemden häufiger Meister als es auf der Basis des Anteils der Klubs, die in Rot spielen, zu erwarten wäre." Demnach, so ihr Schluss, "verbessert rote Bekleidung die Performance im Wettkampf".

Rote Ringer gewinnen häufiger

Auf die Idee, einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Erfolg im Fußball und der Trikotfarbe zu untersuchen, waren die Forscher aufgrund einer früheren Studie gekommen. Hill und Barton hatten bereits den Ausgang der Wettkämpfe während der Olympischen Spiele 2004 in den Disziplinen Boxen, Taekwondo und Ringen untersucht. Ob die Sportler in rote oder blaue Trikots gesteckt wurden, hatte das Los entschieden. Wie die Forscher 2005 im Fachmagazin Nature berichtet hatten, waren unter jenen, die in Rot angetreten waren, deutlich mehr als Sieger aus dem Wettkampf hervorgegangen.

Beobachtungen während der EM 2004 scheinen die Ergebnisse der zwei Wissenschaftler zu bestätigen. Demnach gab es damals fünf Mannschaften, die in zwei unterschiedlichen Nationaltrikots antraten, von denen eines überwiegend rot war, das andere dagegen blau oder weiß. Und tatsächlich schossen die Kicker jeweils mehr Tore, wenn sie in rot spielten.

"Wir sehen eine Reihe möglicher Erklärungen", sagte Barton nach der Fußball-Studie von 2008. "Es könnte zum Beispiel einen positiven psychologischen Effekt haben, Rot zu tragen oder mit einem roten Team verbunden zu sein. Und gegen ein solches Team anzutreten, könnte die Performance hemmen."

Wieso das so sein soll, ist umstritten. Möglicherweise gibt es einen biologischen Hintergrund. Die Farbe Rot, so spekulieren die Forscher, hängt bei einigen Tierarten mit der Konzentration des Sexualhormons Testosteron zusammen und deutet auf hohe Dominanz und Aggressionsbereitschaft.

Bei einigen Tieren konnte sogar gezeigt werden, dass sie in der sozialen Hierarchie aufsteigen und eine größere Chance auf Fortpflanzung haben, wenn ihre Signalfarben künstlich verstärkt wurde. Und wer wütend wird, läuft schließlich auch rot an - ein deutliches Zeichen für das Gegenüber, jetzt vorsichtig zu sein.

Diese Interpretation ist allerdings umstritten. So hatten Forscher der University of Newcastle ebenfalls Daten der Olympischen Spiele 2004 analysiert - die Ergebnisse des Judo-Turniers. Tatsächlich war hier ebenfalls eine Farbe besonders erfolgreich.

Allerdings waren die Wettkämpfer nicht in Rot oder Blau angetreten, sondern in Blau und Weiß. Und diesmal trugen die meisten Sieger blaue Trikots, wie Candy Rowe und sein Team damals ebenfalls in Nature berichteten. Blau aber steht nicht für einen hohen Testosteronlevel.

Niederländische Forscher der Universität Groningen warfen Rowe und Kollegen jedoch 2007 im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society vor, unsauber gearbeitet und die besonderen formalen Abläufe während des Judo-Turniers ignoriert zu haben. Die Farben waren nämlich doch nicht wirklich zufällig verteilt worden. Darüber hinaus, so konterten auch Burton und Hill, sei der Rot-Effekt nur bei Männern zu beobachten, nicht bei Frauen. Und das soll für ihre Interpretation sprechen.

Während jedoch die Forscher aus Groningen auch die Olympia-Studie von Burton und Hill nicht überzeugend finden, sehen sich die Briten durch ihre neue Fußball-Untersuchung bestätigt. Und der Effekt der Farbe, so vermuten sie nun, komme sowieso nur dort zum Tragen, wo die Gegner ungefähr gleich stark sind.

Kein Vorteil in der Ferne

Kompliziert wird die Übertragung der Studienergebnisse natürlich, wenn man versucht, sie auf internationale Fußballturniere wie Europa- oder Weltmeisterschaften zu übertragen. Zum einen spielen alle Mannschaften bis auf die Gastgeber nicht daheim. Die Briten aber hatten festgestellt, dass der Trikotfarben-Vorteil vor allem im heimischen Stadion auftritt, weil dort eher in den eigentlichen Mannschaftsfarben gespielt wird.

Außerdem sind rote Trikots bei den international erfolgreichsten Nationalmannschaften eher selten. Brasilien, immerhin fünfmal Weltmeister, tritt in der Regel sogar in Gelb an - der Farbe, die in der englischen Liga für die Looser steht. Der viermalige Weltmeister Italien läuft in Blau auf. Und dass der rote Alternativdress der deutschen Kicker die Erfolgsquote gegenüber dem weißen oder abgeschafften grünen Trikot erhöht hätte, kann man nicht behaupten.

Es kommt also letztlich eben doch darauf an, guten Fußball zu spielen - sogar daheim, wie Östereicher und Schweizer feststellen mussten.

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