Frage der Woche:Kann Kaufen süchtig machen?

Im neuen Kinofilm "Shopaholic" kann Rebecca Bloomwood keinem Schnäppchen widerstehen. Aber gibt es so etwas wie Kaufsucht wirklich?

Markus C. Schulte von Drach

Einkaufen ist für manche Menschen das Größte. Zum Beispiel für Rebecca Bloomwood in Sophie Kinsellas Bestseller "Die Schnäppchenjägerin", der jetzt unter dem Namen "Shopaholic" in den Kinos läuft. Shoppingsüchtig wie sie ist, kann sie keinem Angebot widerstehen: kaufen, kaufen, kaufen.

Frage der Woche: Eine Szene aus "Shopaholic".  Wer ständig aus Spaß kauft, ohne die Dinge zu brauchen, leidet vielleicht unter Kaufsucht.

Eine Szene aus "Shopaholic". Wer ständig aus Spaß kauft, ohne die Dinge zu brauchen, leidet vielleicht unter Kaufsucht.

(Foto: Foto: AP)

Doch gibt es sie wirklich, die Shopping- oder Kaufsucht?

Tatsächlich kennen psychiatrische Lehrbücher diese Sucht bereits seit 1909. Damals beschrieb einer der Begründer der modernen Psychiatrie, der Deutsche Emil Kraepelin, eine "krankhafte Kaufsucht, die den Kranken veranlasst, sobald sich dazu Gelegenheit bietet, ohne jedes wirkliche Bedürfnis in großen Mengen einzukaufen". Bezeichnet wird sie als Oniomanie (nach dem griechischen Onios: zu verkaufen). Auch ein zweiter Pionier der Psychiatrie, der Schweizer Eugen Bleuler, bestätigte 1923 ihre Existenz.

Einen Kaufrausch haben sicher viele Menschen schon einmal erlebt. Wer mit einem großzügigen Gutschein, nach einer Gehaltserhöhung, oder der Auszahlung eines Jahresbonus zum Einkaufen gegangen ist und sich so richtig gut gefühlt hat beim Geldausgeben, der leidet noch nicht an Kaufsucht. Da muss, wie Bleuler es feststellte, das "Triebhafte" dazukommen, "das Nicht-anders-können".

Den Süchtigen geht es eigentlich nicht darum, etwas Bestimmtes zu besitzen oder zu konsumieren, sondern um das Kaufen an sich. Selbst großer Wohlstand kann das Verlangen, Dinge zu erwerben, nicht bremsen. Shopaholics haben demnach nicht so etwas wie einen Schuh-Tick, wie es häufig verharmlosend bezeichnet wird. Sie haben ein echtes psychisches Problem.

Betroffen sind vor allem junge Frauen

Immer wieder, bei manchen Betroffenen täglich, stellt sich der Zwang ein, Waren zu erwerben, die häufig gehortet oder anderen Menschen geschenkt werden. Und manchmal packen die Patienten die Einkäufe zu Hause nicht einmal aus. Schon während des Einkaufens oder kurz danach treten Schuld- und Schamgefühle auf.

Besonders häufig tritt die Störung bei jungen Frauen auf, die vor allem Kleidung, Kosmetika, Schmuck, Haushaltswaren und -geräte, CDs sowie Bücher und Lebensmittel erwerben. Männer, sie machen etwa zehn Prozent der Betroffenen aus, kaufen dagegen eher Technikartikel, Werkzeug, Sportgeräte, Autozubehör oder Antiquitäten.

Kann Kaufen süchtig machen?

Die Patienten stammen aus allen Schichten und sie leiden meist heimlich und über etliche Jahre. Häufig spielten in ihrem Elternhaus materielle Werte eine wichtige Rolle. Erschwerend kommt hinzu, dass man in den Konsumgesellschaften keine Chance hat, der Werbung zu entgehen, die häufig das Einkaufen als Belohnung für Leistungen darstellt.

1991 untersuchten Wissenschaftler um Gerhard Scherhorn von der Universität Stuttgart-Hohenheim die Häufigkeit der Oniomanie in Deutschland. Die Befragung von mehr als 1500 Personen ergab, dass in den alten Bundesländern etwa fünf Prozent der Erwachsenen, in den neuen etwa ein Prozent "stark kaufsuchtgefährdet" waren. Zehn Jahre später war die Zahl im Osten auf 6,5 Prozent gestiegen, im Westen lag der Anteil bei acht Prozent.

Im Gegensatz zum vorübergehenden Kaufrausch weist die Kaufsucht auf psychische Probleme hin. Meist leiden die Patienten unter Depressionen, affektiven Störungen, Angst-, Ess-, Zwangs- oder anderen Störungen oder sind drogenabhängig. Manifestieren sich diese Störungen in der Oniomanie, leiden die Betroffenen häufig zusätzlich unter Geldknappheit oder Schulden. In den Handbüchern zur Klassifikation von Krankheiten, dem sogenannten ICD-10 und dem DSM IV, wird die Kaufsucht unter den Impulskontrollstörungen beziehungsweise als "nicht näher bezeichnete abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle" aufgeführt.

Die Behandlung ist schwierig

Behandelt wird das Leiden mit Psychotherapie oder Medikamenten. Was wirklich hilft, müssen die Patienten im Einzelnen ausprobieren. Vielversprechend waren die Ergebnisse einer Studie des Uni-Klinikums Erlangen im vergangenen Jahr. Die 60 Versuchsteilnehmer hatten über drei Monate wöchentlich an einer 90-minütigen Gruppensitzung teilgenommen. Ziel war es, das eigene Kaufverhalten genau zu beobachten und bewusst zu machen, was dabei passiert. Außerdem sollten sie lernen, ganz gezielt etwas anderes zu tun, statt ihrem Bedürfnis nachzugeben.

Ein halbes Jahr nach der Therapie waren etwa die Hälfte der Probanden noch immer nicht rückfällig geworden. Mit diesem Ergebnis waren die Erlanger Wissenschaftler sehr zufrieden. Unzufrieden zeigten sie sich dagegen mit dem Umgang des Gesundheitssystems mit den Kaufsüchtigen.

"Angesichts der stark wachsenden Kaufsuchtgefährdung in Deutschland müssen dringend wirksame Behandlungsangebote angeboten und von den Krankenkassen finanziert werden", forderte Müller.

Kaufen kann also zur Sucht werden. Allerdings ist das exzessive Erwerben von Waren Ausdruck einer tiefergehenden Störung. Wer einfach nur hin und wieder das Shopping genießt und sich über den neuen Besitz freut, muss sich noch keine Sorgen machen. Das Kaufen selbst wirkt bei gesunden Menschen nicht wie eine Droge, die wie Heroin oder Nikotin durch den Konsum selbst bereits abhängig machen kann.

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